Die Straßen wurden von Laternen und Kerzen erhellt die überall aufgestellt worden waren, wo sich Platz dafür bot. Das schönste Licht jedoch spendete der Mond, der die Nachtsstadt in sanftes Silber tauchte. Anfang März war die Abendluft noch kühl, doch nicht auf eine unangenehme Weise.
Ein Hauch von jedem Gewürz, dass ich mir vorstellen konnte, lag in der Luft. Die Häuserwände waren mit bunten Tüchern behangen und nur hin und wieder war ein Stück Backstein zu erkennen. Überall, wo man hinsah wurden Schwarzbeerweinflaschen und Goldsprudelsektflaschen geköpft. Seitlich von uns befanden sich Stände, an denen ältere Menschen Holzschnitzerein, Glücksbringer und Kristalle verkauften. An einem Stand kurz vor dem Marktplatz in der Mitte der Stadt hielten wir an.Es gab viele Mythen und Legenden um den zehntagigen Mond herum. Jede einzelne versprach Glück, Reichtum oder Liebe im Gegenzug zu Käufen von Glücksbringer, Kristallen oder Kräutern in den ersten drei Nächten. Die meisten älteren Leute profitierten hier mit ihren Ständen von dem Aberglaube der Menschen. Ob man nun abergläubisch war oder nicht, einem Brauch gingen fast Alle in der ersten Nacht des zehn-Tage-Mondes nach.
So bückte auch ich mich, als die bucklige grauhaarige Frau, an deren Stand wir angehalten hatten, ihre Hand zu meinem Kopf hob und mir mit rotem Pulver quer über die Stirn strich.
Dies führte auf die wohl bekannteste religionsbezogene Sage zurück. Sie besagte, dass die Götter den Mond als standiges Auge auf uns sendeten. Zehn Tage und Nächte sollte er wachen. Wer die Gunst der Götter erlangen wollte, malte sich als Zeichen der Unterwürfigkeit rote Farbe auf die Stirn.In der Mitte des Marktplatzes wurde getanzt, musiziert und gelacht. Die Menschenmenge hatte sich kreisförmig um das Spektakel verteilt. Staunend mischte ich mich unter die Zuschauer.
Eine wunderschöne schwarzhaarige Frau gab mit dem Tamburin den Takt vor und wurde von zwei Violinenspieler und einer Trompetenspielerin begleitet. Vor ihnen tanzten einige Leute in meinem Alter zu der Musik.
Wirklich spektakulär wurde es, als ein bartiger Mann mit einer Menge goldenem Schmuck in die Mitte trat und in seinen Händen ein zügelndes Feuer aufleuchten ließ. Wagemutig setzte er drei Kugeln in Brand und jonglierte mit ihnen. Begeistert klatschte die Menge Beifall. Als er die Kugeln wieder auffing, erloschen sie in seiner Hand. Wissend grinste er in die Menge bevor er der Menge mit dem Finger an den Lippen bedeutete leise zu sein. Plötzlich öffnete er den Mund, als wollte er schreien, doch kein Laut entwich ihm. Stattdessen stahlen sich Flammen aus seinem Rachen und verflüchtigten sich in die kühle Nacht. Ein Raunen ging durch die Menge bevor sie erneut in begeisterten Beifall ausbrach. Die Aufmerksamkeit der Leute galt nun ganz dem Feuerspucker, doch die meine zog es wie so oft in eine andere Ecke.
Schon wieder hatte ich etwas leicht weißes durch mein Blickfeld huschen sehen. Meiner Neugier nachgebend folgte ich dem weißen Schatten. Eilig drängte ich mich zwischen den Menschen hindurch, während hinter mir immer wieder erstaunte Laute zu hören waren und die Musik zunehmend leiser wurde.Der Schatten wurde schneller und verschwand hinter vorbeilaufenden Fußgängern, doch so sehr er sich auch bemühte, so war er doch sehr auffällig mit seiner weißen Gestalt in einer tintenschwarzen Nacht wie dieser. Schließlich eilte ich ihm nach hinter eine Hausecke, wo er endlich in der Falle zu sitzen schien.
Ich war getrieben von Neugier. Das hielt mich jedoch nicht davon ab erst mein Kleid glatt zu streichen, bevor ich mich dem weißen Schatten zuwand.
Vor mir stand ein ein Mädchen, das schüchtern den Kopf zu Boden gewand hatte. Ihre langen, silbernen Haare fielen ihr dabei ins Gesicht.
"Wie heißt du?"
Endlich hob sie den Kopf. Dunkle, schöne Augen starrten mich an. Sie dürfte ein oder zwei Jahre jünger sein als ich. Nun lächelte sie zurückhaltend.
"Diana."
Daraufhin trat sie ins Licht, sodass ich sie mustern konnte. Ein weißer Schimmer begleitete ihre zierliche Gestalt. Sie trug einen altmodischen, schlichten Unterrock und ein Korset, wie es an Königshöfen oft getragen wurde.Soweit ich es beurteilen konnte war sie ein-
"Geist, Gespenst, wie auch immer du es nennen willst", sagte sie.Ich hatte noch nie einen Geist gesehen und nun da ich leibhaftig einen vor mir hatte, so war ich reichlich enttäuscht, oder doch erleichtert?
Ich hatte mir Gespenster immer wie gruselige, blutrünstige Gruselgestalten vorgestellt, schwebend oder zumindest halbdurchsichtig.
Das Mädchen vor mir jedoch schien völlig normal bis auf das silberne Haar, den leichten weißen Schimmern und ein leichtes Flackern, dass mich hin und wieder fürchten ließ, sie würde sich gleich in Luft auflösen.Mir fiel ein blasser roter Strich auf ihrer Stirn auf. Als sie bemerkte, dass ich auf ihre Stirn sah, drehte sie sich schnell weg. Leise fluchend versuchte sie sich die Farbe mit dem Handrücken von der Stirn zu wischen, doch es wollte ihr nicht so wirklich gelingen. Schließlich gab sie es auf.
"Tut mir Leid, ich hoffe ich habe dich nicht erschreckt, aber ich halte es einfach nicht aus, fern von den ganzen Feierlichkeiten", entschuldigte sie sich aufrichtig.
"Keine Sorge, ich habe keine Angst vor dir. Ich bin nur unheimlich neugierig."
Unendlich Fragen brannten auf meiner Zunge, wo sie wohnte, aus welcher Zeit sie stamme und wie sie gestorben war. Doch bevor ich auch nur eine davon stellen konnte, hörte ich die Stimme meiner Mutter nach mir rufen. Unbehagen spiegelte sich auf Dianas Gesicht wieder.
Sie wollte nicht mehr Menschen begegnen als nötig.
"Kann ich dich morgen hier treffen?", fragte ich hoffnungsvoll.
Ein knappes Nicken und schon verschwand sie durch eine Hauswand.
Erstaunt starrte ich die Backsteinwand an, durch die Diana gerade verschwunden war.Sie hätte jederzeit verschwinden können, wenn sie gewollt hätte.
~934 Wörter
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...