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Wenn bei Mirae auch nur ansatzweise so viel schief ging, während des Prozesses des Kuchenbackens, wie bei mir, musste sie sich ja schrecklich unfähig fühlen. So wie ich gerade.
Meine Kleidung und der Küchenboden waren voller Mehl, weil mir einer der Mehlpackungen heruntergefallen war, als ich die Lasche etwas zu enthusiastisch aufgerissen hatte. Zum Glück hatte ich noch ein weiteres Paket gekauft.
Während ich das Rezept befolgte, wurde mein Teig immer fester und schwerer umzurühren. Dabei sollte der Teig dickflüssig werden. Während ich das Rezept noch einmal von vorne las, bemerkte ich, dass ich das Öl vergessen hatte, das in den Teig musste.
Als ich dann endlich so weit war und den Boden in den Backofen schieben konnte, machte ich mich an die Sahnecreme, bis ich einen verbrannten Geruch wahrnahm. Hastig öffnete ich die Backofentür und nachdem ein Schwall Qualm verraucht war, holte ich den Boden heraus, der glücklicherweise nur oberflächlich angebrannt war. Das konnte ich sicherlich wegschneiden.
Das Endergebnis des ganzen sah jedoch ziemlich traurig aus. Die Sahnefüllung war zu flüssig, weil ich den Fehler gemacht hatte, den Kuchenboden nicht ganz auskühlen zu lassen, bevor ich die Creme darauf strich. Es war also alles zerlaufen und die drapierten Erdbeeren blieben nicht an Ort und Stelle.
Als mein kurzes, stolzes Lächeln abebbte, löste sich eine Erdbeere vom Rand und landete in dem nicht beseitigten Mehlberg.
Dann ging es wohl erst einmal ans aufräumen. Probieren konnte ich den Kuchen auch später. Darauf war ich ohnehin nicht sehr erpicht.

Ich suchte das Haus nach einem Staubsauger oder zumindest nach einem Besen ab. Gefunden hatte ich nur ein altes, halb zerfallenes Astgebilde. Damit würde ich nicht weit bei dem Mehl kommen. Das bedeutete, dass ich mich noch einmal auf den Weg machte, um im Inneren des Dorfes irgendwo einen Besen und ein Kehrblech zu finden. Hoffentlich umfasste die mickrige Auswahl so etwas.
Mit guter Laune, obwohl ich Miraes Rezept leider verhunzt hatte, lief ich durch das Dorf und grüßte ein paar Bewohner, die ebenfalls gut gelaunt an mir vorbeiliefen. Manche waren so gut gelaunt, dass sie fröhlich lachten, während sie meinen Gruß erwiderten.
Irgendwie hatte dieser Tag etwas wirklich Schönes an sich. Meine gute Laune trübte sich allerdings ein wenig, als mir Cho Yejin begegnete, die aussah, als hätte die drei Nächte am Stück nicht geschlafen. Trotzdem schenkte sie mir ein Lächeln, das ein wenig belustigt wirkte.
"Mehl? Sieht so aus, als hättest du dich ganz schön in der Küche ausgetobt."
Auch wenn sie heiter klang, hatte ihre klare Stimme etwas träges, unausgeruhtes an sich. Ihre Haut war blass wie eh und je und die Lippen in knalligem Rot geschminkt, aber die Schatten unter ihren Augen und die leicht ausgezehrten Wangen waren unverkennbar. Ich sprach sie vorerst nicht darauf an.
"Ja, ich wollte das Rezept ausprobieren, das Mirae mir dagelassen hat. Man sieht ja, dass es nicht gerade ein voller Erfolg war."
Cho Yejin kicherte und schloss die Augen. Es dauerte einen Moment, bis sie sie wieder öffnete.
"Übung macht den Meister."
"Das stimmt. Ich werde es einfach weiter versuchen und vielleicht schaffe ich ja den weltbesten Erdbeerkuchen, bist Mirae zurück kommt."
Die Musiklehrerin blinzelte einmal kurz verwundert, doch dann lächelte sie wohlwollend und sagte leise: "Das ist sehr aufmerksam von dir. Sie kann sich wirklich freuen, dich zu haben."

Bildete ich mir das ein, oder klang Cho Yejin traurig? Ihrer Miene war nichts anzumerken, sie lächelte weiterhin freundlich reserviert, wie immer, doch irgendetwas schien sie zu bedrücken. Vielleicht interpretierte ich auch einfach zu viel hinein. Sie lächelte freundlich, sie hatte ehrlich geklungen und es war keine Spur davon zu sehen, dass sie an etwas denken musste, dass sie traurig stimmte.
"Ich muss dann mal weiter. Ich wollte nur schnell etwas abholen gehen, bevor ich ein paar Klavierstunden gebe. Bis dann, Namjoon."
"Wir sehen uns", sagte ich und wandte mich noch kurz zu der Musiklehrerin um, die vermutlich elegant davongeschritten wäre, hätte sie nicht mit einem Bein ein wenig gehumpelt. Nur so wenig, dass man es kaum sah, aber das Humpeln war da.
Ich musste an Miraes verletztem Knöchel denken. Wenn ich mich nicht irrte, war es ebenfalls der linke gewesen. Warum erinnerte mich bloß alles immer an diese Frau? Ich wusste nicht einmal, woher genau diese Sorge um sie kam. Ich kannte sie immer noch bloß minimal. Und alles, was ich mit Sicherheit wusste war, dass es mir nicht reichte.
Für einen Moment versuchte ich die Gedanken an Mirae abzuschütteln, ging meiner eigentlichen Tätigkeit nach und holte den Besen und das Kehrblech, das ich besorgen wollte. Im Dorfladen war glücklicherweise beides vorhanden.

Nachdem das Mehl in meiner Küche beseitigt war und ich den Kuchen probiert hatte - er hatte schrecklich geschmeckt -, überlegte ich, ob ich nicht endlich mal die Inneneinrichtung des Hauses umgestalten sollte. So spontan, wie die Idee gekommen war, hatte ich auch alles durchgeplant und die Möbel bestellt. Es fühlte sich gut an. Ich erinnerte mich noch daran, als ich mein Appartement in Seoul bezogen hatte. Es war das erste mal gewesen, dass ich alleine eine Wohnung bezogen hatte, denn während des Studiums hatte ich mit anderen Leuten zusammengewohnt und erst mit meinem ersten Gehalt hatte ich mir mein komplett eigenes Reich leisten können. Die Einrichtungsplanung hatte mir damals so viel Spaß gemacht, dass ich am liebsten auch alles selbst eingebaut hätte. Wäre ich nicht so schrecklich ungeschickt, hätte ich das auch sicher getan. Vielleicht sollte ich hier die Möglichkeit nutzen und alles alleine errichten. Es war immerhin viel persönlicher, als Möbel zu bestellen und sie aufbauen zu lassen.

Am frühen Abend, als ich zufrieden in mein Bett fiel, ohne den Drang noch etwas anderes zu tun, genoss ich einfach die Ruhe, bis ich einschlief. Ich hatte einen äußerst erholten Schlaf, auch wenn ich lange vor dem Morgengrauen wieder aufwachte. Um vier Uhr war ich einfach hellwach aufgestanden, hatte mir meinen Laptop und mein Notizbuch genommen und begann erneut zu schreiben. Allerdings nicht in Reimen und ohne eine bestimmte Melodie, die mir im Kopf herumschwebte. Ich schrieb einfach darauf los, ungeachtet was am Ende dabei rauskam und die Wörter häuften sich, die Ideen, ob sinnvoll oder absurd, sprudelten nur so aus mir heraus und am Ende hatte ich über zehntausend Worte niedergeschrieben, die eine Mischung aus allem waren. So viele Sätze, vermeintlich ohne erkennbaren Sinn, so viele Gedanken, die ich einfach habe hinauslaufen lassen und die manchmal kaum bis gar nicht miteinander zusammenhingen, aber die mich immer wieder auf den nächsten gebracht hatten.
Ich nannte das Textdokument Ten Thousand Words bevor ich meinen Laptop zuklappte und für ein riesiges Frühstück sorgte. Ich musste immerhin gestärkt sein, denn ich wusste bereits, was ich mit meinem spontanen Text anstellen würde, jetzt, wo erst einmal einiges ans Tageslicht gekommen war. Und das, was ich vorhatte zu schreiben, würde Miraes kleiner Geschichte, die sie mir erzählt hatte, vielleicht nicht gerade unähnlich sein. Nur ging es dieses Mal nicht um ein Mädchen, das um ihre Freiheit kämpfte, sondern um einen Jungen, der sich auf die Suche nach seinen verlorenen Zehntausend Worten machte.


♫♪

[hay, ich bin müde. erste woche studium und ich bin dem burnout schon nahe, haha. nee, jetzt mal im erst, es ist echt anstrengend (sehr viel textarbeit - ist ja immerin Germanistik und Anglistik), aber ich glaube, wenn ich erst einmal herausgefunden habe wie ich mich selbst organisieren muss, dann wird das alles viel einfacher.
ich werde jedenfalls versuchen etwas für hier vorzuschreiben und nehme den NaNoWriMo mal als ansporn, weil ich diesen monat 20K wörter schaffen will. und dann mal sehen, ob ich es schaffe weiterhin wöchentlich was upzudaten. aber das sollte funktionieren, hänge ja jetzt auch "nur" drei tage hinterher. ;)
wir lesen uns (hoffentlich) nächste woche! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt