Erschöpft betrat ich das gemütliche Zimmer, welches ich mir mit Leonore teilte. Nach dem Mittagessen hatte sie mich keines Blickes gewürdigt.
Die ganze folgende Nacht über plagten mich ein besonders leichter, unerholsamer Schlaf. Die Folge waren dunkle Augenringe und ein verschlafener Ausdruck in den grauen Augen, die mir am nächsten Morgen im Spiegel entgegen blickten. Mein Mutter hatte sie immer als die silbergraue Farbe eines Sturmes bezeichnet. Ich lächelte bei dem Gedanken daran; sie hatte eine blühende und leicht übertriebene Fantasie. Nachdem ich meine zerzausten Haare gebändigt hatte, oder es zumindest versucht hatte, war ich endlich fertig um meinen ersten Tag anzutreten. Trotz dem miserablen Start schaute ich dem Tag positiv entgegen, der erste Schritt in Richtung Erwachsensein.Nach dem Frühstück, welches trotz der gestrigen Komplikationen recht glimpflich verlief, machte ich mich wie alle anderen auf den Weg zu meinem ersten Fach. Meinen Stundenplan hatte mir Professor Millington gestern gegeben. Glücklicherweise würde ich meine erste Stunde nicht mit Leonore verbringen. Zusammen mit Tamra machte ich mich auf den Weg in den Westflügel des Hauptgebäudes.
Als wir den Raum betraten, stieg mir ein angenehmer Duft von verbrannten Räucherstäbchen in die Nase. Der Raum war sehr schlicht gehalten. Durch die dunklen Holzverkleidungen der Wände und seinen großen Fenstern wirkte er dennoch gemütlich. Mit einem Lächeln setzte ich mich neben Tamra in eine mittige Reihe in dem beriets gut gefüllten Hörsaal. Ein Klingelgeräusch kündigte den Anfang des Kurses an. Doch die letzten Gespräche verstummten erst als eine kleine streng dreinblickende Frau den Saal betrat. Augenblicklich richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie. "Ich bin Professor Fields. Ich werde sie dieses Jahr im Fach höhere Literatur unterrichten", ergriff sie das Wort. Gespannt auf das Fach war ich definitiv. Ich mochte lesen, keine Frage. Doch dabei bezog sich mein Interessengebiet eher auf Romane, als auf die trockenen Klassiker, aber ich nahm mir vor nicht zu pessimistisch zu sein.
"Fangen wir am besten mit der Sitzordnung an". Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen. "Die Ränge eins bitte in die letzte Reihe und die neuner Ränge nach vorne", ich runzelte meine Stirn. Was hatten unsere Einschätzungen denn bitte mit Literatur zu tun? Ich lief ganz nach hinten, während Tamra eine Reihe weiter vorne Platz nahm. Sie war mit Rang 6 eingeschätzt worden, wie sie gestern auf Nachfrage widerwillig erzählt hatte. Als ich mich um sah, erkannte ich genauso ungläubige Gesichtsausdrücke auf den Gesichtern der anderen. Die Professorin jedoch fuhr unbeirrt fort. Auch Tamra blickte mit hochgezogener Augenbraue über ihre Schulter zu mit nach hinten. Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. Missmutig schenkte ich meine Aufmerksamkeit voll und ganz Prof. Fields, welche uns gerade über die Wichtigkeit ihres Faches aufklärte, während die Infoblätter der Wahl-und Plicht Kurse herumgereicht wurden. Folgende Stunde wurden wir von unwichtigen Kleinigkeiten und Formalitäten zugetextet.
Währenddessen interessierte ich mich viel mehr für die verschiedenen Kurse, die wir in den nächsten Tagen wählen würden. Die Wahlfächer Botanik und Handwerk stachen mir sofort ins Auge. Natürlich gab es auch Kurse, die ich wenig begeistert, doch nicht überrascht zur Kenntnis nahm. Dazu gehörte Physikalische Zusammenhänge und magische Ausbildung für Anfänger. Später im Zentrumsjahr, wie die Professorin vor wenigen Minuten erklärt hatte, könnte man nach Empfehlung auch den Wahl Kurs magische Ausbildung für Fortgeschrittene belegen. Wobei ich schwer damit rechnete keine von diesen Empfehlungen zu bekommen.
"...bis übermorgen gewählt und abgegeben haben", drang die Stimme von Prof. Fields wie durch Watte an mein Ohr. Bis Übermorgen sollten wir uns also für fünf der insgesamt sieben Wahlkurse entschieden haben. Meiner Meinung nach ziemlich kurzfristig, auch wenn ich mir im großen und ganzen schon ziemlich im Klaren war welche Fächer ich belegen würde. Ich las mir den Zettel noch einmal durch. Zu den Nebenfächern gehörten neben Botanik, Handwerk auch Geschichte der Republik, Kunde der Misch- und Reinwesen, körperliche Fortbildung, Geographie und strategisches Denken. Kurse, die alle Jungmagier belegen mussten, waren Physikalische Zusammenhänge, höhere Literatur, Religion & Orientierung, Chemie und magische Ausbildung. Ziemlich gelangweilt drehte ich meine Feder in der Hand. Tatsächlich war ich Linkshänderin. In meiner Kindheit hatte ich öfters versucht mir diese lästige Eigenschaft abzugewöhnen, war jedoch immer wieder kläglich an meinem Mangel an Disziplin gescheitert. Noch zu Zeiten der Vier-Teile-Welt galt der Gebrauch der linken Hand anstatt der rechten als Konsequenz den Unmut der Götter hervorgerufen zu haben. Zum Glück wurde dies seit vielen Jahren als Aberglaube abgestempelt. Mit einem interessierten Blick nach vorne nahm ich die Frau, welche hektisch gestikulierend auf und ab stampfte, genauer unter die Lupe. Von der letzten Reihe aus war die Sicht zwar begrenzt, jedoch konnte ich deutlich die strenge Zornfalte zwischen ihren Augenbrauen erkennen. Diese zeugte entweder von einem durchgängigen Drang angestrengt Nachzudenken oder ihrem bevorzugten, autoritären, strengen Gesichtsausdruck. Nach der guten Stunde, die ich die kleine Frau mit den wirren, dunkelbraunen Haaren schon kannte, würde ich auf das Zweite tippen.
Das dunkelgrüne teuer aussehende Gewand flackerte aufgeregt um ihre Knöchel, als sie nach zwei Stunden den Unterricht beendete und den Raum verließ. Ebenso wie alle anderen um mich herum erhob ich mich schwerfällig und machte mich auf den Weg zu meinem nächsten Kurs. Während ich die langen Flure entlanglief, unterhielt ich mich ein wenig mit Tamra.
"Das war vielleicht eine Tortur. Ich weiß nicht wie ich das das nächste Jahr aushalten soll", beklagte ich mich mich. Zustimmend nickte Tamra. "Und dann auch noch in zwei Hauptfächern", fügt sie hinzu. "Zwei Pflichtkurse? Ich dachte sie unterrichtet nur höhere Literatur und Geschichte der Republik", fragte ich verwirrt nach. Lachend schüttelte mein Gegenüber den Kopf :"Ich habe auch ein wenig den Faden verloren, aber ich glaube sie unterrichtet auch Religion und Orientierung." Ich seufzte frustriert. Na das konnte ja heiter werden.
~958 Wörter
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...