Kapitel 2

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Der nächste Morgen verlief wie immer. Ich versuchte mich nach der sehr kalten Nacht irgendwie aufzuwärmen, aber da ich kein Geld mehr hatte, konnte ich mir nichts kaufen. Den ganzen Tag verbrachte ich damit, auf dem Boden herum zu sitzen. Immer wieder schmissen ein paar Leute einige Cents in den Becher, worüber ich sehr dankbar war. Plötzlich kam ein Jogger die Straße entlang. Ich konnte sein Gesicht nicht richtig erkennen, da es tief in der Kapuze versteckt war. Ehe ich mich versah, hatte er sich hinuntergebeugt und griff nach meinem Kaffeebecher. Mit dem rannte er dann weg. Blitzschnell sprang ich auf, hatte aber keine Kraft, um ihm hinterher zu renne, denn meine Gelenke taten von der Kälte weh. Im Becher waren zwar nur zwei Euro, aber damit hätte ich mir etwas kleines zum Essen holen können. Und nun war alles weg. Wer beklaute eine Obdachlose? Ich konnte es nicht fassen und setzt mich fluchend wieder hin, ehe sich die Verzweiflung in mir ausbreitete. Nachdem ich mein Gesicht in den Hände begraben hatte und wieder aufblickte, merkte ich, wie ein Junge mit sicheren Schritten auf mich zukam. Seine blonden Haaren waren zur Seite frisiert und seine braunen Augen fixierten mich. Ähm "Ich habe gesehen was gerade passiert ist und..." Er kramte seinen Geldbeutel aus der Hosentasche heraus, während ich ihn wie ein Alien anstarrte. Dann reichte er mir eine zwanzig Euro Note. "... möchte dir das geben. Damit du etwas essen kannst." Er lächelte mich an ich war kurz davor ihm um den Hals zu fallen. Aber ich konnte das nicht annehmen. "Das ist nett, aber ich kann das nicht annehmen. Das ist viel zu viel. Der Typ hat mir nur zwei Euro oder so geklaut." Wie lange hatte ich keine zwanzig Euro mehr? Es fühlte sich an, als würde er mir eine Million anbieten. "Nimm es einfach und kauf' dir was zu essen. Ich... Bitte mach es einfach, okay?" Seine Stimme klang flehend, aber auch bestimmend, weshalb ich einfach nickte. "Vielen Dank" , flüsterte ich und meine Finger berührten den Schein. Schon verschwand der Junge in der Menge der anderen Leuten und ließ mich hier perplex zurück.

Für einen Moment vergaß ich meine Sorgen, als ich fasziniert den Schein in meinen Händen drehte. Ich könnte mir heißen Kakao kaufen. Bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen und mein Magen knurrte laut. Mehr als überstürzt rappelte ich mich auf, unterdrückte den Schmerz meiner eingefrorenen Zehen und ging in den nächsten Supermarkt. Als erstes kaufte ich mir Brot und noch etwas Obst. Orangen und Äpfel. Bis ich auf einmal ein Gespräch mitbekam "Hätten Sie nicht ein bisschen Geld für mich?" "Verschwinde, elendes Pack!" zischte eine wütende Stimme zurück. Ich folgte den Stimmen und sie befanden sich in der Abteilung Süßigkeiten. Das Mädchen, etwas jünger als ich, sah die Frau bittend an und ich vermutete an ihren Sachen, dass sie auch Obdachlos war oder sehr arm. Die Frau schubste sie zur Seite und schob ihren Einkaufswagen weiter. Ich wusste nur zu gut, wie sich das Mädchen fühlen musste. "Ich kann dir etwas kaufen, wenn du möchtest" , meinte ich nachdem ich neben sie getreten bin. Sie sah mich traurig an und lächelte dann ein wenig. "Wirklich?" Ich nickte. "Ja, ich habe noch Geld übrig." Dankbar griff sie nach einer Packung Gummibärchen. "Wie heißt du?" , fragte ich sie, als wir durch die Gänge liefen. "Elea. Und du?" "Avril" , entgegnete ich und holte eine Flasche Cola aus dem Regal. Ich sehnte mich nach Zucker. "Was machst du hier? Hast du noch Familie?" , wollte ich weiter wissen und wir gingen zur Kasse. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin alleine" . Erschrocken schaute ich sie von der Seite an. "Wie alt bist du?" "16" . Mit dem Alter wurde ich auch alleine gelassen, aber sie schien schon länger hier zu sein. "Du kannst erstmal mit zu mir kommen" , bot ich ihr an und sie nahm dankbar an. Wir saßen da und tranken die heißen Schokoladen und unterhielten uns. An diesem Abend kümmerte ich mich nicht um das Geld, was in meinem neuen Becher landete, denn ich war froh jemanden bei mir zu haben. Ich hatte noch Geld übrig, dann könnte ich uns noch etwas zum Frühstück kaufen. Elea machte sich wenig später auf dem weg eine Runde spazieren zu gehen, tauchte aber nicht wieder auf. Vielleicht mochte sie mich doch nicht. Ich zerbrach mir den Kopf nicht weiter darüber.

Meine letzte Hoffnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt