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Das zwanghafte Schreiben eines Songs führte nur zu dem, was mich hierher getrieben hatte. Leere, scheinbare Gefühllosigkeit, Monotonie.
Es war drei Uhr morgens und ich saß im Schneidersitz vor dem Couchtisch und hatte eine Wange auf meinen vollgekritzelten Notizblock abgelegt. Die Worte, die da drauf standen ergaben keinen Sinn, so wie alles, das ich seit Wochen schrieb. Nichts fühlte sich nach irgendetwas an, nichts hörte sich gut an. Nichts davon bedeutete mir irgendetwas.
Die ganze Nacht blieb ich dort bewegungslos sitzen und musste wohl irgendwann eingeschlafen war, denn als ich aufwachte, weckte mich ein nerviges Vogelzwitschern und die blendende Sonne.
Als ich versuchte mich aufzurichten, war mein Nacken ganz steif und meine verschränkten Beine waren eingeschlafen. Es dauerte eine Weile, bis ich zumindest aufstehen konnte. Meinen Kopf konnte ich kaum hin und her bewegen.
Genervt fluchte ich vor mich hin, ging ins Bad und hoffte, meinen Nacken mit einer heißen Dusche wieder lockern zu können. Mit noch immer steifem Nacken, zog ich mich an, trat hinaus auf den nach hinten herausragenden Holzboden und setzte mich an die Kante.
Mirae kam nicht in ihren kleinen Garten, um ihre Erdbeeren zu gießen, wie ich es mir erhofft hatte, aber es war auch bloßes Wunschdenken gewesen.
Abermals wünschte ich mir, ich hätte sie nicht geküsst. Ich hätte es einfach lassen sollen.

Der Vormittag blieb ereignislos und weil ich kaum noch etwas zu Essen Zuhause hatte, machte ich mich am Mittag auf den Weg ins Dorfinnere, um ein paar Dinge zu besorgen. Der Einkauf war jedoch schnell erledigt und ich wollte noch nicht zurück in das Haus, an dem nun auch meine Ideenlosigkeit haftete, wie in meinem Apartment in Seoul, also lief ich noch ein wenig quer durch das Dorf, sah mir die alten Häuser an, nickte den Menschen zu, die mich strahlend begrüßten, ohne mich zu kennen und hielt schließlich auf dem Dorfplatz inne, der leer vor mir lag.
Es war nicht mehr viel übrig vom Frühlingsfest der letzten Woche. Die Dekoration war beinahe komplett verschwunden und die Bühne war schon lange wieder abgebaut worden. Es hatte sich eine alltägliche Gelassenheit über das Dorf gelegt, während alle wieder ihren eigentlichen Pflichten nachgingen. Zumindest galt diese Gelassenheit für einen Großteil des Dorfes.

Die Tür zu Cho Yejins Räumlichkeiten, in denen sie Musikunterricht gab, öffnete sich und die junge Musiklehrerin stürmte hinaus, zusammen mit ihrem stämmigen und immerzu wütend dreinschauenden Trommelträger. Wie bei den anderen Malen, die ich ihn nun schon gesehen hatte, trug er ein kariertes Hemd, doch er schien noch muskulöser und größer geworden zu sein, jetzt da er sich beinahe bedrohlich vor Cho Yejin aufbaute.
Die Schwarzhaarige sah sich schnell um, ohne mich jedoch zu entdecken und ich konnte den Ärger sehen, der in ihr Gesicht geschrieben war.
"Was fällt dir ein, Dae?", fragte sie halblaut und ich entschied, mir die Szene weiter anzuschauen, da 'Dae' sich noch weiter aufzurichten schien.
"Was mir einfällt? Schon seit zwei Jahren lässt du mich zappeln und ich war bereit zu warten, aber jetzt hatte ich die Warterei satt. Ich konnte gar nicht anders, als die Initiative zu ergreifen. Du hast mir keine andere Wahl gelassen."
Ich hob die Augenbrauen und verlagerte mein Gewicht vom einen auf das andere Bein.
"Nein, ich habe dir wirklich keine Wahl gelassen und damit meine ich, dass ich dir von vornerein klar gemacht habe, dass ich keine Beziehung dieser Art mit dir führen werde."
Cho Yejins Stimme versetzte scheinbar nicht nur ihrem Trommelburschen einen Stich, sondern auch mir, denn sie klang ähnlich kalt und ernst wie Mirae. Für eine Sekunde hatte ich sogar geglaubt, dass es wirklich Miraes Stimme war, die dort sprach, doch die Stimme der Musiklehrerin war ein wenig heller und die Art, wie sie sprach, ähnelte Miraes normalerweise kein bisschen. Während Cho Yejins Stimme nämlich eine seicht wogende Welle war, war Miraes Stimme ein ruhig fließendes Gewässer.
"Du hast es mir nie klargemacht. Nicht bis heute. Ich hatte immer gedacht, dass es irgendwann so zwischen uns sein könnte, wie ich es mir vorgestellt habe."

Ich wusste nicht, ob es noch nötig war, weiter zu lauschen, denn der stämmige Dae ließ die Schultern sinken.
"Yejin, ich liebe dich wirklich. Schon die ganze Zeit."
Seine Worte waren kaum verständlich und es war für mich wirklich an der Zeit diese Platz zu verlassen und dieses Gespräch nicht weiter mit anzuhören, doch Cho Yejins Antwort ließ mich an Ort und Stelle verweilen.
"Ich habe dich auch geliebt. Als meinen besten Freund. Du warst der einzige Freund, den ich für eine lange Zeit hatte, aber mit dem, was du gerade getan hast, bist du zu weit gegangen."
Ihre Stimme war fest, aber man hörte, wie verletzt sie war. Sie klang ein wenig, wie während ihrer Pansori Performance, aber gleichzeitig war der Schmerz, den sie nun zum Ausdruck brachte, ein etwas anderer.
Ich hatte nie mitbekommen, wie tief die Freundschaft der beiden wirklich gewesen war, doch so wie es sich anhörte, hinterließ das, was Dae getan haben soll, einen riesigen Fleck auf den Erinnerungen, die die beiden geteilt haben mussten.
"Es tut mir leid. Du hast recht. Ich hätte ... ich hätte ... Ach, ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen. Ich habe nach meinen Gefühlen gehandelt und ich habe gehofft, dass du sie heute endlich erwiderst. Ich habe so lange gewartet."
Dae machte einen Schritt auf Cho Yejin zu. Die Musiklehrerin wich nicht zurück, aber sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie sich vor ihrem Freund verschloss.
"Bitte, wenn du mir nur verzeihst und vielleicht ... vielleicht irgendwann-"
Er hob die Hand und schob eine der schwarzen Haarsträhnen der jungen Frau hinter ihr Ohr.
"Hör auf", sagte sie leise und nun war erkennbar, dass sich ihre Augen in dem wütenden Gesicht mit Tränen füllten.

Wie gewünscht ließ er seine Hand sinken, befreite aber stattdessen Cho Yejins Arm aus ihrer Verschränkung und nahm ihre Hände in seine. Sie versuchte sich zu befreien, doch der Griff des Mannes vor ihr war stärker.
"Ich habe gesagt, du sollst aufhören, Dae. Es reicht!"
Das war der Moment, in dem es nötig war einzuschreiten. Ich lief auf die streitenden Personen zu und bei ihrem Befreiungsversuch fiel Cho Yejins Blick auf mich und ihre wässrigen Augen weiteten sich.
"Lass sie los", sagte ich, noch bevor ich bei den beiden angekommen bin.
Der grimmige Mann verdrehte die Augen, ließ von den Händen der Musiklehrerin ab und wandte sich schwungvoll zu mir um. Um ein Haar hätte der kräftige Kerl mich mit seiner Faust getroffen, was Cho Yejin erschrocken aufkeuchen ließ.
"Dae, hör auf!", rief sie, doch dieser Mann war wohl außer Kontrolle geraten.
"Ist es wegen jemandem wie ihn? Ihm und vor allem seinem seltsamen Freund hast du doch von Anfang an schöne Augen gemacht. Dabei bin ich der einzige, den du wirklich kennst."
Wieder holte Dae aus und ich wich zur Seite, stolperte und verteilte meine gesamten Einkäufe auf dem Dorfplatz. Die ersten Dorfbewohner wurden ebenfalls bereits von dem Radau hervorgelockt und betrachteten die Szene, die sich gerade abspielte, vom Rand des Platzes.
Cho Yejin ging neben mir hin die Hocke und wollte mir helfen, mich aufzusetzen. Sie sah miserabel aus, doch die sich anbahnenden Tränen hielt sie immer noch zurück.
"So wie es aussieht, kenne ich dich nicht wirklich, Dae. Dieses Theater, das du hier veranstaltest, kannst du dir sparen. Mit jemandem, der sich so aufspielt, will ich nichts zutun haben. Geh lieber, bevor du es noch schlimmer machst."
Ihre Worte, so leise sie auch waren, zeigten ihre Wirkung. Wutschnaubend trat Dae ein paar Schritte zurück, sah mich hasserfüllt an und verließ dann schließlich fluchtartig den Dorfplatz.

"Es tut mir leid", flüsterte Cho Yejin, während sie meine Einkäufe aufsammelte und ordentlich zurück in meine Tasche stopfte.
"Ich habe ihn noch nie so gesehen. Er war noch nie so zu irgendjemandem, auch wenn er manchmal harsch wirken kann."
Ich wusste gar nicht, was ich darauf erwidern sollte. Ich sammelte nur mit Cho Yejin die Einkäufe ein und packte sie zurück in meine Tasche. Dann stand ich auf und zog die Musiklehrerin gleich mit mir hoch. Meinem Blick wich sie jedoch aus und ich konnte es ihr nicht übel nehmen.
"Danke. Gut, dass du da warst, auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn es keiner gesehen hätte."
"Deswegen tut es mir leid. Ich wollte nicht lauschen, aber ich hatte ein seltsames Gefühl. Hat er wirklich noch nie solche Probleme bereitet?"
Cho Yejin schüttelte den gesenkten Kopf und atmete einmal schwer ein und aus.
"Ich war gerade selbst ganz überrascht. Er war immer freundlich und sorgsam, aber gerade ... Ich konnte ihn gar nicht wiedererkennen. Noch einmal danke, dass du eingeschritten bist."
Ich versicherte ihr, dass sie mir nicht danken brauchte, wo ich sie doch so schamlos belauscht hatte. Dann verabschiedete sich die Musiklehrerin schnell, da sie noch eine Schülerin erwartete, der sie Klavierstunden gab. Sie hastete zurück zum Eingang ihrer Räumlichkeiten, drehte sich aber noch einmal um, bevor sie die Tür passierte und nickte mir dankend zu.




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[bisschen spät, huch. habe heute die mail bekommen, dass ich jetzt immatrikuliert bin, deswegen habe ich heute den ganzen tag entspannt gegammelt und das hier ganz vergessen hochzuladen. xD
wir lesen uns nächste woche!♡]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt