Mittlerweile hatte ich rausgefunden wie man die Fenster so mit Decken abdichtete, dass sie die Kälte des jungen Frühlings draußen hielten. Das ich erst am Ende des Winters auf die Idee kam, die Decken als Dichtung und nicht zum Einwickeln zu nutzen war ärgerlich oder ein Streich der Götter. Jedenfalls wird sich in ein paar Wochen endlich wieder die Sonne zeigen und die Decken wären überflüssig. Allerdings waren die Abdichtungen nicht nur Wärmeisolierend, sondern hatten auch den hübschen Nebeneffekt die hässlichen Risse und staubigen Fensterbänke zu verdecken. Der Boden war überfüllt von Yunas Bücherstapeln, sodass ich regelmäßig auf dem morgendlichen Gang zum Bad mit dem Boden Bekanntschaft machte. Durch die Pflanzen und Kleintier Terrarien, die Aria seit es draußen wieder grünte mit Begeisterung hereinschleppte, und meine Schlingpflanze aus dem Botanik Unterricht, die in der hintersten Ecke des Zimmers stehen musste, damit sie keine von Arias krabbelnden Schützlingen fraß, wirkte das Zimmer viel lebendiger als noch vor den Ferien.
Etwas kratzte und scharrte an der Tür die zum Hauseingang führte. Interessiert öffnete ich die Tür einen Spalt, als ein kleiner grauer Schatten zwischen meinen Beinen hindurch ins Zimmer flitzte. Ich war zu langsam um dem Tier mit meinen Augen zu folgen, doch das war auch gar nicht nötig, denn gerade als ich mich umdrehte, lugte ein grauer Katzenschwanz unter meinem Bett hervor. "Was war DAS?", fragte Madame Spiegelglas wenig begeistert. Sie konnte Unruhe und ungeniertes Verhalten nicht leiden.
Gut gelaunt spazierte Aria durch die Tür, die Augen fest auf den Boden geheftet. "Ratet mal, wen ich am Waldrand gefunden habe", sagte sie beiläufig. "Ich glaube das wird nicht nötig sein", erwiderte Madame Spiegelglas pikiert. Ich kicherte und ging vor meinem Bett auf die Knie um darunter schauen zu können. Aria tat es mir nach. Fast augenblicklich traute sich der graue Kater wieder hervor und stolzierte in ihre Richtung, als gäbe es nichts selbstverständlicheres auf der Welt. Mir gegenüber schien er ein wenig misstrauisch -soweit ich das an einem Katzengesicht beurteilen konnte-, doch gegenüber Aria schien er keinerlei Bedenken zu hegen.
"Wie willst du ihn nennen?", fragte ich.
"Wir behalten ihn?" Empört zog Madame Spiegelglas die Augenbrauen zusammen. "Natürlich behalten wir ihn", erklärte Aria bestimmt, "Ich hab mich noch nicht für einen Namen entschieden."
"Aber, ich habe eine Katzenhaarallergie!"
"Du hast keine Katzenhaarallergie, du bist ein Spiegel." Besagter Spiegel warf mir für den Rest des Abends beleidigte Blicke zu, doch das störte nicht weiter, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt Yuna und Aria damit zu helfen, den hyperaktiven Kater einzufangen, der unablässig im Raum herumstürmte.
Am nächsten schleppte ich mich mit tiefen Schatten unter den Augen und einer Schlingpflanze im Arm ins Hauptgebäude. Heute würden wir unsere Botanik Projekte abgeben. Ich war sehr zufrieden mit meinem Exemplar. Mit Anouks Hilfe war es mir gelungen eine fleischfressende Pflanze heranzuzüchten, der man sich nicht ohne weiteres bis auf einen halben Meter nähern sollte. Für den Transport hatte ich deswegen ihr Maul -oder wie auch immer man das bei Pflanzen nannte- mit einem Seil zugebunden. Immerhin konnte ich so sicher gehen, dass ich nicht einen Kopf kürzer im Botanik Unterricht ankommen würde. Die Stacheln waren nicht mitgewachsen und somit nur noch winzig im Vergleich zur ganzen Pflanze.
"Wie waren deine Ferien", begrüßte mich Anouk, als ich im Gewächshaus eintraf. "Großartig", meine Wangen glühten leicht vor Sehnsucht, wenn ich an die kurze Zeit in Palona dachte. Ich erwog kurz ihm von Madame Spiegelglas und Diana zu erzählen, ließ es dann aber doch bleiben. "Hast du deine Familie besucht?", fragte ich stattdessen. Er nickte lächelnd. "Die Schiffsfahrt war ein wenig unangenehm, weil ich immer Seekrank werde, aber um meine Eltern zu sehen nehme ich das gerne auf mich." Mein Blick wanderte zu der prächtigen und zugegeben furchteinflößenden Pflanze, die vor ihm stand. "Die ist ja fantastisch geworden!", staunte ich und mein Magen zog sich ein wenig zusammen in Hinblick auf mein eigenes Projekt. Anouk strahlte stolz über sein Werk. Mein schlechtes Gefühl minderte sich mit jedem weiteres Jungmagier, der das Gewächshaus betrat. Meine Pflanze kam zwar lange nicht an Anouks heran, doch war sie trotzdem unter den besten Pflanzen, soweit ich das beurteilen konnte.
Der Vormittag verging schnell und ich war schon sehr viel früher als gedacht auf dem Weg zum Waldhüterhaus. Doch als ich eintrat, wünschte ich mir doch, ich hätte noch ein paar Stunden länger gebraucht...
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...