Ich ließ mich in die weichen Polster fallen. Neben mir lehnte ein Junge mit rabenschwarzen Haaren. Zum Glück schlief er ohne dabei zu schnarchen. Auf der gegenüberliegenden Sitzbank saßen zwei Mädchen, die sich schon zu kennen schienen. Sie redeten und lachten in gedämpften Ton miteinander. Ich nickte ihnen freundlich zu und widmete mich dann einem Buch, dass ich mitgenommen hatte.
So wie es aussah war ich die Letzte, die eingestiegen war, da wir nicht mehr anhielten.
Nach einer Weile legte ich das Buch zur Seite. Ich dachte an meine Familie. Noah war schon immer von allem Magischen begeistert gewesen, doch meine Eltern wollten das Thema soweit wie möglich von ihm fernhalten. Vermutlich fürchteten sie ihr kleiner Junge würde ihnen zu schnell entwachsen.Gedankenverloren schaute ich aus dem Fenster. Die Grenze zur Pretanischen Republik hatten wir schon längst passiert. Es sollte noch höchstens 4 Stunden dauern bis wir am Zentrum ankamen, eines der Art Schulen, die nur für ein Jahr besucht wurden und ohnehin erst seit bestehen der Republik eingeführt wurden.
Wir waren nun schon eine Weile durch eine eher verlassene, ruhige Gegend gefahren. Langsam, aber sicher wich der Feldweg einer Straße und vereinzelt schmückten Häuser die entfernte Landschaft.
Der Junge war kein einziges Mal aufgewacht. Über die beiden Mädchen hatte sich auch eine Stille gelegt. Das brünette Mädchen starrte traurig aus dem Fenster, während das andere Mädchen konzentriert eine Murmel über ihrer Handfläche schweben ließ. Beeindruckt und nicht weniger neidisch beobachtete ich sie. Beinahe wurde mir übel bei dem Gedanken an meinen Einschätzungstest.
Mit aller Mühe schob ich den Gedanken beiseite um mich durch das stetige Wackeln unseres Gefährtes in einen leichten Schlaf lullen zu lassen.Vorsichtig wurde ich angestupst. Normalerweise hätte ich das ignoriert, aber meine Position war so unbequem, dass ich die Augen aufmachte und mich aufrecht hinsetzte. Ich drehte mich nach rechts. Der Junge, der die ganze Fahrt über schon geschlafen hatte, lächelte mich höflich an. "Wir sind gleich da", erklärte er mir. Ungläubig weiteten sich meine Augen. Hatte ich tatsächlich so lange geschlafen?
"Wenn du aus dem Fenster schaust, kannst du schon die Wohnhäuser sehen", meldete sich nun eines der Mädchen zu Wort.
Als ich aus dem Fenster schaute, erkannte ich tatsächlich nicht allzu weit entfernt die riesige Anlage des Zentrums. Mehrstöckige Häuser reihten sich aneinander. Alle samt schmuckvoll verziert und mit großen Fenstern versehen. Ich entdeckte außerdem zahlreiche Kutschen, die ebenso wie unsere auf ein großes Eisentor zusteuerten. Das Tor war mit einer scheinbar endlosen Mauer verbunden, die das Zentrum samt Wohnhäusern und deren Umgebung umschloss. In der Ferne konnte ich erkennen, dass die Mauer in einen dichten Wald überging.
Nach einigen Minuten erreichten wir das Tor. Ein älterer Mann warf einen kurzen Blick ins innere der Kutsche, kontrollierte alle Papiere, notierte grunzend etwas auf seinem Klemmbrett und ließ und schließlich passieren.
Wir zogen an prachtvollen Häusern vorbei, bis ich schließlich das Hauptgebäude entdeckte. Es thronte mächtig in mitten der Anlage. Es war ebenso glanzvoll wie einschüchternd. Der Anblick ließ mich ein wenig zusammenschrumpfen. Wie eine Maus fühlte ich mich, die sich in einen goldverzierten Ballsaal geschlichen hatte. Ich zwang mich meine Haltung zu korrigieren und erkämpfte mir meine Vorfreude zurück. So schlimm würde es nicht werden. Ignorierte man das erdrückende Gefühl, wirkte das Zentrum mit den alten Mauern, vielen Pflanzen und schmuckvollen Verzierung wunderschön beinahe ehrwürdig.Ein abruptes Abbremsen der Kutsche, ließ mich aufsehen. Wir hatten vor einem der Häuser gehalten. Keinen Augenblick später öffnete der Kutscher die Tür und reichte einem nach dem anderen höflich die Hand um auszusteigen. Ich genoss es endlich wieder zu stehen nach der langen Fahrt. Ich wollte gerade meinen Koffer nehmen, als ich den verwirrten Blick des Mädchens, das mit mir in einer Kutsche gefahren war, bemerkte. "Die werden für uns auf die Zimmer gebracht", sprach sie wie selbstverständlich. Ich nickte nur peinlich berührt. "Natürlich", murmelte ich vor mich hin. Die anderen hatten sich schon an eine Tafel gestellt und studierten diese konzentriert. Ich gesellte mich zu ihnen und erhaschte einen Blick auf die Tafel. Dort waren Namen neben Zimmernummern für unser Wohnhaus aufgelistet. Nach einigem Suchen fand ich meinen Namen neben der Nummer 10. Ebenfalls bei dieser Nummer stand der Name eines anderen Mädchens, Leonore Clifford. Konzentriert suchte ich nach einem weiteren Namen, der zu meiner Zimmernummer passte, doch anscheinend hatte ich nur eine Mitbewohnerin. Schulterzuckend betrat ich das Gebäude und machte mich auf die Suche nach meinem Zimmer. Nervös drückte ich die Türklinke nach unten. Drinnen saß ein Mädchen mit schwarzen Locken auf einem der beiden Betten. Sie zog eine Augenbraue nach oben und musterte mich. Perplex schaute ich an mir herunter. Hätte ich etwas schickeres anziehen sollen? "Lyria, richtig?", fragte sie. Hastig nickte ich. "Leonore." Mir entging der leicht spöttische Zug um ihren Mund nicht.
Na das könnte ja heiter werden.
~836 Wörter
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...