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Lya

Mittlerweile war es ziemlich voll in meinem Zimmer. Neben Emma und Derek, waren nun auch Jenny und Mark mit den Kindern da. Derek wachte mit Argusaugen über Parker und Fiona, welche auf meinem Bett saßen und mit Ria beschäftigt waren, welche auf meinem Bett lag und die Kinder mit großen Augen ansah.

Ich saß abseits mit den anderen in der Sitzecke, über welche mein Zimmer verfügte. Ich hatte einen Verdacht, warum ich nicht mit anderen Frauen in einem Mehrbettzimmer lag, welches vermutlich nicht mal ansatzweise so groß war wie dieser Raum. Es gab eine riesige Fensterfront und ich hatte eine traumhafte Aussicht über New Jersey. Für diesen Komfort war ich natürlich dankbar, aber ich würde heute Abend mit Blake darüber reden, sobald er zurück und wir unter uns waren.

„Darf eine von euch oder Blake sie halten, wenn Derek in der Nähe ist?" Jenny hatte sichtlich Spaß daran, dass Derek scheinbar nur noch Augen für Ria hatte.

„Es kostet mich einiges an Überredungskunst", lachte Emma und trank einen Schluck Wasser. „Aber er ist so glücklich, wenn er sie sieht, also lasse ich ihm diese Freude. Solange er mir Ria nicht nur in die Arme drückt, wenn ich ihre Windel wechseln soll." Die lachte laut, als sie ihr Glas zurück auf den Tisch stellte und ich wahrscheinlich wieder in Gedanken rief, was vor nicht mal einer Stunde passiert ist.

Das schienen die Harrison-Männer gemeinsam zu haben. Blake schwor bereits, nie wieder eine Windel zu wechseln und Derek tat nicht einmal so, als ob er es auch mal probieren wollte. Als meine Tochter vorhin eine volle Windel hatte, hielt er sie zu Emma und fragte sie, ob sie das machen kann. Sie sollte jedoch nicht das Gefühl bekommen, nur dafür da zu sein. Also wechselte ich die Windel und gab Ria im Anschluss zu Emma, in deren Armen sie lag, bis Jenny mit ihrer kleinen Patchworkfamilie kam.

Ich sah noch einmal zum Bett. Ein paar Minuten würde ich ihnen noch gönnen, dann sollte Ria jedoch zur Ruhe kommen. Vielleicht war es eine übertriebene Reaktion von mir, aber ich wollte sie noch nicht so vielen Stimmen und Reizüberflutungen aussetzen. Ria sollte erstmal auf dieser Welt ankommen. Vergangene Nacht hat sie mich und Blake ganze sechs Stunden am Stück schlafen lassen. Ob es daran lag, dass sie noch zu erschöpft von der Geburt war, konnte ich nicht sagen. Jenny erzählte mir einmal, dass sich Parker, bis zum siebten Monat, alle drei Stunden meldete. Vielleicht war Ria gnädiger mit mir und Blake. Doch erst die Zeit würde es zeigen.

„Entschuldige, aber ich muss dich etwas fragen. Jenny meinte, dass du mit der Torrez-Familie verwandt bist."

Mark war mir schon beim ersten Zusammentreffen sympathisch. Er war, ähnlich wie Blake, äußerst direkt und nahm kein Blatt vor den Mund. Vorhin hatte er sich Ria angesehen und meinte, sie wäre, trotz der frühen Geburt, hervorragend entwickelt.

„Nicht direkt verwandt. Meine Mutter hatte eine Affäre und deshalb ist der Mann, von dem ich dachte, er wäre mein Vater, nicht mein Vater. Eine Torrez war ich nur vom Namen her, bis ich geheiratet habe."

„Das finde ich interessant. Du siehst diesem Mann einfach so ähnlich. Man sieht ihn ja öfters mal in irgendwelchen Klatschblättern. Weißt du denn, mit wem deine Mutter eine Affäre hatte? Hat er vielleicht ein Bruder, welcher als dein Vater infrage käme?"

Jenny und Emma lauschten unserem Gespräch, jedoch ohne sich einzumischen und wahrscheinlich hörte auch Derek mit einem Ohr hin.

„Nein, er ist ein Einzelkind", antwortete ich ihm.

„Also hat ein Vaterschaftstest ergeben, dass du nicht sein Kind bist", schlussfolgerte Mark, doch ich musste ihn unterbrechen.

Ich dachte angestrengt nach, doch ich konnte mich nicht daran erinnern, dass mir einmal Blut abgenommen wurde. Abgesehen von diesem einen Mal, als es um Lindsays Behandlung ging. „Nein, eigentlich nicht. Meine Mutter meinte, sie hätte ihn betrogen und wurde von diesem Mann schwanger. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern."

Von hinten wurden mir zwei Hände auf die Schultern gelegt. „Wie sieht deine Schwester aus?" Dereks Neugier schien geweckt.

„Wie eine jüngere Version meiner Mutter. Beide haben grüne Augen und braunes Haar. Es ist aber nicht so dunkel wie meines."

„Also könnte deine Mutter diese Affäre auch erst nach deiner Geburt gehabt haben?", sprach nun Emma ihren Gedanken aus.

„Nein. Es war bevor sie mit mir schwanger war." Ich erklärte noch einmal den Vorfall mit den Blutgruppen. An diesen Tag konnte ich mich noch genau erinnern. Immerhin hat er mein Leben für immer verändert.

Mark beugte sich etwas nach vorne. „Und deswegen denkst du, dass du aus einer Affäre stammst? Denn dann muss ich dich enttäuschen. Die meisten kennen nur vier Blutgruppen, doch im Grunde kann man sie noch weiter unterscheiden. Deine Eltern haben beide Blutgruppe B. Aber haben sie BB oder B0? Menschen der Blutgruppe B besitzen das Antigen B und somit Antikörper gegen die Blutgruppe A. Bei der Blutgruppe 0 sind keine Antigene, aber die Antikörper A und B vorhanden. Biologisch ist es also durchaus möglich, dass dein Vater wirklich dein Vater ist."

Ich saß auf dem Sessel und ließ mir Marks Worte durch den Kopf gehen. Dann dachte ich an damals zurück und meine Mutter hatte tatsächlich nicht gesagt, vor welcher Schwangerschaft sie meinen Vater betrogen hatte. Oder hatte ich es einfach nur vergessen und versuchte nun, mich mit aller Gewalt an diesen kleinen Strohhalm zu klammern? „Ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen." Es machte mich traurig. Wenn er mit seiner Vermutung richtig lag, hätte mein Leben ganz anders verlaufen können.

„Ich wollte dich nicht verwirren oder kränken", erklärte Mark sich. „Aber du hast noch immer die Chance, Dinge richtigzustellen. Kinder sollten nicht für die Fehler ihrer Eltern zahlen müssen und du besitzt einfach eine zu große Ähnlichkeit mit deinem Vater."

Dieses Gespräch und die damit verbundenen Informationen musste ich erstmal verdauen. Es handelte sich nur um Vermutungen, doch es wühlte mich zu sehr auf und ich bemerkte die einzelne Träne, welche über meine Wange lief, erst als Emma mir diese sanft wegwischte.

„Wir sollten das Thema wechseln", schaltete sie sich ein und meine Gäste schienen damit einverstanden zu sein. Wir redeten noch einige Zeit über alles Mögliche, während Ria irgendwann einfach in meinem Bett einschlief, umgeben von Parker und Fiona, denen die Augen auch irgendwann zufielen.

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