Mein Essen in der Hand lief ich unsicher auf den Tisch meiner Freunde zu. Ich stockte, als mir wütende abwertende Blicke zugeworfen wurden. Ein ungutes Gefühl legte sich um meine Kehle und schnürte sie zu, sodass ich das Gefühl bekam keine Luft mehr zu bekommen. Mein Appetit war mit vergangen. Leonore hatte sie wirklich ausnahmslos gegen mich aufgebracht. Unentschlossen hielt ich Ausschau nach einem leeren Tisch, denn dort wo ich eigentlich sitzen wollte, war ich anscheinend nicht mehr willkommen. Ich fühlte mich erniedrigt und alleingelassen. Das Gefühl von allen Augenpaaren im Raum verfolgt zu werden, ließ mich nicht los, als ich mich an den einzigen noch leeren Tisch setzte. Unbehagen setzte sich in meinen Nacken und ich musste unweigerlich an Tamra denken. Sie musste sich genauso gefühlt haben wie ich gerade. Ein schreckliches Gewissen legte sich wie ein Tuch über mein Gemüt und verdeckte alle Ausreden, mit denen ich mich selbst beruhigt hatte. Tränen bildeten sich in meinen Augen, doch ich schluckte sie tapfer herunter. Niemand sollte sehen, wie jämmerlich ich doch war meine eigenen Fehler zu betrauern. Ein Kloß in meinem Hals erschwerte das Schlucken. Ohne mein Essen anzurühren verließ ich den Raum, noch immer mit dem Gefühl der Mittelpunkt des Getuschels zu sein. Etwas in mit schien zu überlaufen, denn sobald ich das Hauptgebäude verlassen hatte, strömten Tränen meine Wangen hinunter. Ich begann zu rennen. Mein Blick verschwamm. Schwarte und weiße Flecken mischten sich in meinem Blickfeld. Letztendlich spielte es keine Rolle, nichts spielte eine Rolle, nicht in diesem Moment. Ich war ein schrecklicher Mensch, eine falsche Freundin und was hatte es mir gebracht? Ich war eine Außenseiterin ohne Freunde, alle dachten ich war ein Diebin und womöglich war ich dazu noch eine Anti-Magierin. Plötzlich stürzte ich zu Boden. Mein Bein hatte sich in einer Wurzel verhangen und mich so zu Fall gebracht. Wimmernd setzte ich mich auf die den kalten Untergrund und blieb sitzen. Im Nachhinein konnte ich nicht sagen wie lange ich dort saß, jedenfalls war es lange genug um wieder ein wenig klar denken zu können. Orientierungslos versuchte ich auszumachen wo ich hingelaufen war. Schwarze Bäume ließen nur begrenzt Sonnenlicht zu mir hindurch. Der schneeweiße Boden auf dem ich saß, war uneben und zeigte verschiedenste Fußstapfen. Genervt atmete ich einmal tief durch. Allem Anschein nach war ich in den Wald gelaufen, der an das Gelände des Zentrums angrenzte. Ein Rascheln führte mir die Erinnerung an die Warnung vor diesem Wald lebhaft vor Augen. Unter keinen Umständen sollten wir ihn betreten oder uns am Waldrand aufhalten, hatte es damals geheißen. Müde hatten wir diese Warnung damals abgenickt und wieder vergessen. Was für eine ironische Wendung meine Situation dadurch doch bekam.
Geistesabwesend wischte ich mit meinen Handrücken meine Wangen trocken. Riesige Bäume umgaben mich. Sie ragten hoch in den Himmel und verdeckten den Himmel, sodass nur sehr wenig Licht unten bei mir ankam. Einschüchternd drängten sie sich die hölzernen Riesen eng aneinander und verwerten eine klare Sicht und jegliche Art von Waldwegen. Der Wind ließ es unheimlich rascheln. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Die Bäume trugen keine Blätter, wie hätten sie also rascheln können? Es mussten die Tiere sein, die dem schläfrig wirkenden Winterwald unheimliches Leben einhauchten. Eilig rappelte ich mich auf. Wie auch immer die Geräusche dieses Waldes zustande kamen, ich wollte ihnen nicht länger als nötig lauschen. Wir wurden davor gewarnt und nun, da ich hier war, verstand ich es umso mehr: Man wollte kein unerwünschter Eindringling dieses Waldes sein, denn die Natur würde ihre Wege finden einen loszuwerden. Erleichtert stellte ich fest, dass meine Fußspuren noch erkennbar waren. Ein hämmernder Kopfschmerz durchzog meinen Schädel. Ich hatte nicht vergessen, was mich hierher gebracht hatte, doch ich würde meinen Fehler wieder hinbiegen.
Kaum fünf Minuten später erreichte ich den Waldrand, der wie eine Wand zwischen dem Wald, der das meiste Licht verschluckte, und der friedlichen weißen Schneelandschaft wirkte. Aufatmend machte ich mich auf den Weg zu dem Viertel, wo Tamra wohnte. Ich durchquerte einen der vielen Gänge des Hauptgebäudes, welcher mich auf kürzerem Weg zu meinem Ziel bringen würde. Kurz bevor ich das entsprechende Wohnhaus erreicht fiel mein Blick in eines der Fenster. Erschrocken hielt ich inne. Ich sah aus wie ein verheultes, zerupftes Huhn. Man würde denken ich hätte mit einem Braunbären im Schlamm geringt und mir nebenbei die Augen ausgeheult. Eilig brachte ich meine Haare in Ordnung und rubbelte die schlimmsten Schmutzflecken von meinem Rock. Nach einem tiefen Atemzug setzte ich mein überzeugendstes Lächeln auf und klopfte an der Tür. Es dauerte nicht lange, da öffnete ein hochgewachsener, rothaariger Jungmagier die Tür und starrte mich kurz mit hochgezogener Augenbraue an. "Bist du in Ordnung", fragte er, offensichtlich unentschlossen ob er mein Anblick amüsant oder besorgniseregend fand. Ich nickte bekraftigend. "Ist Tamra zufällig da?" Er runzelte kurz die Stirn und überlegte. "Ach ja, das Mädchen aus Zimmer 7! Ja die ist da. Warte ich hole sie kurz", mit diesen Worten verschwand er und ließ mich allein. Mein verkrampftes freundliches Lächeln fiel in sich zusammen. Unbehagen machte sich in mir breit. Ich war noch nie die beste darin gewesen mich zu entschuldigen oder vielleicht wollte ich auch schlichtweg nicht einsehen, dass ich einen Fehler begangen hatte.
~861 Wörter
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Silbergrau
Fantasy(wird überarbeitet) -Band 1- Wie jedes Jahr werden am 20. September, dem Nationalfeiertag der Republik, neue Jungmagier im Zentrum für magische Begabung empfangen. Dieses Jahr ist auch Lyria Ashton unter den 17. jährigen Magiern. Auch sie muss den n...