Kapitel 17

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Zusammen mit den anderen saß ich an einem Tisch in dem Gemeinschaftsraum des Wohnhauses, das ich und Leonore bewohnten

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Zusammen mit den anderen saß ich an einem Tisch in dem Gemeinschaftsraum des Wohnhauses, das ich und Leonore bewohnten. Ein knisterndes Feuer im Kamin erwärmte den Raum und leise plaudernde Stimmen waren zu hören. Auch an meinem Tisch wurde fleißig getuschelt, gekichert und geflüstert. Größtenteils über Politik, Patzer, die sich wichtige Persönlichkeiten erlaubt hatten und natürliche allerlei Skandale. Gerade redeten sie über ein Attentat oder einen Anschlag. So viel bekam ich davon nicht mit.

Es gab eine unausgesprochene Regel, dass man sich an diesen gemütlichen Abendstunden im Gemeinschaftsraum nicht ausgelassen und laut unterhält. Ich hatte nichts gegen diese Regel, im Gegenteil sogar. Da ich sowieso nicht am Gespräch beteiligt war, konnte mich voll und ganz auf den Entwurf, den ich zeichnete fokussieren und gleichzeitig wurde mir Gesellschaft geleistet. Verträumt sah ich dabei zu, wie meine Hand wie von selbst Bleistiftstriche auf das Blatt malte und somit langsam aber sicher ein Kleid auf das Papier zauberte. Ich betrachtete mein fertiges Werk. Das Kleid war wahrlich unverkennbar für die Zariobische und Pretanische Kultur. Die Kultur der Republik und Zariobiens ähnelte sich sehr, was vor allem daran lag, dass die beiden Reiche direkt nebeneinanderlagen. Kleidung war in beiden reichen sehr wichtig. Wenn man die Sprache der Kleidung verstand, konnte man mit ihr Dinge ausdrücken, die man nicht aussprachen wollte. Zum Beispiel war es typisch für eine Witwe einen tief im Gesicht sitzenden Hut zu tragen, während sich Witwer durch einen Gehstock mit goldenem Knopf bekanntgaben. Kleine Mädchen trugen Kleider, die nur bis zu den Knien reichten, was nicht zuletzt daran lag, dass es bei langen Kleidern für Kinder oft passierte, dass der Stoff aus Versehen zerrissen wurde. Auch um seinen Beruf anzudeuten und so Missverständnisse zu vermeiden gab es eine Kleiderregel, die nirgendwo niedergeschrieben war, doch die jedem bekannt war. Ausschließlich Pädagogen trugen Gewänder, da sie ein Symbol für Weisheit und Wissen waren. Hosen waren ein Symbol für Unabhängigkeit und Mut, viele Frauen trugen sie um den ihnen gebührende Respekt zu bekommen. Andere trugen Hosen, weil sie schlichtweg praktischer waren als Kleider. Mächtige Zauberer repräsentierten ihr Können in Form von Zaubern und Magie, die mit in die Kleidung gewoben oder genäht wurde. Dies war ein sehr kompliziertes Unterfangen und gelang nur selten perfekt. Wenn beispielsweise Tarnzauber auf einen Umhang genäht werden, so wird dessen Träger übersehen. Er ist keines Falles unsichtbar, es ist jedoch schwer ihn zu entdecken. Immer wenn man in die Richtung des Umhanges sieht, kommt es einem so vor als suche man am falschen Ort und man ist sich plötzlich sehr sicher, dass sich der Umhang gerade an diesem Ort keines Falls befinden kann. Dies kann zwar nützlich sein, man sollte einen solchen Umhang jedoch nicht verlegen, da es sehr schwer werden kann ihn wiederzufinden. 

Ein Blitzen ließ mich zusammenfahren. Die nachmittägliche Stille war einem Gewitter gewichen, welches nun schon seit Stunden die mitternachtsschwarze Nacht heimsuchte. Der Donner grollte zornig und ließ alles erzittern, was sich nicht im sicheren Schutz von vier Wänden befand.  Der Wind ließ die Bäume tanzen und sang uns immer wieder sein Lied, wenn sein Heulen erklang. Das Toben ließ die gemütliche Runde im sicheren Schutz des Wohnhauses noch gemütlicher wirken. Ich lauschte den Gesprächen am Tisch ohne wirklich hinzuhören. Ich tauchte ab in meine Gedanken in eine Welt weit weg von hier. Mein Geist malte Bilder von Orten, die ich in meinen Träumen besuchte, Orten die in Wirklichkeit nicht existierten. Ich erfand eigene Geschichten, in denen ich die Heldin war und doch auf eine Weise, die ich nicht verstand und nicht bergreifen wollte, nur eine Zuschauerin war. Doch bevor ich mich verlaufen konnte in einem Labyrinth aus Gedanken, Gefühlen und Träumen, kehrte ich zurück von meiner Reise. 

Ich wachte mit dem Kopf auf meinen Armen gebettet im Gemeinschaftsraum auf, am gleichen Platz an dem ich auch den Abend zuvor verbracht hatte. Orientierungslos schaute ich mich in dem menschenleeren Raum um. Ein schwaches Feuer flackerte im Kamin und spiegelte sich in denn dunkle Fenstern, welche den Blick auf die nun stille, ruhige Nacht freigaben. Seufzend streckte ich meine steifen Glieder, wobei mir eine Decke von den Schultern fiel, die mir meine Freunde umgelegt haben müssen. Unzählige Stifte, Radiergummis, Federn und Federspitzen lag kreisförmig vor mit auf dem Tisch. Unberührt lagen sie am gleichen Platz, an dem sie lagen, als ich gestern eingeschlafen war ohne es zu merken. Verschlafen lief ich zu den Fenstern. Ich hob meine Hand und legte sie an das kühle Glas. Ein Schmunzeln umspielte meinen Mund, da mir gerade eine Idee gekommen war. Mit kindlicher Freude hauchte ich das Glas an und malte Kringel, Tiere und Herzen auf die milchig angelaufenen Stellen. Ich betrachtete mein Werk und grinste über die Erinnerung wie oft mich meine Mutter ermahnt hatte, ich solle die Fenster nicht schmutzig machen und statt auf Glas auf Papier malen. Mit meiner Handfläche wischte ich die Malereien weg. Etwas anderes erschien auf dem spiegelglatten Glas. Mein Spiegelbild schaute mir aus silbergrauen, tiefblickenden Augen entgegen. Ich erschrak fast wie selten ich dieses Mädchen, das mich gerade musterte im Spiegel sah. Es war als ob das kleine Mädchen, das ich früher einmal war, durch durch Augen meines Spiegelbilds blickte. Lächelnd erfasste ich jeden Zentimeter meines Gesichts, als ich hätte ich mich noch nie zuvor gesehen. Ein Knistern in meinem Rücken ließ mich innehalten. Erschrocken drehte ich mich um die eigene Achse, hoffend, dass niemand mich beobachtet hatte. Tatsächlich sah ich keine Menschenseele, nur das leise Knistern des Feuers war zu hören. Ich wendete mich wieder dem Fenster und meinem Spiegelbild zu, doch wie ich es erwartet hatte, war das kleine Mädchen verschwunden.

 Ich wendete mich wieder dem Fenster und meinem Spiegelbild zu, doch wie ich es erwartet hatte, war das kleine Mädchen verschwunden

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SilbergrauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt