Ein Flackern, dann erlosch das Licht. Ein leises Klirren, dann ein dumpfer Knall. Eine Tür fiel ins Schloss.
Kühle Nachtluft stieß mir entgegen, als ich aus dem Eingangsportal des Hauptgebäudes lief. Ich hatte gerade die Bibliothek abgeschlossen und endlich meine Schicht beendet. Eigentlich wäre ich schon vor gut einer Stunde auf dem Weg zurück zum Waldhüterhaus gewesen, aber ein Jungmagier war ganz besonders vertieft in sein Buch über Astrologie und die Gattung der Mondgetiere und so wollte ich ihn nicht weiter stören. Außerdem konnte ich nicht leugnen, dass ich die späten Stunden in der beinahe leeren Bibliothek sehr genoss. Beinahe das gesamte Hauptgebäude war nun menschenleer. Im Wohnviertel hingegen waren die meisten Fenster hell erleuchtet. Wenn man ganz genau hinhörte konnte man hin und wieder das Stimmengewirr erahnen.
Geblendet von dem Licht lief ich in eine der weniger beleuchteten Gassen. Hier war es ruhiger und nur in großen Abständen erleuchteten Laternen den Weg. Ein Geräusch, das nicht zu den Feierlichkeiten der Jungmagier passte, ließ mich aufhorchen. Ein leises Flüstern und Tapsen verfolgte mich. Ich konnte nicht ausmachen woher es kam, denn wann immer ich glaubte eine Richtung ausfindig machen zu können, hörte ich etwas in der entgegen gesetzten. Schließlich konnte ich die lauteste Geräuschquelle orten. So leise wie möglich schlich ich in die entsprechende Richtung, doch ich schien bemerkt worden zu sein. Das Geräusch entfernte sich schnell, doch ich brannte darauf herauszufinden woher oder besser von wem es stammte. Schließlich ging ich in einen Laufschritt über, den Blick fest auf den unbeleuchteten Boden gerichtet, denn ich war mir inzwischen fast sicher, dass ich etwas kleines verfolgte.
Auf einmal sprang das kleine etwas für einen Moment in die Luft, sodass ich es einen kurzen Augenblick in schwachem Licht sehen konnte. Zu spät bemerkte ich, dass es auf eine Stufe gesprungen war, sodass ich mit den Füßen hängen blieb und ohne mich abfangen zu können mit dem Kopf gegen etwas hartes stieß. Für einen Moment tanzten Sterne vor meinen Augen und es fühlte sich an als ob ich mir gerade die Schädeldecke eingeschlagen hätte. Paralysiert setzte ich mich auf den Absatz und wartete bis das Hämmern im meinem Schädel und das Piepen in meinem linken Ohr nachließ. Der kleine Übeltäter saß nun auf meinem ausgestreckten Bein und schaute mich aus großen Knopfaugen an. Dem kleinen Gnom tat es offensichtlich Leid, was mir passiert war, doch er wusste auch nicht zu helfen. Die ganze Gnomen Familie saß in einigem Abstand unter einer Laterne. Wahrscheinlich waren sie mir gefolgt um festzustellen ob ich ihnen friedlich oder feindlich gesinnt war.
Benommen faste ich mir an den Kopf. Ein Rinnsal Blut lief von meiner Stirn an der Seite meines Gesichts herunter. Fluchend raffte ich mich auf. Die Tür gegen die ich gefallen war Stand einen Spalt breit offen. Entweder war sie nicht richtig verschlossen worden, oder das Schloss so alt, dass ich die Tür mit meinem Sturz aufgebrochen hatte. Schritte näherten sich mir. Anscheinend hatte jemand den Aufprall gehört oder einen kühlen Luftzug durch die halboffene Tür bemerkt. Großartig, so konnte ich immerhin nach einem Pflaster fragen.
"Was machst du hier?", ein Mädchen in schwarzem Nachthemd mit beeindruckend langen Wimpern trat in den Flur. Einen Moment ruhte ihr Blick auf mir, meiner Stirn und dann auf der offenen Tür. Hysterisch warf sie die Hände in die Luft bevor sie mich anklagend anstierte. "Du hast doch nicht etwa?", eine dramatische Pause folgte, in der ich wartend die Stirn runzelte, "Du hast unsere Tür aufgebrochen!" Fast hätte ich ihr applaudiert, anhand dieser fabelhaften Feststellung, bevor ich realisierte wie die Situation auf sie wirken musste. "Bist du nicht die Diebin? Du wolltest hier einbrechen!", redete sie sich in Rage.
"Nein, ich bin nicht die Diebin", stellte ich etwas gekränkt klar. "Weißt du was ich werde einfach wieder gehen, nichts passiert", die Hände erhoben trat ich einen Schritt zurück, diesmal darauf bedacht die Stufe nicht zu übersehen.
"Ach und das mit dem Türschloss tut mir Leid", schob ich schnell hinterher, bevor sie mich abwürgte, indem sie die Tür zuschlug. Kopfschüttelnd drehte ich mich zu dem kleinen Gnom um, der eben noch auf meinem Bein saß. Ein kleines Kichern entwich mir. Es lag wohl in meiner Natur mich in ungünstige Situationen zu versetzten. Mit einem Kopfnicken symbolisierte ich der Gnomenfamilie mir zu folgen.
Und als ich später zusammen mit meinen neuen kleinen Bekanntschaften in einer verlassenen Ecke eines dunklen Korridors saß und aus der Küche gestohlene Kekse aß, konnte ich nicht anders als lachen über die Absurdität der letzten Monate meines Lebens.
Wer zu dieser späten Stunde einen Blick auf mich erhaschen konnte, der hätte mich vermutlich als verrückt bezeichnet, völlig von Sinnen sogar. Doch genau in diesem Moment konnte mir nichts egaler sein, als was andere über mich dachten. Ein Gefühl, nachdem ich mich schon so lange gesehnt hatte.
~800 Wörter
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...