42 - Zukunftsträume

31 2 29
                                    

"Schon Pläne für heute?", fragte Mom, als Luke und ich nach dem Frühstück ins Wohnzimmer gestiefelt kamen. Zum ersten Mal nach langer Zeit hielt sie ein Buch in der Hand und arbeitete nicht in ihrem Büro.

Sie hockte auf der Couch und hielt nur einen Finger auf der zuletzt gelesenen Seite, um uns hinterherzuschauen. Während ich im Schrank nach einer Sonnenbrille kramte, übernahm Luke für mich das Reden. - "Eigentlich noch nicht. Wir schauen mal."

Mom schlug das Buch zu, legte es auf den Couchtisch und stand auf, um ein Stückchen näherzukommen. Meinetwegen hätte sie auch gut noch weitere Stunden mit dem Roman verbringen können.

"David und ich wollten heute noch nach einem neuen Auto bei Barry2go schauen. Kommt doch mit, wenn ihr wollt. Ich wäre gespannt auf eure Meinung. Vielleicht fahren wir ja sogar eine Proberunde."

Mom quasselte, als wäre es die spannendste Unternehmung aller Zeiten, einmal um den Block zu fahren. Ich hätte schon beinah nein danke gesagt, aber Luke sah die Sache wie immer positiv und dankend entgegen.

"Ja, klar kommen wir mit, sehr gerne sogar."

Ich fasste es nicht. Anstatt den sonnigen Tag sinnvoll zu nutzen, würden wir nur im Gras oder so hocken und Däumchen drehen, während meine Eltern sich beraten lassen würden. Ich hätte meinen Freund am liebsten auf den Fuß getreten, doch ich beherrschte mich und steckte mir bloß die Sonnenbrille in die Haare, die ich soeben gefunden hatte.

"Super! Dann geht's gleich los", sagte meine Mutter und zwinkerte Luke zu, der dies mit einem Lächeln erwiderte. Ich glaubte, mir wurde gleich schlecht, während es mir so vorkam, als würden die zwei vor meinen Augen miteinander flirten.

Glücklicherweise kam Dad in diesem Moment ins Zimmer. Mom fiel ihm um den Hals und erklärte dann, dass wir mitkommen würden. Sein Gesichtsausdruck strahlte alles andere als Freude aus. Endlich jemand, der auf meiner Seite war.

"Das wird problematisch", sagte er: "Der nächste Bus fährt erst heute Nachmittag um drei dort hin."

"Ähm, wir könnten mit meinem Wagen fahren", bot Luke seine Hilfe an.

Das durfte doch nicht wahr sein! Jetzt bekam er aber wirklich gleich meine Faust in die Seite.

Mom hüpfte vor Freude in die Luft und bedankte sich tausendmal bei ihm für seine Hilfe.

"Das wird toll, nicht wahr, Liebling?", fragte Mom und blickte mir dabei gezielt in die Augen, während ihre Wangenmuskeln sicher bereits weh tun mussten.

"Von mir aus", nörgelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Wären wir doch bloß nicht hierhergekommen, sondern einfach bei Luke zu Hause geblieben, wo uns niemand zu irgendwelchen langweiligen Beschäftigungen mitzerren hätte können.

***

Wie erwartet hatten sich Mom und Dad bei einem Mitarbeiter von Barry2go verquatscht und redeten nun über den Preis und die Ausstattung eines alten Audi, bei dem bereits der Lack abblätterte. Wie konnten sie sich eine selbstgebaute Villa leisten, in der alles nach ihren Wünschen gestaltet war und sich gleichzeitig diese Schrottkarre kaufen wollen?

Luke stand mit den Händen in den Taschen neben mir, einige Meter von den Dreien entfernt und beobachtete, wie ich auch, die Situation auf sicherem Abstand. Meine Gesichtszüge waren weit nach unten gezogen und ich langweilte mich. Das einzig positive an diesem Ort war die angenehme Kühle, die einen starken Kontrast zur unerträglichen Hitze draußen bot. Wir befanden uns in einer Art Keller unter einem Parkhaus, in dem es furchtbar nach Benzin stank.

Langsame Kreise wurden von einem Finger auf meinem Rücken gefahren. Ich zuckte kurz, als mich eine Gänsehaut überraschte. Ich streckte den Rücken etwas weiter durch und setzte ein kleines Lächeln auf mein Gesicht.

See the truth | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt