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Am Morgen wachte ich alleine auf, in einem großen weichen Bett, dass vor lauter Kissen wimmelte und in dem ich das Gefühl hatte, beinahe zu verschwinden. Ich fragte mich, wie Mirae es geschafft hatte, aus dem Bett zu kommen ohne mich aufzuwecken. Mitten in der Nacht hatte sie mich immerhin wachbekommen, indem sie sich eng an mich geschmiegt und ihren Kopf auf meine Brust gelegt hatte. Da ich selbst zu müde gewesen war, um es richtig zur Kenntnis zu nehmen, war ich sofort wieder eingeschlafen. Doch jetzt war Mirae nicht mehr da und es fühlte sich seltsam an. Ich könnte jede Nacht so neben ihr schlafen, natürlich mit Verzicht darauf, dass sie am nächsten Morgen einfach unbemerkt aus dem Bett huschte.
Nachdem ich mich ausgiebig gestreckt hatte, stand ich auf und schlurfte in die Küche, in der Mirae bereits am Werkeln war. Der Duft von frischem Kaffee und Gebäck stieg mir in die Nase und als ich die Küche betrat, sah ich Mirae hektisch mit einem locker zusammengesteckten Handtuch auf dem Kopf herumwuseln. Während sie zum Backofen lief, fing sie an ihre Haare abzutrocknen und legte sich das Handtuch um die Schultern, als sie mit einem Backhandschuh ein Backblech aus dem Ofen holte.
Sie bemerkte mich, als sie gerade das Blech auf die Herdplatte legen wollte.
"Guten Morgen, Namjoon. Ich hatte gehofft fertig zu werden, bevor ich dich wecke. Setz dich", sagte sie und begann die Kirschtaschen von gestern auf einen Teller zu stapeln.
"Deswegen beeilst du dich so? Ich hätte dir auch helfen können."
Wie angewiesen setzte ich mich auf einen der Küchenstühle und Mirae stellte ein Tasse und die Kaffeekanne vor mir ab, bevor der Teller mit den aufgewärmten Kirschtaschen folgte.

"Ich wollte das unbedingt noch fertig bekommen, bevor ich los muss. Ich habe vergessen, dass ich heute einen Termin habe. Deswegen bin ich gleich weg. Aber ich wollte zumindest noch mit dir frühstücken", haspelte sie im Eiltempo herunter, trocknete sich die Haare weiter ab und setzte sich dann mit einer eigenen Tasse zu mir.
Sie roch nach fruchtigem Shampoo und frischer Zahnpasta, als sie sich zu mir beugte, um mir etwas Kaffee einzuschütten. Ihre halbnassen Haare fielen ihr ins Gesicht und lockten sich ein bisschen. Hastig goss sie sich auch Kaffee in ihre Tasse und trank direkt daraus, nur um sich gleich darauf die Zunge zu verbrennen.
Ohne einen Kommentar stand ich auf, um für Mirae ein Glas Wasser zu füllen.
"Danke."
"Und was für einen Termin handelt es sich?", fragte ich neugierig, versuchte aber so beiläufig wie möglich zu klingen. Ich wollte Mirae nicht zu einer Erklärung drängen, ich war mir nicht einmal sicher, ob sie mir überhaupt eine geben würde. Dennoch interessierte es mich.
"Bei einem Therapeuten", sagte sie geradeheraus und ich hielt in der Bewegung inne, als ich gerade nach einer der Kirschtaschen greifen wollte.
"Schau mich nicht so an", sagte sie heiter und drückte mir schließlich eines der Gebäckstücke in die Hand, ehe sie sich auch eines nahm. "Ich gehe nur zu einem kleinen Check-Up. Ich bin nicht mehr wirklich in Therapie, aber ich will dennoch hin und wieder auf Nummer sicher gehen."
"Weswegen hast du mit der Therapie angefangen?", fragte ich, noch immer neugierig, aber etwas vorsichtiger. Jetzt wollte ich sie erst recht nicht drängen, aber ich war wirklich froh, was sie mir bisher von sich aus erzählt hatte. Mirae senkte den Kopf und ich schob schnell hinterher: "Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst."

Mirae lächelte und nickte.
"Ich weiß." Mehr sagte sie dazu nicht und ich akzeptierte es, lenkte stattdessen das Gespräch auf etwas anderes und fragte sie, ob wir zusammen zu Mittag essen würden, wenn sie wieder zurück war.
"Ich bleibe nach meinem Termin noch etwas in der Stadt. Ich habe noch ein paar Besorgungen zu machen und ich glaube, ich brauche nach meiner Sitzung etwas Zeit für mich."
Mit einem verständnisvollen Lächeln griff ich nach Miraes Hand.
"Natürlich."
Sie lächelte dankend zurück.

♫♪

"Wir führen heute ein Interview mit Seol Hwaran zum fünften Jahres seit dem Verschwinden ihrer Tochter Seol Gaeun. Die Schauspielerin, die ihre erste Rolle bereits vor ihrem ersten Lebensjahr gespielt hatte, wäre vor wenigen Tagen zweiund-"
Ich schaltete den Fernseher ab, den ich eigentlich im Hintergrund hatte laufen lassen, damit es nicht so still um mich herum war, während ich schrieb. Allerdings hatte mich das Programm nur zu sehr abgelenkt und außerdem sollte ich endlich mal aufstehen und mich ein bisschen bewegen.
Ächzend erhob ich mich aus meinem Schneidersitz und klappte meinen Laptop zu. Nachdem ich meine Jogginghose gegen eine Jeans gewechselt hatte, entschloss ich mich, im Dorfinneren ein paar Lebensmitteln einzukaufen, nachdem ich meinen Rundgang gemacht hatte.
Das Dorf war wie immer ruhig, auch wenn einige Dorfbewohner unterwegs waren und mich freundlich grüßten. Allgemein verbreitete es die selbe Idylle wie immer. Jedoch nur bis ich am Dorfplatz angekommen war und die geöffnete Flügeltür zu dem Gebäude, in dem auch Cho Yejins Musikschule war, dafür sorgten, dass eine hysterische Stimme aus dem Raum drang.
"Es ist Ihr Job, meinem Kind das Klavierspielen beizubringen und mich nicht zu belehren, was für Hobbys mein Kind stattdessen haben sollte. Was fällt Ihnen ein, zu sagen, was für mein Kind das Beste wäre?!"
Ich passierte die Tür, ging jedoch nicht in den Raum mit dem Klavier hinein, in dem eine relativ junge Frau die Musiklehrerin anschrie und gleichzeitig ihr Kind von ihr wegzog.
"Hören sie zu, ich wollte Ihnen gar nicht in Ihre Erziehung reinreden, ich wollte nur anmerken, dass ich aufgrund der nachlassenden Begeisterung für die Musik mit Ihrer Tochter gesprochen habe und ich es für besser halte, wenn Sie sich mit Ihrer Tochter zusammensetzen und-"
"Hören Sie auf sich einzumischen. Meine Tochter wird Klavierspielen und wenn sie es nicht bei Ihnen lernt, dann eben bei jemand anderem."

Jetzt erst trat ich in den Raum, während die verärgerte Frau ihn verließ, so dass es so aussah, als wäre ich gerade erst gekommen und hätte nichts von dem Gespräch mitbekommen. Cho Yejin strich sich die langen dunklen Haare hinter die Ohren und ließ sich mit einem Schnauben auf den Klavierhocker fallen.
"Warum tauchst du eigentlich immer auf, wenn ich gerade in einer Auseinandersetzung stecke?", fragte sie mit einem bitteren Lächeln, rutschte ein Stück rüber und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen.
Sie raffte ihren rosafarbenen Rock, damit ich mich nicht auf ihn setzte, als ich mich neben ihr niederließ. Doch als ich platzgenommen hatte, umklammerte sie den Stoff weiterhin.
"Es ist nicht das erste Mal, dass ich das Kind einer Mutter unterrichte, die es zu etwas zwingt, was es selbst nicht will. Und nie hören die Eltern auf mich, wenn ich ihnen sage, dass ihr Kind mittlerweile selbst entscheiden kann, was es machen will." Cho Yejin ließ eine Pause, in der sie die Hände lockerte und auf die Tasten des Klaviers legte.
"Mina hat mir erzählt, dass sie gerne Fußball spielt und dass sie darin sehr gut ist. Ihr gefällt es viel mehr, im Freien herumzurennen und einen Ball hin und her zu kicken." Die Musiklehrerin begann eine leise Melodie anzustimmen und erzählte währenddessen weiter. "Ich habe ihrer Mutter gesagt, wenn man sie in ihrem Lieblingssport fördern würde, könnte sie es vielleicht einmal weit damit bringen, dadurch sogar auf eine gute Universität kommen. Aber für sie ist Fußball ein 'Jungensport' und das Klavierspielen viel passender für ein zartes Mädchen we Mina. Ich denke aber nicht, dass das ihr einziger Beweggrund ist. Die meisten Eltern lassen ihre Kinder etwas machen, was sie selbst nicht machen konnten. Sie denken, damit ihren Kindern einen Gefallen zu tun, aber eigentlich drängen sie sie in eine Rolle, die sich für sie unnatürlich anfühlt. Sie versuchen ihre eigenen Träume durch ihre Nachkommen zu erfüllen. Durch die Menschen, die sie eigentlich vor solchen Zwängen schützen sollten."

Die Worte der Musiklehrerin klangen so wütend und traurig. Und dann begleitete sie sie auch noch mit dieser melancholischen Musik und senkte den Blick, der so verletzlich wirkte, dass ich mich nicht traute, etwas zu sagen.
Also saß ich einfach schweigend neben dieser jungen Frau, die ihr Bestes gab eine gute Musiklehrerin zu sein und gleichzeitig einiges mit dem Schicksal einiger ihrer Schüler gemeinsam zu haben. Ob sie von ihren Eltern auch zu einem unliebsamen Hobby gezwungen wurde? Die Musik war es jedenfalls nicht, denn sie spielte das Klavier so gefühlvoll, dass ich ihren Kummer durch den Klang spüren konnte.
In diesem Moment fiel mir wieder die Geschichte ein, die Mirae mir erzählt hatte. Über die Zwänge, die man ihr auferlegt hatte, bis sie ihre Freiheit komplett verlor. Hatte Cho Yejin etwas ähnliches durchgemacht?



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[bald sind wir schon bei kapitel 45. ich hoffe, dass ich die story in 20-30 kapiteln fertig bekomme, aber ich weiß es noch nicht so ganz. jetzt gerade fühlt es sich an, als wäre ich fast am ende, aber das auch nur, weil ich meinen plot so ziemlich durchgeplottet habe und das ende schon vor mir sehe. es fehlt aber noch einiges, was erwähnt werden und passieren muss. xD
mal sehen, wie lange das hier noch geht. bis dahin sage ich erst einmal: wir lesen uns zum nächsten kapitel! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt