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"Ein Kind, von dem alle glaubten, es lebte wie ein Königskind, war in Wirklichkeit gefangen in einem Gefängnis, erbaut aus Erwartungen, Disziplin, falschem Prunk und falschen Rollenbildern.
Auf den ersten Blick, sah es für die Außenwelt so aus, als war es gut behütet, im Schutz seiner Mutter, die sich um es sorgte und alles für es tat. Doch dieses Lügengebilde der Zuneigung und Unterstützung war in Wahrheit eine Leine des Zwangs und der Einnahme.
Viele Jahre lang glaubte das Kind, dass seine Welt eben so zu sein hatte. Es sollte durch ein Lächeln erscheinen, als war seine Welt glitzernd und schön, perfekt. Und auch wenn sie oft dunkel und beängstigend war, gab es für das Kind nur eines: Den Anforderungen zu entsprechen und das zu sein, was von ihm erwartet und erwünscht wurde. Daran wuchs es, das war das einzige, durch das ihm Aufmerksamkeit und Wohlwollen entgegengebracht wurde und es schien okay.
Es schien okay.

Je mehr das Kind heranwuchs, desto mehr kam es ihm jedoch falsch vor. Es trug Masken, um sein bereits verlorenes Ich vor der Welt zu verbergen, ihr ein besseres Ich zu zeigen. Es wurde in enge Kleider gesteckt und es wurde zum Lächeln gezwungen. Immer nur Lächeln, so dass es nachher nicht mehr wusste, wozu ein Lächeln überhaupt gedacht war.
Es spiegelte seine Trauer wieder, seine Wut, seine Angst, seine Ehrfurcht und die Leine, die es samt Halsband um den Hals trug, zog sich immer weiter zu.
Es war falsch. Dem Kind, das nicht mehr viele Jahre bis zum Erwachsenwerden hatte, wurde klar, dass es nicht richtig war. Dass es nicht richtig behandelt wurde.
Und da fing es an zu Kämpfen.
Es hörte zum ersten Mal von dem Wort Freiheit und sofort fühlte es tief in sich drin, dass es sie fühlen wollte. Es war ohnehin das erste, das es, unabhängig von allen anderen Einflüssen auf es, wollte.

Das Kind fing an, an der Leine zu ziehen, sich dagegenzustemmen, sie zu zerschneiden, die Kettenglieder auseinanderzunehmen, sie ihrem Halter aus der Hand zu reißen. Und auch, wenn es schwer war und das Kind Jahre damit zubrachte, hatte es irgendwann geschafft, die Leine zum Zerbersten zu bringen und sich von allem loszureißen.
Es blieben noch ein paar Kettenglieder und das Halsband übrig, aber das Kind war von dem Halter der Leine weggekommen, spürte zum ersten mal, was es hieß, das zu tun, was es wollte.
Je länger es fort blieb, desto mehr Kettenglieder sprangen ab. Es versteckte sich, denn man suchte nach ihm, aber niemand konnte es je finden, denn es stellte sich geschickt an, während es in Freude, Erleichterung und mehr und mehr Freiheit herumtollte, sich das Leben holte, das es haben wollte, das es verdiente.
Auch, wenn dem Kind immer und immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden oder es an Ästen hängen blieb, gab es nicht auf und holte sich mehr von der Freiheit, die es leichter werden ließen. Die es von dem festgezurrten Halsband befreiten.
Am Ende, konnte es zwar nicht vergessen, wie sehr es unter der Fremdbestimmung gelitten hat, aber es konnte Akzeptieren und es konnte loslassen, denn zum ersten Mal fühlte es sich glücklich und befreit. Zum ersten Mal konnte es herausfinden, wer es wirklich war und wer es sein wollte.
Selbst wenn es schwerfällt, das herauszufinden. Irgendwann wird es das."

"Es ist noch auf der Suche nach sich selbst?", fragte ich, die Augen langsam öffnend. Ich hatte mich genauso wie Mirae auf die Seite gelegt, das Gesicht zu ihr gewandt, so dass ich direkt ihren abschweifenden Blick einfangen konnte. Sie nickte.
"Dieses Kind musste viele Barrieren überwinden. Die Menschen haben Mauern aus Steinen um es herumgebaut, de sie schön fanden. Aus denen fand es lange keinen Ausweg. Manche Mauern wurden eingerissen, als an der Leine gezogen wurde, dann wurde eine neue errichtet, bis sie wieder zum Einsturz gebracht wurde und wieder eine neue kam. Irgendwann waren da nur noch Bruchstücke und erst hat das Kind versucht sich seine eigene Mauer daraus zu bauen. Aber dann hat es herausgefunden, dass es keine Mauern braucht, sondern irgendetwas anders. Es sucht noch immer danach und vielleicht findet das Kind ja in der Fortsetzung der Geschichte, was es sucht. Möglicherweise kommt es von ganz allein auf es zu, so wie deine Ideen zum richtigen Zeitpunkt wieder auf dich zukommen werden."
Ich streckte meinen Arm aus, legte meine Hand auf Miraes Arm und betrachtete ihre zarten Finger, die entspannt auf dem Holzbodenabschnitt zwischen unseren Yogamatten lag. Ich strich mit dem Daumen über ihre Haut, über ihr Handgelenk und schob meine Finger zwischen ihre.
"Und wenn ich auf etwas anderes warten sollte, als auf meine Ideen?"
Ich sah auf und Mirae schenkte mir ein schönes Lächeln mit traurig gestimmten Augen.
"Das wird sich dann zeigen. Wenn du genug Geduld aufbringst, darauf zu warten. Wenn das richtige Etwas auf dich zukommt, wirst du es spüren."
"Was ist mit dem Kind? Sucht es immer noch, oder hast du schon die Fortsetzung parat?"

Miraes Lächeln breitete sich weiter aus, doch es wirkte nur noch trauriger und getränkter von Kummer, als vorher. Sie senkte den Blick auf unsere verschränkten Hände und öffnete den Mund, hielt aber gleich darauf inne, als wollten die Worte einfach nicht über ihre Lippen kommen. Mit zitterndem Kinn, schloss sie ihn wieder, zusammen mit ihren wässrigen Augen.
Ich zog sie näher zu mir, rutschte zu ihr rüber und barg ihren Kopf an meiner Brust, damit sie weinen konnte, doch es kam nichts. Sie lag still da, ihre Hand auf mein schnell schlagendes Herz gelegt und die einzige Bewegung ihres Körpers das Heben und Senken ihres Rückens, während sie atmete.
Nur kurze Zeit später lehnte sie sich zurück, die Augen wieder klar, den Kummer aus dem Gesicht gewischt und durch belustigte Überraschung ersetzt. Ihr Mimikspiel war so schnell, dass meine Gedanken kaum hinterherkamen, mein Körper jedoch reagierte sofort darauf und sendete peinlich berührte Signale, weil Mirae noch immer mein schnell schlagendes Herz in meinem Brustkorb fühlen konnte.
"Du bist aufgeregt? Du wolltest dich doch entspannen", sagte sie, leise, und ich kam nicht umhin dabei zuzusehen wie sich ihre Lippen geschmeidig bewegten und ein neues Lächeln auf ihnen erschien.
"Tja, so ist das wohl ziemlich schwer."
Sie schob meinen Arm von sich und rückte langsam ab, während sie sagte: "Ich kann auch wieder-"
Schnell unterbrach ich sie, indem ich meinen Arm wieder um sie legte, sie näher an mich zog und beinahe verzweifelt an mich drückte. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Halt, den ich für eine Sekunde für verloren glaubte, wieder zurückgewonnen, doch jetzt war es anders. Nicht nur ich atmete schnell und schien überrascht von meiner Tat, Mirae war es genauso und auch sie linste kurz auf meinen leicht geöffneten Mund, bevor sie mich wieder mit geweiteten Augen betrachtete. Die Pupillen ihrer braunen Augen waren stark geweitet.

"Bleib bei mir. Ich-"
Ich wusste nicht, was in mich gefahren war, die Aufforderung hörte sich an wie eine verzweifelte Bitte nach etwas, das ich unbedingt brauchte. Ihre Nähe, ihren Geruch, das Leben, das sie in diesem Moment ausstrahlte und ihre blassrosa Lippen, auf die ich meine zu gerne absenken würde. Doch war es für sie okay, nach der kurzen Zeit, die wir uns kannten?
Noch immer betrachtete sie mich, doch die Überraschung in ihren Augen ließ langsam ab und sie bewegte sich in meiner Umarmung, legte eine Hand auf meine Schulter und die andere unter meine Wange, die ich in sie hineinsinken ließ, bis sie den Boden unter uns berührte.
"Was ist, wenn ich gefunden habe, was ich nicht einmal gesucht habe? Das Etwas, das auf mich zukommt?", fragte ich und schloss die Augen, genoss das Streicheln von Miraes Daumen auf meine Wangenknochen und meiner Schläfe.
"Dann musst du es festhalten", wisperte sie und ich öffnete die Augen, rollte ihren Körper sanft auf ihren Rücken und küsste sie, ohne daran zu denken, dass wir erst seit gut zwei Wochen regelmäßig Zeit miteinander verbrachten und dass wir kaum etwas übereinander wussten.
Vielleicht war es meine sexuelle Frustration, die Taehyung erwähnt hatte, die mich antrieb das zu tun oder es waren die tiefsinnigen Worte dieser Frau, die mich zu ihr hinzogen. Was es auch war, es fühlte sich gut an in diesem Moment und es fühlte sich an, wie etwas, nach dem ich lange verlangt, aber das ich genauso lange zurückgedrängt hatte.
Vielleicht ging es Mirae ja genauso, während sie mich erst am Kragen meines Shirts zu sich zog und dann durch ihre Hände auf meinem Rücken näher an sich drückte und den Kuss langsam und innig erwiderte. Die Bewegungen ihrer Lippen fühlten sich genauso geschmeidig an, wie sie aussahen, wenn sie redete und wenn sie den Mund öffnete und ihr heißer Atem auf meine Haut schlug, wollte ich nur mehr und mehr von ihr. Sie aber ließ mich zappeln und gab eindeutig den Ton vor, während dieses Kusses.
Ich hatte nichts dagegen, so lange es einfach immer und immer so weiterging.



♫♪

[hi, bisschen loveydovey hier. sind das vielleicht verspätete frühlingsgefühle in mir, die die sommerlichen septembertemperaturen in mir auslösen? ist es meine erkältung, die mein Gehirn so verstopft, dass es vielleicht eigenwillig handelt? ich weiß es nicht. ich weiß nur, dass das hier sowas von nicht geplant war, woups.
ich wünsche euch einen schönen tag. wir lesen uns! <3]

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt