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Mit den Monaten die vergingen näherten Mirae und ich uns immer weiter an, so dass es mir vorkam, als würden wir bereits zusammen wohnen, trotz der vielen ungesagten Worte, die noch zwischen uns standen. So sehr ich es jedoch genoss, diese Nähe von Mirae, dieser verliebte Blick, den sie mir mit der Zeit immer häufiger zuwarf, irgendetwas kam mir von Mal zu Mal komischer vor: Wie häufig Mirae das Dorf verließ und erst Abends oder kurz vor Mitternacht wieder nach Hause kam und dann zwei Stunden später mit ihrem Livestream begann. Ich hatte ihr versprochen, auf sie und ihre Wahrheit zu warten, aber manchmal fiel es mir schwer, nicht weil ich mich langweilte und einfach nur neugierig war, sondern weil ich nicht wusste, was sie immer wieder so lange aus dem Dorf trieb und wohl das bestgehütetste Geheimnis dieser Welt sein musste. Ich wollte einfach, dass sie mir vertraute. Auch, wenn sie mir immer wieder sagte, dass sie es tat, hatte ich doch manchmal das Gefühl, dass es eben nicht so war. Allerdings hatte ich eine Ahnung, woran das lag: An ihrer Angst. Genau deshalb fühlte ich mich häufig nur noch schlechter, wenn ich mir wünschte, sie würde mir endlich etwas anvertrauen. Denn ich wusste, sie konnte es noch nicht.

Diesen Zustand der Zerrissenheit ließ ich in mein momentanes Projekt einfließen und seltsamerweise gab mir das den nötigen Schwung, um zu beenden, was ich vor gerade einmal zwei Monaten angefangen hatte. Mit dem Start eines heißen Sommers, hatte ich mein erstes Buch zu Ende gebracht. Zumindest inhaltlich. Die Form war noch nicht ganz ausgereift, denn ich musste alles noch einmal Korrekturlesen und vielleicht an paar Dinge sprachlich abändern. Was danach kam, wusste ich noch nicht. Ob ich es an eine Agentur schicken würde, um es an einen Verlag vermitteln zu lassen oder ob ich es nicht gleich selbst zu einem Verlag schickte. Oder ob ich es erst einmal eine Weile für mich behielt, geschützt und keiner Kritik ausgesetzt. Ich wusste noch nicht so genau, ob dieses Buch etwas war, was ich der Welt zeigen wollte. Mirae war da zuversichtlicher, auch wenn sie noch nicht viel davon gelesen hatte. Sie drängte mich aber zu nichts. Sie wollte vor allem erst einmal, dass ich mich um mich kümmerte und nicht um irgendeinen Job und um irgendeine Karriere. Jedoch nach zwei Monaten ohne Job bekam ich langsam Langeweile und die bemerkten alle deutlich. Mirae, mit der ich immer häufiger gemeinsam kochte oder backte, die Dorfbewohner, mit denen ich mich teilweise täglich unterhielt, Cho Yejin, die ich immer grübelnder antraf und manchmal kaum sprechbar war, weil sie viel zutun hatte oder mir noch immer aus dem Weg ging, weil ich von ihrem Geheimnis erfahren hatte.

An diesem Tag schien die Musiklehrerin nicht nur zu grübeln, sondern betrachtete mit hoffnungsloser Miene das Dorf, von dem Eingang ihrer Musikschule aus. Der große Platz, auf dem vor ein paar Monaten noch das Frühlingsfest stattgefunden hatte, war wie leergefegt, denn alle waren entweder arbeiten oder trauten sich kaum raus bei dieser Hitze.
Cho Yejin schien die Hitze kaum etwas auszumachen. Ihr Make-Up war wie immer perfekt und sie trug ein luftiges Sommerkleid mit kurzen Ärmeln, aber hochgeschlossenem Ausschnitt. Sie sah weiter fast traurig drein, als sie mich bemerkte.
"Alles okay?", fragte ich sie. Sie schüttelte mit dem Kopf, stieß die eingeatmete Luft schlagartig aus und ließ die Schultern hängen.
"Ich werde nicht länger in diesem Dorf als Musiklehrerin arbeiten."
Diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Sie kam so sehr aus dem nichts, dass ich überrascht die Augen aufriss. Cho Yejin wirkte jedoch ziemlich gelassen. Traurig, aber gelassen.
"Wieso?"
Sie atmete laut aus, so dass es wie ein melancholisches Seufzen klang.
"Ich ringe schon seit einiger Zeit mit mir, ob ich den Job hier fortführe oder nicht. Richtig ins Grübeln gekommen bin ich erst, als du entdeckt hast, wer Astra Black ist. Welche andere Identität ich noch annehme. Ich kann das nicht nochmal riskieren. Nicht jetzt gerade."
Sie machte ein bitteres Gesicht und weichte meinem Blick aus.
"Aber das ist nicht der einzige Grund für meine Entscheidung. Ich sehe immer mehr Kinder in meinen Musikstunden, die zu etwas gezwungen werden, was sie gar nicht machen möchten. Letztens hat eines seine Eltern gefragt, ob es nicht lieber Gitarrenunterricht bekommen könnte, statt das Gayageum zu erlernen. Die Eltern ließen nicht mit sich reden und wenn ich sie schon nicht umstimmen kann, möchte ich diesen Zwang zumindest nicht weiter unterstützen. Auch wenn das Problem damit nicht gelöst wird."

Ich nickte.
"Manchmal liegt es eben nicht in unserer Hand, bestimmte Dinge zu verändern. Nicht alle Menschen lassen sich einfach so von ihrem Willen weglenken, um vor allem an das Wohl eines anderen zu denken. Ich kann verstehen, dass du dich davon fernhalten willst und es nicht einfach billigst."
Die Musiklehrerin sah zu mir auf. Tränen glänzten in ihren Augen.
"Zumindest eine Person, die mich versteht. Ich habe Jongdae versucht zu erklären, warum ich die Musikschule an einen anderen Musiklehrer weitergeben werde, aber er hat mir meine Beweggründe zum Vorwurf gemacht."
Ich erinnerte mich an Jongdae, den Trommler, der mit Cho Yejin zusammenarbeitete. Ich hatte ihn in den letzten Monaten nur selten gesehen. Seitdem die Musiklehrerin ihn hat abblitzen lassen, hatte er sich kaum noch in ihrer Nähe aufgehalten, immer nur, wenn es hatte sein müssen. Zumindest waren das meine Beobachtungen gewesen.
"Er ist sicherlich immer noch nachtragend. Er nimmt das alles zu persönlich, auf seine Meinung solltest du nicht hören", legte ich ihr ans Herz. Sie nickte und tupfte sich mit dem Zeigefinger unter die Augen, um die Tränen zurückzudrängen oder wegzuwischen.
"Danke."
"Keine Ursache."

Erneut wider meiner Erwartungen schlag Cho Yejin kurz die Arme um mich, drückte mich fest an sich und ließ mich dann wieder los.
"Mach's gut, Namjoon. Fürs erste."
"Warte, du gehst sofort?"
"Ich habe bereits alles nötige durchgeplant und umgesetzt, um die Musikschule weiterzugeben. Ich werde noch für eine Weile im Mencki auftreten, bis Sashi einen Ersatz gefunden hat, aber das war es dann. Ich werde heute gehen."
"Okay."
Sie lächelte leicht und verabschiedete sich dann ein letztes Mal, ehe sie noch einmal in ihrer Musikschule verschwand, wahrscheinlich, um noch die letzten Dinge zusammenzusammeln, die sie nicht hier lassen würde, weil sie von ihr waren.
Es war schade, dass sie ging und so plötzlich noch dazu. Aber sie hatte für sie gute Gründe, die ich nicht in Frage stellen würde. Vielleicht würde sie sich auch in Zukunft für eine der beiden Karrieren entscheiden, denen sie momentan folgte. Als Astra Black wäre ihr der Erfolg sicher, das Talent und die Anfragen hatte sie. Aber auch als Cho Yejin konnte sie weiterhin eine kompetente und ebenso talentierte Musiklehrerin abgeben. Wie auch immer sie ihre Zukunft gestaltete, es lag ganz in ihrer Hand.

So wie meine Zukunft in meiner Hand lag. Ich wusste, ich würde das Buch veröffentlichen, das ich gerade geschrieben hatte. Nur war jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt, denn ich wollte es noch nicht. Aber bald.
Genauso, wie Mirae mir bald verraten würde, was sie so sehr belastete. Sie würde es tun. Das wusste ich.




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[es tut mir leid, dass die letzten wochen kein kapitel kam. ich habe aber nochmal alles überdacht und festgestellt, dass doch gar nicht mehr ganz so viele kapitel folgen werden. ich kann keine genaue zahl sagen. es können sieben, es können aber auch zehn oder fünfzehn werden. lassen wir uns überraschen, spontaneität ist sowieso die beste herangehensweise auf meinem account. xD
übrigens startet am mittwoch meine neue story Heart Baker. wenn ihr lust habt, schaut doch mal rein! es wird ziemlich chaotisch und feurig und süß (immerhin wird viel gebacken, haha).
wir lesen uns! vielleicht wieder im wöchentlichen rhythmus, vielleicht auch nicht - denn auch ich bin gerade sehr chaotisch unterwegs, woups.]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt