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Ich wunderte mich wirklich, wie Mirae nicht in ein Zuckerkoma hatte fallen können, nachdem wir alle Kirschtaschen aufgegessen hatten, die sie noch im Kühlschrank stehen gehabt hatte. Sie zog ihren Livestream durch, als hätte sie nicht beinahe die Hälfte des Gebäcks gegessen, während mir bei der Hälfte ihres Streams bereits die Augen zugefallen waren und ich nur noch zwischendurch ihre Stimme durch meinen Telefonlautsprecher wahrnahm.
Kurz vor dem Morgengrauen erwachte ich wieder. Ich fühlte mich nicht sonderlich fit, aber egal, wie oft ich mich herumdrehte, ich konnte nicht wieder einschlafen. Um ein bisschen frische Luft zu schnappen, entschied ich mich, in den Garten zu gehen. Nachdem ich die Schiebetür zur Seite geschoben hatte, zeigte sich mir ein noch dunkler Himmel, der am Horizont - der nur teilweise zwischen den Bäumen zu erkennen war - bereits die ankommende Helligkeit des Tages erahnen ließ. Mein Blick schweifte über die Bäume, die sich von der Dunkelheit mit nur noch mehr Dunkelheit abhoben, hin zum Nachbarshaus, auf dessen Holzbalken, über dem gut gepflegten Garten, Mirae halb aus dem Inneren herausragte, friedlich schlafend, mit der Wange auf einem Notizbuch, in der Hand noch der Stift, mit dem sie zuvor etwas darin notiert zu haben schien.
Mein Körper handelte schneller, als mein Kopf nachdenken konnte und so war ich mit einem Sprung auf der anderen Seite und setzte mich zu Mirae, die die Brauen beim Träumen zusammenzog.
"Mirae?", flüsterte ich leise. Ich wollte sie nicht wecken, aber das war nicht unbedingt ein Ort zum Schlafen. Wahrscheinlich hatte sie schon die halbe Nacht hier gelegen.
Nach mehrmaligem Anstupsen erhielt ich nur gemurmelte Reaktionen von ihr und entschloss mich sie einfach reinzutragen.

Ich öffnete die Schiebetür etwas weiter, rollte Mirae auf den Rücken und hob sie hoch. Sie öffnete ein Auge, schloss es aber wieder und lehnte sich an meiner Schulter an. Als ich sie in ihr Bett legen wollte, hielt sie sich mit geschlossenen Augen an meinem Nacken fest. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sich ihre Arme nicht von mir lösen ließen.
"Es ist früh, bleib bei mir. Ich konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen", sagte Mirae mit belegter Stimme und blinzelte mich immer mal wieder unter halbgeschlossenen Lidern an.
Mit einem einverstandenen Seufzer stieg ich über sie und legte mich zu ihr, schlang die Arme um sie, als sie sich an mich schmiegte und strich ihr über den Rücken und über das Haar. Mirae atmete laut aus, so dass ich ihren Atem heiß durch den dünnen Stoffes meines Shirts spürte.
"Namjoon", wisperte sie so leise, dass ich sie beinahe nicht verstand.
"Mh?"
Wieder atmete Mirae laut aus, als würde sie sich für das wappnen müssen, was sie mir sagen wollte, doch sie sagte nur: "Ich wünschte, ich könnte dir alles erzählen. Über mich. Aber stattdessen verstecke ich mich davor, obwohl ich weiß, dass ich keine Angst haben muss, es dir zu erzählen. Warum ich diese Therapie gemacht habe, warum ich letztens diese Panikattacke hatte, was mich ausmacht. Und trotzdem habe ich Angst davor, wie du auf die Wahrheit reagierst."
Ich zog Mirae näher an mich und drückte einen Kuss auf ihren Scheitel. So verweilten wir eine Weile, sie nah an mich gepresst und ich mit der Nase in ihrem Haar vergraben.
"Was auch immer das für eine Wahrheit ist, ich bin mir sicher, du musst keine Angst davor haben, sie mir zu erzählen. Aber lass dir Zeit damit, bis du dich sicher genug fühlst. Solange können wir weiter kiloweise Gebäck essen und Ausflüge unternehmen."

Mirae lachte leise und ich war froh, dass die schwere Stimmung sich ein wenig erleichtert hatte.
Sie löste sich ein wenig von mir, rückte hoch und sah mir im Halbdunkeln in die Augen. Ihre Hand legte sie an meine Wange und sachte strich sie über meinen Wangenknochen und meine Schläfe.
"Ich überlege, wieder regelmäßig zur Therapie zu gehen. Denn wie es aussieht, habe ich einige Dinge noch nicht ganz verarbeitet, aber das will ich. Hätte ich mir schon früher ein paar Freunde gesucht, wäre mir vielleicht schon vorher aufgefallen, dass noch nicht alles so ist, wie es sein sollte. Du weißt gar nicht, wie viel mir diese Erkenntnis wert ist. Wie viel du mir wert bist. Deswegen will ich schnell zu mir selbst finden, damit ich dir alles erzählen kann. Weil, Namjoon, du hast die Wahrheit verdient. Und noch mehr als das."
Warum hörte sie sich so traurig an? Warum war ihre Stimme so schwer? Was war mit ihr passiert, dass es ihr so schwerfiel, es jemandem zu erzählen? Auch, wenn ich neugierig war, was es war und ich mich freuen würde, wenn sie es mir erzählte - denn es musste ein riesengroßer Vertrauensbeweis für sie sein -, hatte ich auch ein wenig Angst vor der Wahrheit. Es stand außer Frage, dass, egal was mit ihr geschehen war, ich trotzdem an ihrer Seite blieb, aber ich hatte das Gefühl, dass es mich genauso traurig machen würde wie Mirae. Denn was immer ihr schlechtes geschehen war, sie hatte das nicht verdient und besonders hatte sie nicht verdient, wie es sie immer noch verfolgte.
"Mirae, egal was es ist, ich kann warten bis du bereit bist es mir zu erzählen, okay? Also dräng dich nicht damit. Ich laufe nicht weg, ich bleibe die ganze Zeit bei dir."
"Ich weiß, Namjoon", sagte sie mit einem Lächeln und rückte dann wieder etwas näher, so dass sich unsere Nasenspitzen berührten. "Danke, dass du mir das immer wieder sagst."
Sie küsste mich und schlang dann wieder die Arme um mich, um sich an meine Brust zu schmiegen und sich noch ein wenig auszuruhen. Nach ein paar gemurmelten Worten war sie eingeschlafen.

♫♪

Erst zur Mittagszeit wachten wir beide wieder auf, komplett zerzaust, aber ausgeschlafen. Zumindest war ich ausgeschlafen.
"Ich mache uns etwas zu Essen", sagte Mirae gähnend und streckte sich im Bett.
Bevor sie aufstehen konnte, zog ich sie zurück, lehnte mich über sie und schüttelte ernst den Kopf.
"Ich mache etwas zu Essen und du bleibst liegen. Atme einmal durch, du hast heute Nacht kaum geschlafen und die vier Stunden von gerade machen das nicht gerade wieder wett."
Ich strich ihr durchs Haar und Mirae lächelte nach einem kurzen Augenrollen dankbar.
"Wir können auch zusammen-"
"Nein, ich mache das schon. Ich habe immerhin jetzt sehr viel frei und so kann ich die Zeit gut nutzen." Mit einem Augenzwinkern platzierte ich einen Kuss auf ihre Nasenspitze und stand dann auf, um in der Küche etwas zu Essen zu machen.
Ich hielt mich an etwas einfaches, was ich kochen konnte und brachte alles zu Mirae ins Schlafzimmer, die bereits ihre Schlafkleidung gegen eine Leggings und ein T-Shirt getauscht hatte.
"Wow, du bringst mir das Frühstück sogar ans Bett? Ich wollte gerade in die Küche kommen", sagte sie lächelnd und kämmte sich einmal schnell durch die Haare, ehe sie sich wieder zurücksetzte und mir dabei half das Tablett in der Mitte des Bettes zu platzieren.
"Es ist eher ein Mittagessen im Bett, aber das ist ja egal. Hauptsache es schmeckt. In der Hoffnung, dass es schmeckt."
"Wieso sollte es auch nicht schmecken? Solange es mit Liebe gemacht ist, ist jedes Essen gut."

Nur leider, war ich nicht gerade der beste Koch und auch, wenn das nicht meines schlechteste Leistung war und der Großteil essbar war, gab es doch noch einige Dinge, die ich hätte besser machen können. Und weniger salzig.
"So wie es aussieht, hast du das Essen mit seeehr viel Liebe gemacht, Joonie", sagte Mirae lachend und nahm noch etwas nach.
Peinlich berührt lächelte ich, aber dann fiel mir der Spitzname auf, den sie benutzt hatte.
"Kannst du mich für immer so nennen?" Mirae hielt überrascht inne und brach dann wieder in Gelächter aus. Sie stellte ihre Schüssel weg und beugte sich zu mir.
"Wenn du mich schon so darum bittest, Joonie." Ich grinste und wieder lachte Mirae, beugte sich aber noch etwas zu mir, um mich wieder zu küssen. Und wieder und wieder.
"Du schmeckst salzig", kommentierte ich, noch immer an ihren Lippen und initiierte den nächsten Kuss, von dem wir nicht mehr so schnell loskamen.
Schnell war er interessanter als das Essen und nachdem das auf dem Nachttisch neben dem Bett platziert worden war, brauchten wir fast die ganze Fläche des Bettes für unsere Körper, unsere Küsse und unsere Berührungen.
Ich hatte schon geglaubt, das würde vielleicht ein gleichermaßen aufregender und entspannter Tag werden, den wir einfach nur in Miraes Bett verbrachten, aber nach keine Ahnung wie vielen Minuten löste sie sich und sah mich entschuldigend an.
"Ich muss gleich gehen. Ich habe noch viel zutun heute." Mehr sagte sie dazu nicht, aber sie sah so schuldbewusst aus, dass ich mir fast sicher war, dass es mit der Wahrheit zutun hatte, die sie mir noch nicht anvertrauen konnte.
"Schon gut. Vielleicht kann ich ja meine Kochkünste ein wenig auffrischen, damit du beim nächsten Mal keine zwei Liter Wasser zu deinem Mittagessen brauchst."
Mirae lachte wieder los.
"Hör auf. So schlecht war es gar nicht. Und wenn du deine Kochkünste auffrischen willst, stehe ich dir gerne zu Diensten. Wie wäre es, wenn wir am Wochenende einen kleinen Kochcrashkurs machen? Ich bringe dir ein paar Sachen bei, die jeder Kochneuling beherrschen sollte."
"Ich bin kein Kochneuling. Ich bin einfach untalentiert."
"Bist du gar nicht und jetzt hör auf mit mir zu diskutieren und nimm meine Einladung an. Es springt vielleicht auch ein wenig Erdbeerkuchen für dich heraus."
"Nur ein wenig?"
Mirae tätschelte lächelnd meine Wange, stand auf und nachdem auch ich mich aus dem Bett gerollt hatte, schüttelten wir die Kissen und die Bettdecke aus und ließen alles ordentlich zurück.
An der Tür verabschiedeten wir uns mit einem Kuss voneinander und es fühlte sich schon fast so an, als wären wir bloß ein ganz normales Paar, das wie selbstverständlich Zeit miteinander verbrachte, bis alle zur Arbeit aufbrachen und das Abends nach Hause kam und in die selbe Routine zurück verfiel. Eine angenehme, sichere und liebevolle Routine.
Aber bei uns gab es noch keine wirklichen Routinen, bei uns war alles spontan und jedes Mal neu. Und es war gut so. Für den Moment war das alles, was ich wollte.



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[ein wirklich spätes update (vom tag her, und ein bisschen von der uhrzeit). ich war momentan einfach oft sehr erschöpft und habe immer nur kurze parts zustande gebracht, deswegen hat das kapitel so lange auf sich warten lassen. aber es ist jetzt da und ich bin so froh, dass ich gerade mal ein wenig energie dafür hatte, glaubts mir.
ich wünsche euch schonmal ein schönes wochenende, solltet ihr währenddessen nicht nochmal was von mir hören und natürlich schöne ostertage und viel leckere schokolade.
wir lesen uns! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt