Statt weiter durch die Scheibe in undurchdringbare Schwärze zu starren, nahm ich mit meinen Mantel vom Hacken und ging vor die Tür. Beklemmende Kälte kroch durch meine Kleider hindurch und ließ mich erzittern. Ich fand mich sofort in der Dunkelheit zurecht. Zielstrebig lief ich wohin auch immer mich meine Beine zu tragen vermochten. Eine angenehme Zufriedenheit wuchs in mir, wie ich so durch die Nacht spazierte und trotzte mit ihrer inneren Wärme dem Frost der Nacht. Nach einer Weile erreichte ich einen Baum, der schon Jahrhunderte dort stehen musste. Weise und mächtig ragte er in die Höhe. Solche Bäume waren erfüllt von der uralten Magie der Natur, die so mächtig und einschüchternd war, dass sie niemand wirklich kontrollieren konnte. Der Winter hatte die grüne Pracht des Baumes davongetragen, doch auch diese würde mit dem Frühling wiederkehren. So war der Kreis der Natur schon immer und so wird es immer weiter gehen, was im Sommer und im Frühling blüht, ruht im Winter, sodass es im Frühling wieder erstarken konnte und der Kreislauf von vorne beginnt. Überall um den Baum herum herrschte Leben, selbst in dieser Nacht, im kalten Winter, nach einem Sturm. Eine Eule saß vermutlich in der Krone des Baumes. Wenn ich mich nicht täuschte blitzen sogar kurz die Kopfaugen eines Marders auf. Kleine Glühwürmchen schwirrten um mich herum und erkundeten die Ruhe, die der Sturm hinterlassen hatte. Fasziniert beobachtete ich die kleinen Lichtpunkte. Sie erhellten die Nacht mit ihrem winzigen Schein und doch gehörten sie auf unerklärliche Weise zur Dunkelheit der Nacht. Vielleicht gehörte zu jedem Licht ein wenig Schatten und zu jeder Dunkelheit ein wenig Licht. Vielleicht ging Tag und Nacht Hand in Hand, auf eine Weise, die wir Menschen nicht verstanden-, oder eher nicht verstehen wollten. Vielleicht war es nicht richtig die beiden Gegensätze voneinander zu trennen, vielleicht sollten wir weniger schwarz und weiß und mehr grau sehen.
Schweren Herzens trennte ich mich von dem einstimmigen Leben der Natur. Ich ahnte, dass ich hier nur ein Gast war. Ich war nicht dazu bestimmt Teil dieser Gemeinschaft zu sein, aber ich verstand wohin ich gehörte. Auch wenn Menschen selbstsüchtig, egoistisch und unüberlegt handeln, so können sie doch lieben, heilen und vergeben und wenn auch auf eine zwiegespaltene Weise, wusste ich zu wem ich gehörte.
Es fiel mir noch schwerer als sonst an diesem Morgen aus dem Bett zu kommen. Das lag nicht nur daran, dass ich nicht gerade viel Schlaf bekommen hatte, sondern auch daran, dass mich Leonore auf äußerst rücksichtslose Weise geweckt hatte. Der Zeiger war der Ziffer sechs noch nicht einmal nahe gekommen, als meine Mitbewohnerin wie ein Verrückte im Zimmer herumgelaufen war und mir auch noch meine Decke weggezogen hatte um mich gleich darauf herum zu scheuchen und auszufragen. "Sie muss hier doch irgendwo sein. Hast du sie genommen? Wenn du sie genommen hast, dann sagst du das jetzt besser! Weißt du wo ich sie hingelegt habe? So ein Unsinn ich habe sie ganz bestimmt nicht verlegt. Was wenn- Nein! Was wenn sie gestohlen wurde?", hatte sie mich hysterisch gefragt, während sie aufgebracht das Zimmer immer wieder auf und ab gelaufen war. Ich hatte ihr geraten sich erst mal zu beruhigen und nach der verschwundenen, äußerst wertvollen Haarspange zu suchen. Man musste ja nicht gleich vom schlimmsten ausgehen. Von meiner Rat wollte sie aber -wer hätte es gedacht- nichts hören. In ihrer Ekstase warf sie mir nun vor die Haarspange gestohlen zu haben. Leonore wurde so besessen von ihrer wilden Theorie, dass sie mich dazu brachte mein Schmuckkästchen auszuleeren. Wie ich erwartet hatte, war diese bis auf meine eigenen Schätze leer. Das beruhigte sie jedoch nicht genug um von ihrem Verdacht abzulassen. Im Gegenteil sogar, sie steigerte sich in wilde Annahmen und ließ sich nicht beruhigen.
Hier saß ich also nun im Kurs magische Ausbildung, erneut zerstritten mit Leonore und von Leonore vor der der gesamten Freundesgruppe in unvorteilhaftes Licht gestellt. Ich stützte den Kopf in meine Hand und verfolgte unseren Lehrer Professor Clark, der vorne an der Tafel auf und abschritt. Der Kurs magische Ausbildung bestand leider wider der Erwartungen der meisten Jungmagier zum größten Teil aus Theorie. Gerade erklärte Prof. Clark, der ein zwar sehr einschüchternder aber zu gleich freundlicher Lehrer war, die Unterteilungen von Zaubern, die mit Volksmagie verübt werden können. "Leandra, wenn sie bitte dem Unterricht folgen würden anstatt dem Schnee beim Schmelzen zuzuschauen", ermahnte der Professor das schüchterne Mädchen in der letzten Reihe. Leandra drehte ihren Kopf erschrocken vom Fenstern nach vorne. "Ich habe ihnen zugehört", behauptete diese nun leise, aber dennoch trotzig. Ein herausforderndes Lächeln ließen die Lachfalten, die das Gesicht des Kursleiters zierten, hervorstehen. "Wenn das so ist, kannst du mir sicher verraten, wie sich Schutzzauber auswirken und wie man sie bewirkt." Hilfesuchend riskierte das angesprochene Mädchen einen Blick auf die Tafel. Dort standen jedoch nur die Überbegriffe Schutzzauber, Tarnzauber, magisches Empfinden und Lichtzauber, weder Wirkungsweise noch praktische Anwendung dieser Zaubergruppen standen dort geschrieben.
Nachdem Prof. Clark vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte, drehte er sich wieder der Tafel zu und begann zu erklären. "Es gibt verschiedene Arten von Schutzzaubern. Die meisten von ihnen jedoch schützen den Magier vor schwereren Verletzungen. Je nach Stärke des Schutzzaubers beanspruchen sie jedoch sehr viel Kraft und Energie. Es ist sehr mühsam einen Schutzzauber zu erhalten, weshalb sie nur selten in starker Form im Kampf angewendet werden. Zaubert man einen solchen Zauber, macht man dies, indem man Runen in die Luft malt. Natürlich können das nicht irgendwelche wahllosen Runen sein. Außerdem muss man diese Zeichen ganz bewusst mit Magie nähren. Das erfordert viel Geschick und Konzentration", Prof. Clark ließ seinen Blick über die Reihen schweifen und fuhr fort," Sehr geübte Magier können auch Gebäude, Gegenstände und sogar andere Personen mit einem Schutzzauber belegen."
Weiterhin wurde uns erklärt, dass magisches Empfinden angeboren war. Es war so einfach wie zu spüren ob der eigene Körper gerade warm oder kalt war. Magisches Empfinden war notwendig um Forschungen durchzuführen, Magie zu verstehen und auch in den Fächern physikalische Zusammenhänge und Chemie war das Empfinden essentiell. Man brauchte es außerdem für Tarnzauber, welche von einem Magier wie Stoff gewoben wurden, doch unsichtbar waren. Dann konnte man sich den Tarnzauber entweder umlegen oder ihn mit speziellen Techniken auf Kleidungsstücke nähen. Ein Tarnzauber lockte die Aufmerksamkeit des Betrachters vom Träger des Zaubers weg und machte ihn leicht übersehbar und unscheinbar. Konnte man seine Aufmerksamkeit trotz des Zaubers auf den Träger lenken, so verschwanden unterbewusst alle Bedenken, dass der Träger womöglich ein Feind war.
Die letzte Gruppe, die Lichtzauber, wurde nur kurz besprochen, da Lichtzauber neben dem magischen Empfinden die einfachsten Zauber waren. Schon Kindern konnten Licht erzeugen ohne sich dabei groß anzustrengen.
All das und noch viel schwierigere Zauber konnte man mit Volksmagie bewirken. Um so schlechter wurde mein Gefühl, als ich daran dachte, dass ich keine dieser Zauber vollbringen konnte. Letztendlich konnte ich jedoch nichts daran ändern. Ich musste meine Zukunft so nehmen wie sie kam.
~1150 Wörter
DU LIEST GERADE
Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...