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Lya

„Das war das beste Essen meines Lebens." Ich lehnte mich zurück, gegen die Stuhllehne, und hielt mir mit beiden Händen meinen Bauch. Der war zwar schon groß, aber ich hatte das Gefühl, jeden Moment zu platzen. Zwar konnte ich auch kochen, doch an Emmas Fähigkeiten kam ich bei weitem nicht heran.

Blake und Derek saßen mir gegenüber und tranken, nun da der Tisch bereits abgeräumt war, ihren Kaffee. Etwas neidisch war ich schon. Der köstliche Geruch des Aufgussgetränks stieg mir in die Nase und zu gerne hätte ich mir auch eine Tasse gegönnt. Doch das war tabu. Vermutlich würde ich die Nacht kein Auge zu machen und noch mehr, als sonst schon, den Weg zur Toilette antreten. Fussel lag heute besonders ungünstig und eigentlich hätte ich das Abendessen, welches Emma gezaubert hatte, auf der Toilette sitzend zu mir nehmen können.

Ich entschuldigte mich einige Male während des Essens und obwohl Emma mich immer wissentlich anlächelte, fragten Blake und Derek jedes Mal, ob alles in Ordnung wäre.

Während ich meinen Tee umrührte und auf Emma wartete, welche noch Kekse aus der Küche holte, hörte ich den Männern zu, die sich über irgendeinen Fall unterhielten. Ich kannte zwar die Vorgeschichte nicht, aber anscheinend verstand ein potenzieller Mandant nicht, dass Blake nicht vorhatte, seinen Fall zu übernehmen. Bei der Summe an Geld, um die es in diesem Fall ging, klingelten meine Ohren. Damit könnten ich meine Tochter und selbst deren Kinder problemlos leben.

Es kam mir vor wie ein Traum. Aber es gab eine Zeit, in der Geld für mich keine Rolle spielte. Meine Eltern waren ebenfalls äußerst reich. Unverschämt reich. Lindsay musste nie auf etwas verzichten, während ich das nötigste bekam. Damit ging es mir aber nicht schlecht, denn so lernte ich, für meine Ziele zu arbeiten. Als mein Grandpa starb, lernte ich Earl kennen und mein Leben wandte sich zum besseren. Dachte ich zumindest. Von allen Menschen hatte er mich am meisten verletzt, erniedrigt und gedemütigt. Doch erst jetzt erkannte ich es. Ich ging immer davon aus, dass es normal war, wie er mich behandelte oder mit mir umging. Vermutlich lag es daran, dass meine Eltern grausamer mit mir umgingen und ich einfach nur geliebt werden wollte. Im Grunde waren die einzigen Menschen, welche mich je wirklich geliebt hatten, meine Großeltern. Doch ich war noch immer zu feige und brachte es nicht über mich, mich bei meiner Grandma zu melden.

Sie war nicht mal meine richtige Grandma. Mein Vater war nicht mein Vater und trotzdem behandelten sie und Grandpa mich immer wie ihr leibliches Enkelkind. Sie gaben mir die Liebe, die ich so sehr brauchte. Meine glücklichsten Erinnerungen handelten immer von ihnen. Ich liebte es, wenn ich bei ihnen zu Besuch war und dort übernachtete. Es war für alle Seiten ein Gewinn. Meine Eltern waren mich los und ich war bei Menschen, die alles für mich gaben.

„Du solltest dich bei der Namensfindung von niemanden beeinflussen lassen." Emma riss mich aus meinen Gedanken und stellte die Kekse auf den Tisch ab, bevor sie sich neben mich setzte. „Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass du bereits eine Vorauswahl treffen kannst, deine endgültige Entscheidung aber erst treffen wirst, wenn du deine Tochter in den Armen hältst. Blake sollte auch erst einen anderen Namen haben."

Kurz sah ich über den Tisch zu ihm, schenkte meine Aufmerksamkeit dann aber Emma. „Verrätst du mir den Namen?", fragte ich sie und nahm einen Schluck von meinem Tee, der bereits eine angenehme Temperatur hatte.

„Es gibt diesen britischen Schauspieler, Daniel Day-Lewis. Ich fand ihn so toll und wollte meinen Sohn unbedingt Lewis nennen", begann Emma mit ihrer Erklärung. „Ich hatte kurz vorher gelesen, dass er drei Vornamen hat: Daniel Michael Blake. Als ich dann im Krankenhaus war, vollgepumpt mit Schmerzmitteln und erschöpft von der Geburt, mein lieber Sohn ließ sich fast einen ganzen Tag lang Zeit, war ich so verwirrt, dass ich Lewis total vergessen hatte. Ich konnte mich nur noch an Blake erinnern und habe diesen Namen immer wieder vor mich hingesagt. Anscheinend dachte der Arzt, das wäre der Name und trug diesen in die Geburtsurkunde ein. Dabei habe ich nur versucht, mich an den eigentlichen Namen zu erinnern. Seitdem heißt Blake eben Blake. Zum Glück hatte ich noch eine klare Aussprache. Stell dir vor, ich hätte genuschelt. Kaum auszudenken, dass sein Name Snake sein könnte."

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Blake einen anderen Namen haben könnte. Er war eben Blake. Doch der Gedanke an Snake ließ mich leise lachen. „Deine klare Aussprache hat ihn vor einem Leben mit ständigen Vorurteilen bewahrt."

„Wir hatten es nicht leicht. Doch als Derek in unser Leben kam, hat sich alles zum positiven Entwickelt." Sie griff über den Tisch nach der Hand ihres Mannes. „Nachdem wir geheiratet haben, hat Derek mir versprochen, bei allem zu helfen. Ich erzählte ihm von meinem Traum, Frauen zu helfen, die in derselben Situation waren wie ich und er hat meinen Traum wahr werden lassen. Er organisierte das erste Gebäude, in welches Frauen kommen konnten, um Hilfe zu bekommen. Nach und nach wuchs alles und wir gründeten unsere Stiftung."

Die beiden tauschten verliebte Blicke aus und ich war aufs neue tief beeindruckt von Emma, denn sie war eine Kämpferin, die hart gearbeitet hat. Sie hatte sich und ihren Sohn aus der Armut geholt. Weg von einem Leben auf der Straße und, gemeinsam mit Derek, hat sie etwas Großes geschaffen. Ich konnte es kaum erwarten, irgendwann ihre ganze Geschichte zu hören. Diese Frau gab mir Hoffnung, dass sich alles verändern konnte.

„Bitte verschont mich mit eurer Geschichte", rief Blake aus. „Ich will es nicht schon wieder hören."

„Aber deine Mutter ist das Beste, was mir je passieren konnte", mischte Derek sich nun ein. „Es ist doch mal eine nette Abwechslung zu dem nervigen Mandanten, der dich seit Wochen damit nervt, seinen Fall zu übernehmen."

Blake schien dieses Thema noch mehr zu nerven, als die Geschichte seiner Mutter. Er rührte laut mit dem Löffel in seiner Kaffeetasse, bevor er sich regelrecht nach hinten in die Stuhllehne warf. „Victor Torrez will es aber anscheinend auch nicht verstehen. Ich will mit ihm und seiner Sippe nichts zu tun haben."

Als ich diesen Namen hörte, kam es aus dem nichts. Ich brach in Schweiß aus, mein Herz raste und meine Brust schnürte sich zu. Eine unbeschreibliche Panik überkam mich und ich begann zu zittern.

„Bambi?"

UnbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt