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Am nächsten Tag schien die Sonne um einiges weniger zu strahlen, obwohl der Himmel genauso klar war, wie am Tag zuvor. Das Vogelgezwitscher und das Rascheln der Bäume war irgendwie dumpfer und mein Körper fühlte sich taub an. Über mich hatte sich der selbe Schleier gelegt, dem ich versucht hatte zu entkommen und er beeinträchtigte meine Sicht, mein Gehör und alle meine anderen Sinne, meine Gedanken, meine Emotionen und allen voran meine Kreativität.
Taehyung lümmelte schon den ganzen Morgen auf meiner Couch herum. Er hatte hier übernachtet und würde in zwei Stunden abgeholt werden, da er am Abend ein Interview hatte.
Die halbe Nacht über hatte ich versucht etwas zu Papier zu bringen, dass sich für Taehyung rentieren könnte und das mir meinen Job sicherte, aber alle Worte, die den Weg bis hierhin geschafft hatten, klangen stumpf und schrecklich gezwungen. Das hier war nicht zu vergleichen mit den Texten, die ich über Mirae geschrieben hatte oder dem Textdokument auf meinem Laptop, das schon beinahe fünfundzwanzigtausend Worte umfasste.
Dieser Song, den ich schreiben musste, war mit so vielen Erwartungen gefüllt, ohne, dass er überhaupt existierte. Das was ich aus freien Stücken geschrieben hatte, ohne die Intention sich davon einen Nummer Eins Hit zu erhoffen, hatte sich viel losgelöster und vor allem richtig angefühlt. Nun suchte ich nach den richtigen Worten, als würde ich meine eigene Sprache nicht sprechen.
"Du weißt, dass du nicht bis morgen irgendetwas auf die Beine gestellt haben musst", sagte Tae vom Wohnzimmer aus und sein Kopf erschien hinter der Lehne.
"Außerdem ... warum verarbeitest du nicht eins der Gedichte, die du hier rumfliegen hast, in einen Song? Die sind wirklich gut!"

Als wäre das mein Stichwort gewesen, sprang ich auf, plötzlich hellwach und hochkonzentriert. Mit großen Schritten lief ich zu Taehyung ins angrenzende Wohnzimmer und riss ihm die Notizen aus den Händen, die er sich gerade leise summend angesehen hatte, als wäre er schon dabei gewesen ein eigenes Lied daraus zu komponieren.
"Die sind nicht zur Veröffentlichung da. Das ist privat. Ich habe dir gestern immer wieder gesagt, dass sie dich nichts angehen."
"Wieso? Weil du plötzlich so verliebt bist, dass du nur noch über dein verwirrendes Liebesglück und die Angst das alles nur mit einem falschen Wort wieder kaputt zu machen schreiben kannst? Die Texte sind gut. Und ehrlich gesagt beneide ich dich ein bisschen. Es freut mich, dass du dich hier wohlfühlst und du hier etwas gefunden hast, nachdem du ursprünglich gar nicht gesucht hattest."
Taes Worte waren ehrlich, auch wenn er ein bisschen beleidigt klang, dass ich ihn so angefahren hatte. Mit den zahllosen Notizseiten in den Händen, ließ ich mich neben ihn fallen.
"Das bedeutet aber nicht, dass ich eines dieser Gedichte jemals zu einem Song verarbeiten werde. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich sie ihr jemals irgendwann zeigen werde. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es sowieso undenkbar."
"Wieso?" Taehyung setzte sich auf. Seine Miene wirkte interessiert, aber nicht drängend.
"Wie du schon gesagt hast, ich habe Angst, es zu verbocken. Ich will Mirae nicht von jetzt auf gleich damit überfordern, dass ich an nichts und niemand anderen mehr denken kann, als an sie. Es ist zu kompliziert."
"Das hast du schon so oft gesagt. Vielleicht solltest du sie einmal damit konfrontieren, was ihr Problem ist, statt selbst immer darüber zu grübeln." Ich sah Taehyung skeptisch an. "Du musst ja keine Antwort aus ihr herauszwingen. Wenn sie antworten will, antwortet sie, wenn nicht, dann nicht. Aber vielleicht solltet ihr mal wirklich darüber reden, anstatt dass sie dir immer nur sagt, dass sie Zeit braucht und du sie aus der Ferne anschmachtest und verrückt wirst."

"Ich werde nicht verrückt", war das einzige, dass ich darauf antwortete.
Taehyung zog einen der Notizzettel aus meiner Hand, räusperte sich und las ein paar Zeilen vor, die mir die Röte ins Gesicht schießen ließen. Er hatte genau das schlimmste Gedicht aus dem Stapel gezogen, an dem ich geschrieben hatte, als ich mich ein weiteres Mal daran erinnert hatte, wie Mirae und ich zum ersten Mal ihren Erdbeerkuchen zusammen gegessen hatten und sie mir frech und aufreizend die Erdbeere von der Gabel geklaut hatte.
"Okay, okay, schon gut. Vielleicht werde ich ein bisschen verrückt."
"Ganz schön verrückt. Nach ihr. Vielleicht hört sie ja auf, dich immer wieder an sich heranzulassen und dann wegzustoßen, wenn du es ihr sagst. Natürlich auf deine romantische Namjoon-Art."
Das wollte ich manchmal wirklich gerne tun, aber der Zeitpunkt schien immer schlecht und es war auch eindeutig zu früh für ein wirkliches Liebesgeständnis. Aber ich konnte nicht mehr leugnen, dass meine Gefühle für Mirae nicht ehrlich und stark waren. Meine Gedichtsammlung verriet etwas anderes. Und auch mein Herz, das immer schneller schlug wenn ich an sie dachte.
Vielleicht war es für mich der richtige Zeitpunkt Mirae zu sagen, was ich für sie empfand, aber für Mirae war er es nicht und es machte mir Angst, ihr meine Gefühle zu gestehen, nur um dann von ihr weggestoßen zu werden und das vermutlich endgültig. Sie hatte mir selbst gesagt, dass sie Zeit brauchte. Unvorhersagbar lange Zeit.
"Ich muss jetzt gehen", unterbrach Taehyung meinen Gedankengang und steckte sein Handy weg, auf dem er wohl die Nachricht erhalten hatte, dass sein Fahrer da war.
Ich brachte ihn zur Tür, wir verabschiedeten uns mit einer kräftigen Umarmung und dann joggte Tae die Treppen zu meinem Haus hinunter und stieg in den schwarzen Wagen, dessen Hintertür von Taehyungs Fahrer aufgehalten wurde.

Ich hob noch einmal die Hand zum Gruß, auch wenn ich nicht sehen konnte, ob Tae den Gruß erwiderte, da er hinter einer getönten Scheibe saß. Das machte aber ohnehin nichts aus, da ich im nächsten Moment sowieso wieder abgelenkt wurde, als eine in schwarz gekleidete Gestalt auf einem Weg auftauchte, der von zwei Häusern umstellt wurde. Der schwarze Wagen fuhr an ihr vorbei, weiter ins Dorf hinein, um dann das Dorf durch den Haupteingang zu verlassen.
Mirae wirkte nicht mehr ganz so mitgenommen, wie noch vor wenigen Tagen, aber die schwarze Kleidung wirkten so fremd und düster an ihr, dass ich mir vorstellen konnte, dass ihre Trauerphase noch nicht vorüber war.
Ohne nachzudenken übersprang ich die drei Stufen und lief barfuß über den festgetretenen Erdboden, um Mirae entgegen zu kommen. Ihr Blick traf erstaunt auf meinen, wanderte zu meinen nackten Füßen und dann wieder in mein Gesicht.
"Ich habe das Gefühl, du weiß immer wann ich komme und gehe", sagte sie erstaunt, als ich kurz vor ihr stehen blieb. Sie lächelte zwar ein wenig, aber ihre Augen waren gerötet, als hätte sie vor kurzem noch geweint.
Das was ich als nächstes tat war einfach aus reinem Affekt heraus. Ich überbrückte den letzten Abstand und schloss sie in die Arme. Ich konnte spüren, wie sie sich versteifte.
"Namjoon, was-"
"Ich dachte einfach, du könntest eine Umarmung gebrauchen", sagte ich leise und zog sie enger an mich.

Auch wenn ich es nicht wirklich erwartet hatte, lockerten sich Miraes Schultern und sie ließ ihren Kopf gegen meine Brust sinken und seufzte, als wäre sie erleichtert. Ich schob meine Hand in ihr Haar und strich mit den Fingern sanft über ihre Kopfhaut und ihren Nacken. Sie nahm die Umarmung noch weiter in sich auf, schlang die Arme um mich und ich konnte ihr Herz gegen meinen Rippenbogen schlagen fühlen, während sie meinem schnellen Herzschlag lauschte.
Ich konnte ihr noch nicht sagen, wie tief meine Gefühle für sie gingen, aber ich konnte sie ihr zumindest zeigen. Dass sie sich davon nicht abschrecken ließ, gab mir Hoffnung, dass sie sie auch irgendwann annehmen konnte, wenn ich sie ihr offen gestand.


♫♪

[hey! ich hoffe, es geht euch allen gut! ich versuche mich gerade über wasser zu halten, aber ich ertrinke trotzdem gerade in einem haufen arbeit und ich kann es kaum abwarten, dass die semesterferien kommen.
wir lesen uns nächste woche! (zumindest habe ich für diese story bis anfang märz programm, haha)]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt