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Mirae hatte Kräutertee aufgegossen, der besser schmeckte, als ich befürchtet hatte. Sie hatte wohl nicht die Krätermischung aus dem lokalen Dorfladen erstanden, die Entspannung versprochen und stattdessen eine geschmackliche Qual bedeutet hatte.
Das dünne Teeservice, so wie die kunstvoll bemalten Kuchenteller waren aus komplett unterschiedlichen Sets. Während meinen Teller sanfte Kirschblüten schmückten, rankten sich um meine Teetasse Erhebungen, die namenlose Zweige zeigten. Miraes Teetasse hingegen war mit blauen Blüten bemalt und auf ihrem Teller zeigte sich ein aufwendiges mandalaartiges Bild, das irritierte, wenn man zu lange drauf schaute.
Der Erdbeerkuchen, den Mirae anschnitt, war noch unberührt und definitiv selbstgebacken.
"Tut mir leid, dass ich dir die letzten Tage so offensichtlich aus dem Weg gegangen bin", sagte sie und legte ein großes Stück Kuchen auf meinen Teller. Sie wich meinem Blick aus.
Die letzten beiden Tage war sie mir wirklich ziemlich auffällig aus dem Weg gegangen, aber ich hatte sie nicht davon abgehalten. Wir kannten uns kaum, wie konnte ich es ihr da übel nehmen. Ich wusste nicht, aus welchem Grund sie es getan hatte, aber ich war mir sicher, sie hatte dafür einen plausiblen Grund gehabt.
"Schon okay. Danke für den Kuchen", sagte ich und nahm probeweise einen kleinen Bissen. Schnell wurde aber klar, dass dieser Kuchen unwiderstehlich war.
"Wow." Ich schob direkt das nächste Stück hinterher. Mirae versuchte ihr Lächeln zu verbergen, als sie sich selbst ein kleines Stück nahm.
"Heute ist der Geburtstag meines Großvaters. Im Altersheim haben sie den eigentlichen Geburtstagskuchen nicht einmal in die Nähe meines Großvaters gelassen."

Das Lachen, das Mirae ausstieß war nur ein kurzer Laut, glich eher einem durch die Nase ausgestoßenem Atem.
"Du besuchst ihn jeden Tag." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sie fuhr jeden einzelnen Tag in die Stadt, um ihrem Großvater einen Besuch abzustatten, das hatte der vorherige Hausbesitzer anfangs erwähnt.
"Ja. Es tut ihm gut, wenn er so oft wie möglich bekannte Gesichter zu sehen bekommt."
Meine Nachbarin senkte den Blick und starrte verbissen auf ihren Kuchen, von dem sie eine Erdbeere auf die Gabel spießte und dann in den Mund nahm. Genussvoll schloss sie die Augen und ihre zusammengezogenen Augenbrauen entspannten sich wieder. Ich entschied, das Thema in eine andere Richtung zu lenken.
"Und Erdbeeren sind dein Lieblingsobst", stellte ich erneut fest, dieses mal mit einem kleinen, schelmischen Lächeln.
"Wird das eine Kennenlernrunde?" Ein Schmunzeln bildete sich in ihrem Gesicht, als sie betont interessiert auf den kleinen Wald hinter unseren Häusern schaute.
Locker ließ sie ihre Beine baumeln und der Wind strich ihr ein paar der schulterlangen Haarsträhnen zurück, während mir meine eigenen in die Augen fielen.
"Ja, mal abgesehen davon, dass Erdbeeren eigentlich Nüsse sind", sagte sie und ihr Schmunzeln wurde zu einem verschmitzten Lächeln, bevor es ganz zart wurde.
"Ich habe Erdbeeren schon immer geliebt. Ich habe mich immer gefreut, wenn wir meine Großeltern besuchen gegangen sind und ich eine Extraportion Erdbeeren von Grandpa bekommen habe. Heimlich natürlich, wenn meine Mutter und meine Großmutter mal nicht hingesehen haben."

Es wurde wieder still, als Mirae auf ihren Kuchen sah und schwer seufzte. Doch dann schoss wieder Leben in sie und sie sah mich neugierig an.
"Was ist mit dir?"
"Ich liebe diesen Kuchen", sagte ich und zeigte mit der Gabel darauf.
Das Gebäck war auf natürliche Weise süß, nicht zu übertrieben, aber dennoch geschmacklich warnehmbar. Der unterste Boden war fein mit Erdbeermarmelade bestrichen und die Creme war so fluffig, dass sie sofort auf der Zunge schmolz. Zusammen mit den selbst angebauten Erdbeeren war der Kuchen ein Traum.
Mirae lachte, ein echtes, lautes Lachen und sie warf dabei den Kopf in den Nacken und entblöste ihren schlanken Hals. Ich schluckte.
"Nichts, das du lieber magst?", fragte sie und sah mich mit strahlenden Augen an. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Also, ich hatte schon ... aber nicht so. Nicht so, wie ihre Augen funkelten.
Plötzlich war alles aus meinem Gedächtnis ausradiert. Ich hatte ein Lieblngsessen, aber ich kam nicht drauf. Und ich wusste, dass ich mit Taehyung vor ein paar Tagen noch über Mirae gesprochen hatte, doch ich wusste nicht mehr worum es gegangen war.
"Nein", sagte ich und erwiderte ihren leuchtenden Blick. "Nicht mehr."

War das noch die selbe Mirae, die ich die letzte Woche kennengelernt hatte?
Sie trug zumindest einen weißen Plisseerock, in den sie ein cremeweißes T-Shirt gesteckt hatte und ihre grauen Wollsocken passten so gar nicht zu dem eleganten Rock und dem warmen Wetter. Das zumindest war ein Erkennungsmerkmal, dass sie die selbe Person war, aber irgendetwas fühlte sich anders an. Dass unter dieser Fassade mehr steckte, als eine zurückhaltende, leicht schüchterne Frau. War es etwas von G-Dee? Nein, so einfach konnte man es nicht benennen.
"Bist du sicher, dass du den Kuchen so sehr magst?", fragte sie und riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf das halbe Stück, das noch auf meinem Teller lag. Mirae hatte ihres beinahe aufgegessen.
"Du bist schnell", sagte ich und deutete auf ihren Kuchen. Sie grinste.
"Wie gesagt, ich liebe Erdbeeren."
"Und ich liebe diesen Kuchen."
Wir lachten und betrachteten die Natur, tranken Tee, aßen beide ein weiteres Stück Kuchen. Wir schwiegen und es war ein angenehmes Schweigen, im Einklang mit den Geräuschen der Natur, dem leisen Klingen der Gabeln auf den Kuchentellern und zwischenzeitlichem Teeschlürfen.
Alles war idyllisch, wie ich es mir vorgestellt hatte und ich sah meine Kreativität schon näher kommen, doch war sie noch immer in weiter Ferne.

"Alles okay, Namjoon?", fragte Mirae, stellte ihren leeren Kuchenteller neben sich und zog die Beine an die Brust. Sie strich sich über die Oberarme und sah mich mitfühlend an. War es wirklich so offensichtlich, dass ich mich damit quälte, meine Kreativität wiederzuerlangen, mich danach sehnte endlich wieder zu schreiben und zu komponieren, ohne, dass die Ideen versiegten.
"Diese Blockade", sagte ich ganz offen und stellte nun meinen Teller auch neben mich ab.
Die Sonne ging langsam unter und zeichnete ein Gemälde von orange, rosa und lila an den Himmel.
"Ich bin nun schon einige Tage hier, versuche mich zu entspannen und die Gedanken einfach laufen zu lassen. Aber es sind bloß unpoetische, stumpfe Dinge, die mir durch den Kopf gehen. Naja, solange du nicht über deine Liebe zu Erdbeeren redest."
"Und was ist so poetisch an meiner Liebe zu Erdbeeren?", fragte sie lachend und meine Laune hob sich zunehmend an. Vergessen war diese schreckliche Blockade.
Ich nahm meine Gabel in die Hand und piekste eine halbe Erdbeere auf, die auf die Kuchenplatte gefallen war. Ich hielt sie zwischen Mirae und mich.
"Sie ist bedingungslos, ohne das Verlangen auf Erwiderung, da die Liebe zu ihr allein bereits reicht. Fruchtig, süß, weich und verlangend, wenn ich deinen Blick auf sie so sehe." Schmunzelnd legte sich mein Fokus von der Erdbeere auf Mirae, die die Erdbeere hingerissen betrachtete. Ihre Augen sagten bereits, wie gern sie sie essen würde.
"Du hast so viel von dem Kuchen gegessen, dass dein Verlangen gestillt sein müsste und dennoch verzehrst du dich nach mehr. Diese Liebe ist unstillbar und sie wird dein ganzes Leben lang andauern, was auch immer passiert. Nur diese Erdbeere und du."

Mirae blickte von der Erdbeere auf, in meine Augen. Ihre Wangen waren gerötet und ich wusste, dass es nicht an dem Gedanken an die Erdbeere lag.
"Du solltest ein Buch darüber schreiben. Das würden vermutlich viele lesen."
"Und du?", fragte ich sie. Die Luft um uns herum wurde schwül und es blieb kaum etwas zum Atmen übrig.
"Ich", begann Mirae und griff nach meiner Hand, die die Gabel mit der Erdbeere auf ihren Zinken noch immer zwischen uns hochhielt.
"Ich würde diese Erdbeere essen."
Das tat sie. Und wie sie es tat. Sie sah mir in die Augen, zog meine Hand zu sich und senkte den Kopf ein wenig, um schließlich ihre Lippen elegant um die Gabelzinken zu schließen und die Erdbeere gemächlich abzuziehen. Ihr Blick war so intensiv und sie verdrehte lasziv die Augen. Ich wusste sofort, dass sie es tat, um mich zu ärgern. Und ich genoss es. Genauso wie den traumhaften Kuchen mit diesem wunderbar süßen Nachgeschmack.





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[hay! es ist so heiß, und ich war heute zweieinhalb stunden babysitten bei der hitze, draußen. uff. ich arbeite bald wieder an neuen kapiteln, so dass die updates weiter einmal die woche stattfinden, aber es kommt viel arbeit auf mich zu, weil ich habe so viele ideen. es hört nicht mehr auf. xD
naja, ich hoffe, ihr kommt mit der hitze besser klar, als ich. ich wünsche euch was!
wir lesen uns! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt