Kapitel 52

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Als ich das nächste mal meine Augen wieder aufschlug, war es bereits dunkel draußen und der Mond schien hell durch das Fenster neben meinem Bett hinein.
Durch verschiedenste Kabel war ich an einen Computer angeschlossen, der ständiges nervtötendes piepen von sich gab. Ein oder zwei Schläuche verließen ebenfalls Körperöffnungen, die vorher nicht da gewesen waren.
Ich fühlte mich benommen, schon fast ein wenig wie auf Droge. Bei meinem ersten Versuch mich zu bewegen durchzog ein stechender schmerz meinen Bauch und mein Kopf.
Ich tastete mich vorsichtig an meinem Kopf entlang und spürte einen dicken verband. Keine offene Stelle oder Narbe konnte ich feststellen. An meinem Bauch sah das schon ganz anders aus. Von meinem Bauchnabel bis knapp unter die Brust klebte ein, schon von Blut durchweichtes, Pflaster. Langsam und sachte ließ ich meine Fingerkuppen meiner rechten Hand darüber gleiten. Dann klopfte es auch schon an meiner Zimmertür.
„Hallo Frau Martin, schön dass Sie wach sind. Wie geht es Ihnen?" fragte mich die Schwester, die mir etwas zu freundlich war. „Den Umständen entsprechend." brachte ich genervt hervor. „Ich werde einen Arzt holen, der ihnen alles erklärt. Darf ihr Freund zu Ihnen?"
„Markus ist wach?" der Schmerz der mich bei meiner ruckartigen Bewegung dabei durchzog, ließ mich wieder zusammenzucken.
„Nein, Herr von Theumer befindet sich seit Stunden in einer OP. Ich meinte Herrn Maximilian. Tut mir leid für die Verwechslung."
Meinen enttäuschten und zugleich besorgten Blick konnte ich nicht ablegen. Was hab ich da nur angerichtet?
„Ja klar, danke."
Mit einem letzten breiten Grinsen im Gesicht verabschiedete sich die Schwester wieder, nachdem sie mir einen neuen Infusionsbeutel hingehangen hatte. Ich hatte wirklich Hoffnung, dass Markus jetzt zu mir kommen kann. Es hätte mir von Anfang an klar sein sollen, dass das unmöglich ist. Ich hab ihn dort liegen sehen. nicht ansprechbar. Zerschunden. Zerstört. Und das nicht nur von außen, sondern auch von Innen.Ich bin auf seinen Gefühlen herumgesprungen, als wäre es nichts gewesen.
Bevor ich wieder zu viel nachdenken konnte, kam auch schon Maxi durch die Tür gestürmt.
„Du glaubst nicht wie froh ich bin, dass du lebst. Als ich gehört habe was passiert ist, bin ich vom schlimmsten ausgegangen." Seine Stimme stand unter tiefem Druck und man hörte genau, dass er gerade mit seinen Tränen kämpfte.
„Ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen soll. Wenn Markus stirbt, dann..." „Er wird nicht sterben. Er ist stark. Du glaubst an ihn. ich tu das und seine ganze Familie und seine ganzen Freunde tun genau das gleiche im Moment." unterbrach er mich. „Was ist wenn er es nicht schafft nh? Ich könnte mir das niemals verzeihen. Seine Familie und ihr, seine Freunde ebenso wenig. Warum bist du überhaupt bei mir und nicht bei ihm?" Erneut schossen mir die Tränen über das Gesicht. Es brannte immer noch mindestens genauso sehr wie bevor ich in diesen tiefen Schlaf gefallen bin. „Weil seine Mutter, Leon und Elea bei ihm sind. Sie warten vor dem OP-Saal und haben gesagt ich solle doch zu dir gehen. Du hast sonst keinen und außerdem wollte ich früher oder später sowieso zu dir. Du bist schließlich meine beste Freundin." Seine Worte zauberten mir ein leichtes kleines grinsen auf die Lippen. Es war schön zu hören, dass ich doch jemanden wichtig bin und das Markus seine Mutter, eventuell doch einen Weg gefunden hat mich zu akzeptieren. Ohne Markus fühle ich mich trotzdem leer und allein. Das kann kein Maxi der Welt wett machen. Keiner kann mir das Gefühl geben, was er mir gibt. Und das ist Liebe, Akzeptanz, Empathie aber auch ganz besonders viel Selbstvertrauen und Geborgenheit.

Bevor wir uns weiter unterhalten konnten, klopfte es erneut an der Tür und ein Arzt trat durch sie hindurch.
„Hallo Frau Martin, ich bin Frau Rieke und ich bin Ihre zu behandelnde Ärztin." Während sie dies sagte, zog sie einen Stift aus ihrer Kitteltasche und schnappte sich das Klemmbrett, was an meinem Bett hing. „Wie geht es Ihnen denn?" kam direkt danach. „Den umständen entsprechend. Wie geht es Markus von Theumer?" meine Neugierde ließ sich kaum im Zaun halten, weswegen ich direkt mit der Tür ins Haus fiel.
„Okey. Sind sie denn Verwandt?"
„Nein, aber ich bin seine Freundin und wir Wohnen zusammen."
Sie nickte und fuhr fort. „Erst einmal zu Ihnen. Sie haben eine starke Gehirn Erschütterung, weshalb wir sie sowieso hier behalten hätten. Auf einem Ultraschall konnten wir dann sehen, dass etwas bei Ihnen im Bauchraum nicht stimmt." Um interessiert zu wirken nickte ich zwischendurch. Ich wollte doch nur wissen wie es ihm geht.
„Als wir dann weitere Ergebnisse hatten hat sich bestätigt, dass sie innere Blutungen hatten und mussten sofort Operieren. Deshalb auch die große Schnittwunde. Es hatten sich drei Rippen durch Ihre Lunge und die Leber gebohrt. Das konnten wir aber alles wieder richten und sie werden nach jetzigen stand wieder vollkommen Gesund. Vorausgesetzt Sie halten die strenge Bettruhe ein. Wir behalten Sie auf alle Fälle noch diese Woche hier auf der Intensivstation."
Nach dieser Nachricht musste ich erst einmal Schlucken. Ich wäre fast drauf gegangen.

„Und jetzt zu Ihrem Freund. Er befindet sich Momentan noch in einer Notoperation, die auch noch eine Weile dauern wird. Er erlitt eine Schädelfraktur, also seine Schädeldecke hat sich zum teil gespalten. Darauf folgten Hirnblutungen, die wir jetzt behandeln. Seinen Unterschenkel hat er sich geprellt und einige viele offene Wunden und blaue Flecke hat er davon getragen, allerdings nichts was ihn weiter in Lebensgefahr katapultiert. Das übernimmt leider schon sein Kopf. Momentan können wir noch nichts genaueres sagen, ob und wie er es schafft."
Okay wow. Das trifft mein sowieso schon gebrochenes Herz jetzt. Unter schock stehend nickte ich nur kurz und blickte Maxi daraufhin in sein Gesicht.
„Eine Schwester kommt gleich nochmal, um Ihren Verband zu wechseln. ich wünsche Ihnen, trotz dessen, eine angenehme Nacht."
Mehr als eine danke bekam sie von mir nicht mehr zu hören. Jetzt hieß es weiter jede Sekunde weiter um sein Leben bammeln. Es machte mich und meine Nerven fertig. Maxi schien meine Verzweiflung regelrecht zu riechen und nahm nicht daraufhin vorsichtig in seine Arme. Keiner von uns sagte etwas. Er ließ sich neben meinem Bett, auf einem Stuhl, stillschweigend nieder. Sein Blick war gegen die kahle, weiße Wand geheftet und schien dort auch kleben zu bleiben.

Die ganze Nacht machte ich kein Auge zu. Meine Gedanken schenkte ich ganz allein Markus und betete, dass er die OP gut übersteht, überlebt und mir danach noch eine Chance geben mag. Die leere die seine Abwesenheit in mir hinterließ war unerträglich.
Maxi, der auf seinem Stuhl neben meinem Bett, meine Hand fest im Griff haltend schlief, strahlte die benötigte ruhe aus. Friedlich schlafend lenkte er mich für einige Sekunden ab, in denen ich daran dachte wie froh ich bin ihn hier zu haben.

So langsam drückte meine Blase und ich beschloss den Knopf für des Schwesternzimmers zu betätigen. Allerdings kam auch nach dem dritten drücken niemand zu mir. Schwer atmend erhob ich mich. Schmerzen durchzogen meinen Körper bei jeder kleinsten Bewegung, die ich vernichtete. Als ich endlich aufrecht stand, begann sich mein Zimmer einmal um mich zu drehen. Mein Kopf fing an zu brummen und als ich wieder klar sehen konnte, bewegte ich mich mit langsamen Schritten auf das Badezimmer zu. Wenn ich mich nicht festhalten könnte, würde ich unter meinen schwachen Beinen zusammenbrechen.

Im selben Moment als ich diesen Gedanken zu Ende brachte, griff ich auch schon neben die Stuhllehne auf dem Maxi saß und fiel zu Boden. Den Infusionsständer riss ich mit mir mit, Schläuche und Kabel der Monitore rissen ab und ich verlor das Bewusstsein. Das letzte was ich deutlich mitbekam, war wie Maxi neben mir auf seine Knie ging und um Hilfe rief. Seine Hand die ganze Zeit dabei an meiner Wange liegend.

Meine letzte Hoffnung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt