Lya
„Wo sind wir?" Ich war so darin vertieft, das Für und Wider einiger Namen abzuwiegen, dass ich gar nicht mitbekam, wie Blake vor einem, mir fremden, Gebäude hielt. Es war ein klassisches Stadthaus, wie es sie viel in den Seitenstraßen gab. Der dunkle Backstein und die weißen Fenster bildeten einen perfekten Kontrast. Vielleicht würde ich auch eines Tages in einem solchen Haus leben. Mit einem kleinen Garten hinter dem Haus, in dem Fussel spielen könnte. Eventuell hätten wir noch einen kleinen Hund und irgendwann würden wir jemanden finden, der unsere Familie perfekt machen würde. Der meine Tochter wie sein eigenes Kind akzeptierte. Im Augenblick war Blake der einzige Mann, der in meiner kleinen Vorstellung, diesen Platz einnehmen könnte, doch diese Wunschvorstellung würde sich nie erfüllen. Nicht auf die Art, wie ich es mir wünschte und vorstellte.
„Du wirst es gleich sehen. Nimm deine Tasche und das Buch mit." Er stieg aus und ich tat es ihm gleich, nachdem ich Buch und Kugelschreiber in meiner Handtasche verstaut hatte. Wir gingen gemeinsam die Stufen zur Haustür nach oben, bevor Blake sich zu mir wandte. „Nimm nicht alles so ernst, was gleich passiert."
„Was wird denn passieren?"
Ich hatte meine Frage gerade erst ausgesprochen und Blake konnte noch nicht einmal zu einer Antwort ansetzen, als die massive Tür schwungvoll geöffnet wurde und ein nett aussehender, älterer Mann mir entgegenlächelte. „Liebling!", rief er laut aus, klang dabei aber äußerst erfreut. „Es ist ein Wunder! Unser Sohn bringt eine Frau mit! Dass ich das auf meine alten Tage noch erleben darf!"
Natürlich! Das musste Emmas Mann sein, Blakes Stiefvater. Er war mir jetzt schon sympathisch. Obwohl er mir mit seiner, doch recht unkonventionellen Begrüßung vor Augen führte, dass Blake nie mehr als freundschaftliche Gefühle für mich haben würde.
„Du musst Lya sein. Meine Frau redet oft von dir. Ich bin Derek." Er trat zur Seite und machte eine einladende Handbewegung. „Komm rein. Emma ist in der Küche, da sollte man sie lieber nicht stören. Aber wir können so lange im Wohnzimmer sitzen. The Young and the Restless läuft gerade. Ich liebe diese Serie."
Derek lief voraus und ich folgte ihm, mit einem dicken Lächeln. „Es freut mich, Sie kennenzulernen."
„Es freut mich auch, dich zu sehen, Dad", rief Blake. Als ich hinter mich sah, erkannte ich, dass er noch immer an der Tür stand und lächelte.
„Mach die Tür endlich zu, Blake", rief Derek ohne sich nach ihm umzusehen. „Und du, junge Dame, solltest mich Derek nennen. Das Sie kannst du ruhig weglassen."
Blake hatte schnell zu mir aufgeschlossen, denn ich konnte spüren, dass er dicht hinter mir lief. „Vermutlich hat er bereits am Fenster gelauert, um unsere Ankunft nicht zu verpassen", flüsterte er mir ins Ohr und brachte mich damit zum Kichern.
„Das habe ich gehört, junger Mann." Derek ging durch eine große Schiebetür, hinter der sich das Wohnzimmer befand. Er war gemütlich eingerichtet und obwohl es einen großen Fernseher gab, dominierten riesige Bücherregale den Raum. Ich war im Paradies. „Möchtest du etwas trinken? Ein Wasser oder einen Tee?" Er hatte es sich in einem der Sessel gemütlich gemacht und lächelte mich noch immer an, während ich mich auf dem Sofa niederließ.
„Ein Wasser wäre toll", antwortete ich ihm. Ich war aufgeregt. Obwohl keinerlei Blutsverwandtschaft bestand, war er Blakes Vater und es war mich wichtig, dass er mich mochte.
„Dann sollst du es bekommen", sprach er sanft. „Blake, geh und hol Lya Wasser."
„Darf ich mir auch etwas mitbringen, Dad?"
Dereks lächeln wurde noch breiter. „Was soll diese bescheuerte Frage? Du weißt doch, wo was steht. Sonst fragst du doch auch nie, wenn du hier bist."
Blake atmete geräuschvoll aus und murmelte, dass er ihn auch lieb hätte, als er das Wohnzimmer verließ.
„Lass dir nichts vormachen. Ich liebe ihn wie mein eigen Fleisch und Blut. Blake weiß das, aber ab und zu ärgern wir uns etwas." Tatsächlich glaubte ich ihm, dass es einfach eine Art Scherz war, wie er eben mit Blake redete. Blake konnte es genauso gut. „Aber genug von unserer Vater-Sohn-Beziehung. Ich hoffe, du kannst nachvollziehen, dass ich das oder besser gesagt, die Mädchen kennenlernen möchte, die er zu seinen Eltern nach Hause bringt. Emma erzählte mir, dass du heute bei einer Kontrolluntersuchung warst. Ich hoffe doch, dass alles in Ordnung ist."
„Sie ist zwar etwas klein, dafür aber kerngesund", antwortete ich ihm.
„Das freut mich. Emma wird beruhigt sein, es zu erfahren. Sie war so aufgeregt, als sie vorhin nach Hause kam. Es gab kein anderes Thema."
„Sollte ich nicht zu ihr gehen?" Wenn sie so aufgeregt war, sollte ich doch schnellstmöglich mit ihr reden, geschweige denn, sie begrüßen. Es war doch unhöflich, als Gast seine Gastgeberin nicht zu begrüßen.
Derek schüttelte seinen Kopf. „Um Gottes Willen, nein!", lachte er laut. „Sie bereitet gerade das Abendessen vor und da willst du die Küche nicht betreten. Meine Frau kann", er stoppte und schien die richtigen Worte zu suchen, „sehr speziell sein, wenn man ihre heilige Küche betritt."
„Mach dir keine Sorgen, Bambi." Blake kam mit einer Flasche Wasser und zwei Gläsern zurück und setzte sich neben mich. „Sie wird dich später noch genug ausfragen. Mom ist böse auf mich, weil ich einfach aufgelegt habe und wir trotzdem so lange gebraucht haben, um hier zu sein."
„Denkt ihr nicht, dass es helfen würde, wenn ich jetzt zu Emma gehe?"
„Nein!" Die Antwort kam zeitgleich von beiden. Erstaunlich, wie ähnlich sie sich doch sind.
„Aber deine Mutter hat recht. Ihr beide habt wirklich lange gebraucht, um hier zu sein."
Blake legte sein Handy auf dem Sofatisch und lehnte sich zurück. „Der Verkehr war die Hölle. Aber wir haben uns die Zeit ganz gut vertrieben."
„Er hat mir dabei geholfen, Babynamen auszusuchen", erklärte ich Derek. „Ich habe keine Idee, wie ich sie nennen soll. Deswegen gingen wir einige Namen aus einem Buch durch." Ich nahm meine Handtasche, welche neben mir auf dem Boden stand und holte das Buch heraus, welches Blake mir gekauft hatte.
Derek kniff die Augen leicht zusammen, als er den Titel las. „Sind gute Vorschläge dabei?"
„Ich habe meinen Favoriten", lachte Blake. „Ich habe sogar blind auf ihn getippt. Es war quasi Schicksal oder göttliche Fügung."
Ich wandte mich von Derek ab und sah zu meiner linken. „Ich werde meine Tochter nicht nach dir benennen!"
„Spielverderber."
„Das klingt doch nach einem lustigen Zeitvertreib. Ich könnte, wenn es dich nicht stört, ebenfalls meine Meinung zu einigen Namen dazu steuern. Damit dir noch mehr Auswahl zur Verfügung steht und nicht nur Blake. Obwohl es ein wirklich guter Name ist."
„Sehr gerne. Blake lässt sich ja scheinbar nicht mehr von seinem Favoriten abbringen. Da könnte eine weitere Meinung durchaus hilfreich sein." Mir gefiel Dereks Vorschlag und ich blätterte erneut durch das Buch, schlug wahllos eine Seite auf und tippte blind auf eine der Seiten. „Roxy."
Ich konnte erkennen, dass Derek dieser Name ebenso wenig zusagte wie mir und genauso wie Blake, hielt er seine Meinung nicht zurück. „Das klingt wie ein Nuttenname."
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Unbreakable
RomanceSolange sie denken kann, bevorzugt Lyas Familie ihre kleine Schwester. Scheinbar auch ihr eigener Ehemann. Earl will sich von Lya scheiden lassen, um ihre jüngere Schwester heiraten zu können und niemand in der Familie scheint ein Problem damit zu h...