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Es waren wieder einmal Tage vergangen, seitdem ich Mirae gesehen hatte. Sie hatte zwar vor drei Tagen an meiner Haustür geklopft und mir davon erzählt, dass sie noch ein paar Dinge für die Beerdigung ihres Großvaters zu erledigen hatte, aber seitdem hatte es kein Lebenszeichen mehr von ihr gegeben.
Stattdessen stieß ich während meiner Spaziergänge durch das Dorf des Öfteren auf Cho Yejin, die sich mal mit den Eltern einer ihrer Musikschüler unterhielt oder selbst durch das Dorf huschte, um wichtige Angelegenheiten zu regeln, wie sie mir erklärt hatte. Es fand wohl im kommenden Monat eine Benefizveranstaltung statt und dafür mussten Dorfbewohner eingeladen werden. Sie fand es persönlicher, selbst vorbeizuschauen und den Bewohnern von der Veranstaltung zu erzählen, die in einer Nachbarstadt stattfinden sollte, im Zusammenschluss mit mehreren Musikschulen, die mit ihren Schülern Beiträge für das Benefizkonzert zusammenstellten.
Einmal hatte ich sogar im Mencki vorbeigeschaut. Es war noch ruhiger gewesen als sonst. Von Astra Black keine Spur. Sie hatte sich eine Nasennebenhöhlenentzündung zugezogen, hatte Sashi seufzend erzählt. Deswegen hatte die Sängerin in der ganzen letzten Woche nicht auftreten können und würde auch für diese Woche ausfallen. Ich konnte nicht sagen, ob er es nur erfand, um den wahren Grund für Astra Blacks Abwesenheit zu verstecken, aber an dem Abend, an dem die Sängerin in den Laden gestürmt war, hatte sie auf mich einen relativ fitten Eindruck gemacht. Zumindest so fit, dass man nicht von einer Nasennebenhöhlenentzündung ausgehen musste.
"Ich wünschte nur, ich hätte mehr Acts parat, die einspringen könnten. Die Band für heute hat auch abgesagt, weil sie ein besseres Angebot für einen Gig bekommen haben. Wäre Astra hier, wäre das kein Problem gewesen, sie hätte einfach ihren Auftritt verlängert."
Sashi schien unglücklich darüber zu sein, dass sein Kundenmagnet für ganze zwei Wochen ausfiel, aber seiner schweren Miene zu urteilen lag das nicht an dem Umsatzverlust, den er dadurch vielleicht hatte.

Am heutigen Tag sollte jedenfalls die Beerdigung stattfinden, die Mirae wohl scheinbar ganz allein auf die Beine gestellt haben musste, wenn sie dafür ganze drei Tage in der Stadt blieb. Ich hätte darauf bestehen sollen, sie zu begleiten. Als ich sie gefragt hatte, hatte sie mich nur schnell abgeschüttelt und ich hatte es akzeptiert. Ich fragte mich in der ganzen Zeit allerdings nicht nur einmal, wie sie das aushalten sollte. Nicht, dass sie nicht stark war, aber Trauer war ein schweres und erdrückendes Gefühl. Besonders, wenn man es vermeintlich tapfer hinunterschluckte und versuchte, es nicht an sich heranzulassen.
Besonders heute war ich vollkommen unruhig, da ich am liebsten bei Mirae gewesen wäre, während sie um ihren Großvater trauerte. Nach ihrem Tränenausbruch an ihrem Geburtstag hatte sie ihre Gefühle wieder verborgen und dann war sie ja schon gefahren.
Ich seufzte schwer. Diese Frau ließ mir keine Ruhe, weil ich sie einfach nicht in Ruhe lassen konnte. Ich hatte noch immer nicht herausgefunden, woran es genau lag, immer wieder suchte ich in meinen nicht mehr enden wollenden Texten nach der Antwort, aber sie blieb genauso schleierhaft, wie die Frau, der diese ganzen Zeilen galten.
Als es dann am späten Nachmittag an meiner Tür klopfte, sprang ich so schnell auf, dass ich beinahe auf ein paar Notizblättern ausgerutscht wäre. Die Hoffnung war groß, dass es Mirae war.
Beinahe knallte ich gegen die Holztür, als ich auf sie zuraste und ich zog sie so schnell auf, dass der Windwiderstand zu hören war, als er der Tür weichen musste.

Überrascht blinzelte mich Tae an, der am Türrahmen gelehnt hatte, sich nun aber wieder aufrichtete. Seine Überraschung wich schnell einem kleinen wissenden Schmunzeln und ich wusste schon bevor er den Mund aufmachte, was er sagen würde.
"Hast du jemand anderen erwartet?"
Ich zog die Tür weiter auf und bat Taehyung ins Haus. Er schlenderte ganz cool hinein, sah sich nickend die neue Einrichtung an und schien für einen Moment zu Eis zu gefrieren, als er auf das Chaos auf dem Boden blickte. Überall lagen Blätter und Stifte verstreut herum, das Display meines Laptops, auf dem ein Textdokument geöffnet war, erlosch gerade und unter dem ganzen Durcheinander ragten Kopfhörer hinaus, durch die immer wieder das selbe Lied strömte, dem ich schon seit einer Stunde keine Beachtung mehr geschenkt hatte.
"Wow. Als du erzählt hast, dass du wieder was geschrieben hast, habe ich nicht mit so einen Kreativitätsausbruch gerechnet", sagte Tae anerkennend und drehte sich zu mir um. Sein Grinsen war hoffnungsvoll.
"Heißt das, du bist bald wieder dabei? Es sind schon Songs anderer Songwriter in der näheren Auswahl und, versteh mich nicht falsch, sie sind gut, aber sie kommen nicht an deine heran. Bei deinen Songs hatte ich wenigstens immer das Gefühl, dass ich nicht komplett Meinungslos bin."
Taehyung bückte sich zu einem Blatt hinab, das vor seinen Füßen lag und noch bevor er etwas davon lesen konnte, schnappte ich es mir und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du weißt, dass du deine Songideen immer einbringen kannst."
"Nur bisher wurde nie etwas davon ernstgenommen oder als verkaufswürdig erachtet. Meine Gefühle sind nicht attraktiv für die breite Masse. Deine dafür schon und ich konnte mich immer wieder ein wenig in deinen Texten wiedersehen. Also hör auf mit dem Versteckspiel und komm endlich zurück, Namjoon!"

Tae erhob nur ein wenig seine Stimme, aber auch, wenn es mich nicht persönlich angriff, überraschte es mich schon. Vor allem aber versetzte es mich in Alarmbereitschaft.
"Ist alles okay? Tae, ist sonst noch irgendetwas vorgefallen, außer dass dir bereits neue Songwriter zur Verfügung gestellt werden."
Ich zog ihn mit mir ins Wohnzimmer und wir setzten uns auf meine neue bequeme Couch, wie wir uns zuvor auch immer auf das durchgesessene alte Lederding gesetzt hatten. Taehyung schien nicht gerade glücklich zu sein. Sein ganzes Gesicht wurde von irgendetwas überschattet.
"Ich soll einen fröhlichen Song singen. In einem Collab. Gegen eine Collaboration habe ich nichts einzuwenden, aber sie wollen mein ganzes Konzept ändern und mich in etwas reinstecken, in das ich nicht reingehöre. Und dieser Song ... er ist wirklich ein Ohrwurm, aber er hat keine Bedeutung und überhaupt, dieser jugendliche Gute-Laune-Stil passt einfach nicht zu mir. Ganz zu schweigen davon, dass ich schon seit einiger Zeit kein Teenager mehr bin."
Da hatte er allerdings recht, ich konnte seinen Ärger voll und ganz nachvollziehen. Und ich bedauerte es sehr, dass ich ihm nicht weiterhelfen konnte.
"Du hast schon mit den Zuständigen geredet, nehme ich an."
"Nicht nur einmal."
"Und wenn du es doch noch einmal mit einem eigenen Song versuchst?"
Taehyung sah mich anklagend an. Ich seufzte. Ja, ich wusste es ja besser. Wenn sie Taes Songs nicht wollten, dann blieb auch kein Raum für Kompromisse. Seine Vorschläge wurden einfach unterbunden.
"Vielleicht schaffe ich es ja, an etwas zu arbeiten", sagte ich seufzend und Taehyung setzte sich mit gespitzten Ohren auf. "Aber ich kann nichts versprechen. Und ich kann vor allem nicht garantieren, dass ich etwas zustande bringe, das meinem alten Stil entspricht."
"Namjoon, du bist der Beste. Und alles, was du schreibst, ist besser als das, was mir von den anderen Vorgesetzt wurde."

Ich brachte ein kleines Lächeln zustande, aber Taes Äußerung, auch wenn sie noch so motivierend gemeint war, brachte den ganzen Druck wieder zurück dem ich ausgesetzt war bevor ich Seoul verlassen hatte, um eine Pause einzulegen.
Schneller als ich mich versah, war ich wieder in einem Kreativitätstief gefangen, das es mir unmöglich machte, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.



♫♪

[nicht korrekturgelesen (muss noch eine menge für uni lesen T__T).
achja, und ich wünsche denen, die vielleicht noch kein update von mir bekommen haben, ein frohes neues jahr! ich hoffe, ihr seid gut reingekommen.^^
wir lesen uns nächste woche! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt