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Taehyung und ich waren fast zu spät für den zweiten Teil von Cho Yejins Pansori Performance, da wir an diesem Tag gezielt das andere Programm ausließen. Die Musiklehrerin nahm bereits ihren Platz auf der Mitte der Bühne ein. Heute war sie in einen Himmelblauen Hanbok gekleidet und in ihr zusammengebundenes Haar, war ein dazu passendes Tuch gebunden.
Auf der Suche nach einem Platz, wurden uns von einer strahlenden Dame zwei Sitzkissen gereicht, die wir dankend entgegen nahmen. Dann setzten wir uns an den mittleren Rand und hörten gespannt zu, wie Cho Yejins Performance fortgesetzt wurde.
An diesem Tag schien die Geschichte etwas leichter zu sein. Die vergangenen Ereignisse waren nicht vergessen, aber akzeptiert und es wurde mit Vorfreude auf die Zukunft gewartet, die hauptsächlich gutes mit sich brachte. Doch dann kam der nächste Tiefschlag.
Die Geschichte wurde abermals tragisch und fast hörte es sich so an, als endete sie schon bald, doch als Cho Yejin ihre Performance beendete, mit trauriger Miene, aber kleinem Lächeln, versprach sie dem Publikum, dass morgen erst die Geschichte ein Ende nahm.
Taehyung neben mir entrüstete sich: "Sie kann uns doch nicht mit so einem Cliffhanger hier sitzen lassen."
Die Menschen erhoben sich nach und nach, ein paar sammelten die Sitzkissen wieder ein und brachten sie hinter die Bühne. Cho Yejin half dabei.
Plötzlich riss mir Taehyung mein Sitzkissen aus der Hand.
"Ich werde helfen und ich werde mit dieser Frau sprechen", sagte er entschlossen und verschwand einfach im Getümmel der sich unterhaltenden Menschen. Ich entdeckte ihn erst wieder, als er zusammen mit Cho Yejin hinter der Bühne verschwand.

Ich wusste, er wollte nicht einfach nur mir ihr über den Ausgang des heutigen Teils ihres Pansori sprechen, denn das konnte nicht alles sein, was ihn interessierte. Taehyung interessierte sich nicht einfach so für solche Art von Musik, sondern viel eher für die schönen Reize, die mit ihrer Performerin einhergingen.
Nun befand ich mich also allein auf dem kleinen Markt, der am Vortag aufgebaut worden war, sah mir die Marktstände an und ließ mich dazu überreden eine Schüssel frisch gekochter Kimchi Jjigae zu kaufen. Während ich die Suppe aß hielt ich Ausschau nach Taehyung. Er war immer noch nicht auffindbar, genauso wie Cho Yejin. Ob er wohl das bekam, was er wollte? Eigentlich konnte ich es mir kaum vorstellen, aber Taehyung überraschte einen immer wieder.
Eine ganze Weile später gab es immer noch kein Lebenszeichen von Taehyung und als ich ihm schrieb, dachte er gar nicht daran, mir zu antworten. So wie es aussah, hatte es Taehyung wirklich geschafft. Vermutlich war er mit Cho Yejin frühzeitig vom Fest verschwunden und zu ihr gegangen. Er hätte mir wenigstens Bescheid geben können, dass ich nicht auf ihn warten musste.
Ich bedankte mich noch einmal für die Suppe und überquerte den Marktplatz, um nach Hause zu kommen. Kurz bevor ich das Ende des Dorfes erreicht hatte, bog meine Nachbarin auf meinen Weg ab. Sie erstarrte kurz, als sie mich sah, dann entspannte sie sich ein wenig, aber sie blieb angespannt, den Blick wandte sie ab.
"Hey", grüßte sie mich mit nervösem Lachen. Die große Tasche, die sie mit sich herumtrug klemmte sie sich fester unter den Arm. Der Stoff der Tasche war pastelllila und passte nicht zu den restlichen beigen und erdigen Tönen ihrer Kleidung.
"Hallo. Sieht ganz schön schwer aus", sagte ich und deutete auf die ausgebeulte Tasche.
"Ach, das sind nur ein paar Besorgungen aus der Stadt", erklärte sie und winkte ab.

Begleitet von peinlichem Schweigen liefen wir gemeinsam zu unseren Häusern. Es war aber eher so, dass Kim Mirae neben mir herschlich, während sie zwischendurch schwer den Atem ausstieß.
Als ich zu ihr herüber linste, wirkte ihre Haut aschfahl und ihre Augen ein wenig gerötet.
"Geht es Ihnen gut? Sie sehen erschöpft aus", sagte ich, doch meine Nachbarin winkte abermals ab.
"Das war einfach ein langer Tag. Und er wird noch länger."
Mehr sagte sie nicht dazu und ich fragte nicht weiter nach, da ich wusste, dass sie mit der letzten Aussage auf ihren nächtlichen Stream hingewiesen hatte, den ich auch heute Nacht sicherlich nicht verpassen werde.
"Und keine Sorge, wegen heute Nacht", sagte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Ich habe mir etwas entspannteres für den heutigen Stream ausgedacht. Kein Geschreie, kein Gepolter und kein lautes Gerede. Sie können also heute unbesorgt schlafen."
Es war ganz klar, dass meine Nachbarin das nicht nur für mich tat, sie sah vollkommen fertig aus. Trotzdem musste ich mich bei ihr bedanken.
Sie schenkte mir ein halbherziges Lächeln, dann winkte sie mir zum Abschied und lief zu ihrem Haus weiter. Ihre Beine wackelten so sehr, dass es mich wunderte, dass sie es noch die Stufen hoch schaffte und kraftlos die Tür schließen konnte.
Auch wenn ich sie so gut wie gar nicht kannte, empfand ich Mitgefühl für sie. Ich selbst war schon oft an Punkten in meiner Arbeit angekommen, die mir jede Kraft geraubt hatten. Und dennoch hatte ich immer bis zur vollkommenen Erschöpfung weitergemacht, nur um kurze Pausen einzulegen, wenn die nächste Hürde geschafft war, der nächste Erfolg erreicht. Danach hatte ich immer noch härter gearbeitet, bis nichts mehr übrig war. Keine Ausdauer, keine Ideen, kein Lebensgefühl.
Ich hoffte, dass diese junge Frau sich nicht so kaputt machte, wie ich es tat.

the most painful things  || kim namjoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt