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Irgendwie hatte sich das Gedicht über Mirae doch in meine hintere Hosentasche verirrt und umschwirrte meine Gedanken, während meine Nachbarin und ich meinen nicht ganz gelungenen, aber essbaren Kuchen aßen und in die Nacht starrten.
Ich hatte dafür gesorgt, dass Mirae noch einmal die Chance hatte, ihren Geburtstagswunsch zu wünschen und hatte die erloschene Kerze erneut angezündet. Allerdings war es Mirae zuerst schwergefallen, denn sie hatte eine lange Zeit bloß in die Flamme gestarrt und mit traurigem Gesichtsausdruck darüber nachgedacht, was sie sich hatte wünschen können.
"Das ist schwierig. Ich habe nur Wünsche, die unerfüllbar sind", hatte sie gesagt und ich wusste sofort, dass ich mit meiner Mission, sie ein wenig abzulenken, direkt zu Beginn gescheitert war.
"Bist du sicher, dass sie alle unerfüllbar sind?" Ich hatte versucht die Stimmung wieder zu kippen, aber Mirae war in einem solch dunkle Tief, dass es schwierig war, sie dort wieder herauszuholen.
"Nun ja, meinen Großvater kann ich mir wohl nicht zurückwünschen", hatte sie gesagt und ich war ein wenig in mich zusammengesunken, weil ich sie doch nicht hatte drängen sollen, sich etwas zu wünschen.
"Und der andere Wunsch ..." Sie atmete zitternd aus. "Für den stehe ich mir selbst im Weg und außerdem weiß ich gar nicht, ob dieser Wunsch nicht zu egoistisch wäre."

Es hatte eine lange Pause gegeben, in der Mirae meinem Blick und der flackernden Flamme auswich. Ich hatte noch etwas sagen wollen, doch hielt mich zurück, weil ich nicht wusste, ob es angemessen gewesen war. Mirae überraschte mich, indem sie mich nun doch angesehen und es von sich aus gesagt hatte: "Vielleicht sollte ich nicht so viel überlegen und es einfach tun. Egoistisch hin oder her. Es ist sowieso ein Wunsch, den nur ich kenne."
Sie hatte mich angesehen, als würde sie auf meine Zustimmung warten. Ich war nicht fähig gewesen etwas zu sagen und konnte nur stumm nicken, da Mirae mit dem silbernen Schimmer des Mondlichts auf ihrem hellbraunen Haar und dem sanft orangen Schimmer der Kerzenflamme, der die rechte Seite ihres Gesichts in einen schönen Kontrast zu dem Schatten legte, der auf ihre andere Gesichtshälfte fiel, so schön ausgesehen hatte, auch wenn sie noch immer diese Trauer ausgestrahlt hatte, die mich mit ihr hinab zog.
Schließlich hatte sie die Kerze ausgepustet und es hatte ausgesehen, als hatte sich irgendetwas in Mirae gelöst.

Nun wirkte sie etwas weniger angespannt, während sie den von mir gebackenen Kuchen stumm aß, den Mond betrachtete und sich immer etwas weiter gegen mich lehnte. Natürlich sah sie noch immer traurig aus, der Tod ihres Großvaters war nicht vergessen, aber seit ihrem Wunsch schien sie eine Kleinigkeit etwas weniger zu verlassen. Nein, nicht nur eine Kleinigkeit, irgendetwas, das sie wohl wirklich beschäftigt hatte. So wie ich es einschätzte, hatte sie wohl einen Wunsch gehabt, der längst überfällig gewesen war.
"Du machst mich nervös, wenn du mich die ganze Zeit anstarrst, statt deinen Kuchen zu essen. Ich hoffe ja sehr, du willst mir nicht irgendein verdorbenes Lebensmittel unterjubeln."
Mirae schmunzelte ein wenig, als sie meinen Blick erwiderte und mein Herz pochte so stark, dass ich mir fast sicher war, dass sie es auch fühlte. Auch wenn sie mich beim Starren ertappt hatte, konnte ich immer noch nicht aufhören, sie anzusehen. Der Mond war gegen Miraes Anblick ein langweiliges Scheingebilde.
"Es ist ziemlich schwer aufzuhören. Der Kuchen ist immerhin keine gute Ablenkung. Der Weltbeste Erdbeerkuchen hätte mich vielleicht ablenken können", sagte ich. Dann lächelten wir uns an und es erwärmte mein Herz, als Mirae leise lachte, den Kopf schüttelte und wieder zum Mond aufsah, als wäre er für sie weiterhin das Interessanteste, was sie jemals gesehen hatte.
Doch dann fiel ihr Blick zurück auf mich und ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich so ansah, wie in diesem Moment. Noch immer ein kleines Lächeln auf den Lippen, irgendwie dankbar, irgendwie befreit, ganz gelassen, als wäre sie in diesem Moment tiefenentspannt.

Ich wusste nicht, was es noch war in ihrem Blick, doch am liebsten hätte ich mich zu ihr vorgebeugt und sie erneut geküsst. Die Angst, dass sie sich wieder von mir entfernte und mir dieses Mal eindeutig die Schuld dafür geben konnte, hielt mich zurück.
"Willst du mir etwas vorspielen?", fragte ich sie stattdessen und deutete auf die Ukulele aus hellbraunem Holz, die noch immer hinter Mirae lag.
Nur langsam löste sich Miraes Blick von mir und wanderte zu dem kleinen Instrument. Ohne etwas zu erwidern tauschte sie ihren Kuchenteller mit der Ukulele aus.
"Ich bin nicht besonders gut. Die Zeit, in der ich Ukulele spielen kann, hält sich in Grenzen und ich habe nur ein paar Songs durch Tutorials gelernt."
"Das was ich vorhin gehört habe, bevor ich dich unterbrochen habe, hat sich schön angehört. Mach dir keine Gedanken, ich werde nicht dein Können bewerten."
Mirae sah etwas nervös aus, beugte sich über den Hals des Instrumentes, um ihre Finger auf die gewünschten Saiten zu legen und schlug den ersten Akkord an. Nach und nach bildete sich eine Melodie.
Mein Musikergehör erkannte, dass Mirae ein wenig unsicher spielte, doch mein Gehör als einfacher Mann hörte die schönste Melodie, die mir jemals zu Ohren gekommen war, weil sie von ihr gespielt wurde. Zeitgleich konnte ich beobachten, dass sich Mirae durch die Konzentration auf etwas anderes zunehmend entspannte.
"Spiel noch etwas", forderte ich, als sie endete. Mirae sah mich skeptisch an.
"Ich habe mich dreimal verspielt. Wie kannst du da nach mehr verlangen?"
"Ich dachte, das gehört zur Melodie? Mir ist gar kein Verspieler zu Ohren gekommen", entgegnete ich zwinkernd und legte mich dann auf das kalte Holz, ließ die Beine baumeln und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
"Bitte, ich höre dir gerne zu. Ob du nun etwas sagst oder mir etwas vorspielst, wie gerade. Es ist, als würde es nur ... Ach egal. Du musst nicht weiterspielen, wenn du nicht willst."

Mirae begann eine andere Melodie zu spielen und ich schloss genüsslich die Augen, während ich ihren warmen Körper neben mir sitzen spürte und der Klang ihres Instrumentes in meine Ohren drang.
"Es ist, als würde es nur was?", fragte Mirae leise und ihre Stimme zusammen mit der Melodie war so hypnotisch, dass ich mich gar nicht stoppen konnte zu antworten.
"Es ist, als würde es nur mir gewidmet sein. Es fühlt sich für einen Moment so an, als wäre es etwas, das nur mir gilt und niemandem sonst."
Der darauf folgende schiefe Ton riss mich dann doch aus meiner Entspannung, denn es war nicht nur so, dass Mirae einen falschen Akkord gegriffen hatte, sondern auch auf den Saiten ausgerutscht war, was einen unangenehmen Ton verursachte.
Schnell setzte ich mich auf. Mirae sah mich mit geweiteten Augen an.
"Stop, bevor du etwas sagst: Ich weiß, du hast mir bereits gesagt, dass du dir in naher Zukunft nicht vorstellen kannst irgendeine romantische Verbindung mit mir einzugehen und so weiter. Ich wollte damit nicht wieder auf dieses Thema kommen. Falls du zu dem Schluss kommst, es tut mir leid. Ich war einfach etwas hingerissen und-"
"Ich habe viel darüber nachgedacht", unterbrach mich Mirae so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte. Wenn ich es überhaupt richtig verstanden hatte.
"Was?", fragte ich deshalb nach. Mirae seufzte, legte die Ukulele wieder hinter sich und sah mich dann an. Erst jetzt fiel mir wirklich auf, wie nah wir uns waren. Vielleicht lag es daran, dass Mirae sich etwas zu mir vorgebeugt hatte und nervös zu mir hochsah.
"Ich habe viel über das nachgedacht, was passiert ist und was danach noch passiert ist. Ich meine, als ich mich zurückgezogen habe, nachdem wir uns geküsst haben. Ich konnte nicht aufhören daran zu denken und es macht mich jedes Mal noch ganz verrückt, wenn ich dich sehe."

Mirae schlang die Arme um sich, als wäre ihr kalt, aber gleichzeitig strahlte sie eine spürbare Wärme aus, die sich zu steigern schien. Vielleicht war es aber auch bloß mein eigener Körper, der kontinuierlich erhitzte.
"Ich bin immer noch verwirrt", schob sie schnell hinterher. Ihre Nervosität schien sich zu steigern. Aber dann schien sie sowas wie einen Sinneswandel zu haben.
Sie reckte den Hals und ihr Gesicht war meinem nun so nah, das Miraes Atem auf meine Lippen schlug, als sie erneut sprach.
"Aber das war mein Wunsch. Dass ich meine Zuneigung zu dir irgendwann offenlegen kann und es dann noch nicht zu spät ist. Dass du deine Gefühle für mich so lange nicht verlierst."
Ich konnte mich nicht mehr stoppen und berührte ihre Lippen mit meinen. Nur ganz zart, damit sie die Möglichkeit hatte, sich zurückzuziehen.
Ich musste es einfach tun und als Mirae sich nicht von mir löste, griff ich nach ihrer Taille und in ihren Nacken, um sie enger an mich zu ziehen. Kurz unterbrach ich den Kuss.
"Hast du mir deine Zuneigung nicht gerade offengelegt?" Meine Stimme klang rau, während ich flüsterte und ich spürte, unter meiner Hand in ihrem Nacken, wie sich Gänsehaut auf ihrer Haut bildete.
Mirae wollte etwas erwidern, doch es kam kein Ton aus ihrem Mund. Sie schien zu überlegen, was sie sagen sollte. Mit einem Kuss auf ihrer Wange, schlossen sich ihre Lippen wieder.
"Schon okay. Auch wenn ich dich gerade geküsst habe, ich gebe dir weiterhin die Zeit, die du brauchst. Ich kann auf dich warten."
Nun war es Mirae, die mich küsste, langsam, aber kurz.
"Ich will gerade nicht darüber nachdenken. Ich will nur an das hier denken. Nur für einen Moment." Und dann küsste sie mich wieder und wir hörten nicht auf, bis es für Mirae Zeit war, sich hinzulegen, da sie beinahe in meinen Armen einschlief.

Auch wenn wir uns ein weiteres Mal bloß geküsst hatten, ohne zu definieren, was das zwischen uns jetzt nun genau war oder werden konnte, war ich so von einem Hochgefühl erfasst, dass ich die ganze restliche Nacht nicht schlief, sondern bloß an einem Gedicht nach dem anderen arbeitete oder ausgestreckt auf dem Boden lag und an Mirae dachte, als würde es für mich nichts und niemand anderes mehr auf dieser Welt geben.



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[hay, ich bin ein bisschen spät, weil ich das kapitel jetzt gerade noch komplett geschrieben habe. ich hoffe, ich komme dieses wochenende mal zum vorschreiben und kann dann auch mal für ein paar wochen vorproduzieren, weil das wird sonst immer echt knapp.
lasst gerne eure meinung da!
ich hoffe, wir lesen uns nächste woche! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt