Der Abend neigte sich dem Ende hin zu. Als wir am Parisian Garten direkt am Wasser ankamen, war es schon so dunkel, dass ich nicht mehr genau sagen konnte, wo der Strand endete und das Meer anfing. Lediglich das leise Plätschern erklang in meinen Ohren. Zwischen weiß gestrichenen, kniehohen Zäunen und einer direkten Anbindung an den Strand standen Sechser-Tische überall im Garten verteilt. Tulpen, Rosen und Mohne waren sorgfältig in Beeten angelegt worden. Bunte Lampions erhellten den Garten in angenehm ruhigen Farbtönen.
Die Tische waren gut gefüllt. Es gab sogar eine kleine Bar am Rande, die alkoholische Getränke sowie Säfte in hohen Gläsern mit karierten Strohhalmen austeilte. Ich war beeindruckt. Die Farben und Gegenstände, direkt in perfekter Lage, waren so gut aufeinander abgestimmt und so liebevoll eingerichtet.
Mom und Dad geleiteten mich an einen Tisch, der direkt vor einer hell beleuchteten Bühne stand. Ich nahm Platz und schaute mich um. Die Menschen hier unterhielten sich laut und lachten zusammen mit Freunden, Familie und Bekannten. Es wirkte alles so idyllisch. Besser konnte man den Abend nicht ausklingen lassen.
Als ein Kellner uns die Speisekarten brachte, wunderte ich mich etwas über sein Outfit. Er sah gar nicht aus wie ein typischer Kellner aus Restaurants. Seinen Körper schmückte ein blaues Tahiti-Shirt, während ich sein Alter auf Mitte Dreißig schätzte. Er war mir sofort sympathisch, als er uns sein schönstes Lächeln schenkte.
"Gleich beginnt die Show", quiekte Mom freudig auf, als der Typ unseren Tisch verlassen hatte. In einigen Minuten würde er zurückkommen, um unsere Bestellung aufzunehmen. Ich würde sagen Eine kleine Portion Spaghetti Carbonara, denn Meerestiere, die man normalerweise in Restaurants direkt am Wasser vorfand, wollte und konnte ich einfach nicht verspeisen. Es fühlte sich immer noch falsch an.
Automatisch musste ich wieder an mein erstes Date mit Oliver zurückdenken. Unglaublich, dass ich mich damit gequält hatte, den Fisch herunterzuschlucken, um ihm zu gefallen. Generell hatte ich so vieles getan, um gut dazustehen, was ich nun zu tiefst bereute. Ich hatte unbedingt einen so guten Eindruck hinterlassen wollen, dass ich mich komplett verstellt hatte.
Kaum waren zehn Minuten um, stand der gleiche Mann wieder vor uns und fragte nach unserer Bestellung. Ich sprach meine Wunschbestellung an, Mom und Dad ihre. Solange wir aufs Essen warteten, redeten wir über den Garten, die schöne Ausstattung und wie meine Eltern auf die Idee gekommen waren, mich hierher zu entführen.
"Wir haben uns gedacht, du könntest das Meer vermissen und willst einmal aus Elizabeth City raus. Als du klein warst, hast du immer versucht, die Sterne am Himmelszelt zu zählen. Deshalb das Planetarium. Auf Quantum kannten wir keine Lichtverschmutzung", erklärte Dad und nickte mir dabei leicht zu. Mom lachte leise, anscheinend über die Erinnerung an ihre kleine, fünfjährige Tochter, die mit dem Kopf im Nacken immer wieder bei null angefangen hatte, weil sie nicht weiter als zehn zählen konnte.
"Es war ein wirklich schöner Tag. Vielen Dank", sagte ich wahrheitsgemäß.
"Der Abend ist noch nicht vorbei." - Mom nahm sich meine Hand und drückte sie fest. Irgendwie war die Situation merkwürdig. Meine Eltern benahmen sich merkwürdig. Mom hätte normalerweise breit gegrinst, doch jetzt zeigte sich nur ein mildes Lächeln auf ihren Lippen. Sie wirkte so ernst, als würde sie etwas Böses vorausahnen. Doch ich wollte sie auch nicht nach dem Grund für ihr seltsames Benehmen fragen.
Ein circa fünfzigjähriger Mann betrat die Bühne und stellte sich direkt vor das Mikrofon. Zuerst schrillte ein unangenehmes Geräusch durch die Lautsprecher, doch nach wenigen Sekunden hatte der Typ die Technik im Griff und hieß uns Willkommen. - "Wie schön, dass unser Parisian Garten heute Abend so reichlich gefüllt ist! Da werden sich die Künstler ja riesig freuen, so einem breiten Publikum ihre Kunst zeigen zu können! Viele sind von sehr weither angereist, um heute Abend zum ersten Mal vor Ihnen allen zu spielen! Sie werden Zeuge von einem möglichen Superstar! Ich wünsche Ihnen nun viel Freude und einen schönen Abend mit hoffentlich leckerem Essen. Unser erster Gast in dieser schönen Sommernacht ist Paul Smith. Er geleitet uns in eine Welt voller Liebe mit seinen selbstgeschriebenen Songs auf dem Klavier. Einen großen Applaus für ihn!"
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See the truth | ✓
Teen FictionJennifer denkt nicht im Entferntesten daran, dass sich ihr Leben um hundertachtzig Grad drehen könnte. Ihre Heimat segelte zuvor immer auf den Wellen. Nach ihrem Umzug in die Kleinstadt Elizabeth City gerät ihr vorgeplantes Leben auf den Weltmeeren...