Aber am Morgen kam das schreckliche Erwachen. Von meinen zwanzig Euro fehlte jede Spur. Doch bevor ich dies bemerkte, realisierte ich, dass mein Hals kalt und kratzig war. Mein Schal war weg. Das war doch bestimmt wieder der Jogger vom Vortag, der mir mein Geld gestohlen hatte. Das schlimme ist nicht, dass mein essen und mein Geld weg waren, sondern der Schal meiner Mutter. Wie sollte ich so einen nochmal aufreiben? Was sollte ich jetzt machen? Ich hatte nun wirklich nichts mehr. Mit Tränen in den Augen wegen dem Verlust des Schals meiner Mutter, stand ich auf und ging die Straßen entlang. Die schrägen Blicke die mir zugeworfen wurden, ignorierte ich und blickte einfach auf den Boden. Als mich meine Füße nicht mehr tragen konnten, weil sie zu kalt waren und zu wenig Kraft hatten, ließ ich mich schluchzend an einer Hauswand heruntergleiten. Die heißen Tränen fühlten sich wie kleine Nadelstiche auf meinem kalten Gesicht an.
Ich kniff meine Augen zu, um besser in den anderen Laden auf der gegenüberliegenden Seite zu gucken, aber die Anstrengung brachte nichts. Ich erhob mich und ging auf den Laden zu. Durch das Schaufenster erblickte ich einen hellblauen Schal, der genauso aussah wie der meiner Mutter. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, verschwand aber, als ich vage den Preis lesen konnte. 100 Euro. Und erneut tauchte eine Welle Tränen auf. In dem Moment wollte ich einfach nur sterben. Erfrieren. Einfach irgendwie. Doch plötzlich stand jemand vor mir.
Sein Aussehen hatte sich zu gestern nicht wirklich verändert. Er trug diesmal aber ganz weiß und sein weites T-Shirt reichte ihm bis zur Mitte seines Oberschenkels. Schon oft hatte ich Jungs mit solchen T-Shirt gesehen und ich wusste nicht, was ich von diesem Trend halten sollte.
Zuerst ging ich gar nicht auf ihn ein, sondern starrte weiter auf den Boden und vermutete, dass er gar nicht zu mir wollte. Erst als ich ein "Hey" hörte, schaute ich wieder auf und schämte mich für mein verweintes Gesicht. Schnell wischte ich mir die Tränen von der Wange.
Seine braunen Augen schienen meine Gedanken lesen zu können, denn er wandte seinen Blick nicht ab, sondern starrte weiter in meine braunen Augen. "Hallo" , entgegnete ich schüchtern. Ich hatte noch nie wirklich Kontakt mit Jungs gehabt. In meiner alten Klasse, was schon sehr lange her ist. Mit sechs Jahren fand man Jungs noch blöd. Und seitdem hatte keiner dieser Wesen mit mir geredet, außer jetzt der Unbekannte vor mir. "Was machst du hier?" , fragte er mich weiter und zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Ich lebe hier. Was sonst?" Sein Blick wirkte nun etwas unsicher und ein leichtes lächeln legte sich auf seine Lippen. "Okay sorry. Dumme Frage." "Was willst du hier? Niemand redet sonst mit mir." , sagte ich vielleicht etwas zu schroff, als es gemeint war, aber er sollte es nicht so hinaus zögern. "Ich wollte dir anbieten von der Straße wegzukommen. Also nur wenn du möchtest. Du kannst etwas essen und duschen. Und wenn du dann doch nicht willst, kannst du auch wieder gehen." , meinte er etwas zu schnell und ich hatte Mühe nachzukommen. "Warum sagst du das?" , fragte ich und ich wusste nicht, ob ich ihm tauen sollte. Er hörte sich wie ein Vergewaltiger an, der mich entführen wollte.
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Meine letzte Hoffnung
FanfictionAvril ist 17 Jahre alt und sitzt seit zwei Jahren auf der Straße. Jeder Tag ist ein Überlebenskampf für sie. Bis eines Tages ein großzügiger spender ein Halt an ihrem Kaffeebecher machte und sich ihr Leben komplett wendete. Der Spender und Avril war...