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Blake

Ich sah noch immer wie gebannt in das kleine Bett, in welchem Ria selig schlief. Nichts schien sie aus der Ruhe zu bringen, aber vermutlich war sie einfach zu erschöpft. Bambi ging es nicht anders, denn sie schlief seit geraumer Zeit und ließ sich ebenfalls nicht dabei stören.

Mom und Dad waren, genauso wie ich, regelrecht gefesselt von Ria und es kostete mich einiges an Überredungskunst sie dazu zu bewegen, das Krankenhaus zu verlassen und morgen wieder zukommen. Natürlich hat es Dad sich nicht nehmen lassen, eine größere Summe Geld auf den Tisch zu legen und damit dafür zu sorgen, dass Mutter und Kind ein exklusives Familienzimmer im Privatflügel der Klinik bekommen. Außerdem hat er sich die Rechnung für die Geburt aushändigen lassen. Ein Großteil der knapp 10000 Dollar würde zwar Lyas Versicherung zahlen, den Rest würden meine Eltern übernehmen. Mom meinte zwar, dass die Organisation es zahlen würde, doch ich hatte den Verdacht, dass sie und Dad es aus eigener Tasche zahlten. Ich hatte da auch noch ein Wörtchen mitzureden, doch dieses Gespräch würde ich erst morgen mit ihnen führen.

Lya schlief in einem großen Bett, in welchem ich vermutlich auch locker Platz gefunden hätte. Wäre da nicht die Tatsache, dass sie über die Hälfte der Liegefläche für sich einnahm und mir somit nicht mehr als ein Achtel zur Verfügung stand. Doch an Schlaf konnte ich noch nicht denken.

Ich war viel zu aufgeregt und hatte Angst, etwas zu verpassen. Als würde Ria, wenn ich nur einen Moment meine Augen schließen würde, einen Entwicklungssprung machen, den ich nie wieder erleben würde. So saß ich neben ihrem Bettchen und sah ihr weiter beim Schlafen zu, während ich immer wieder zu Bambi blickte. Diese zwei waren nun meine Familie.

Zwar erlebte ich nur wenige Minuten der Geburt mit, doch in diesen fühlte ich mich absolut hilflos. Ich konnte Lya die Wehen und Schmerzen nicht abnehmen. Auch sonst konnte ich nicht viel tun. Emotional war ich hoch involviert, dennoch war ich handlungsunfähig. Zeitgleich war es der schönste Moment in meinem Leben. Als ich die ersten Schreie hörte und kurz danach Ria auf Bambis Brust gelegt wurde, war ich regelrecht verzaubert.

Dafür, dass sie Wochen zu früh auf die Welt kam, hatte sie viele dunkle Haare auf ihrem kleinen Kopf und auch ihre Augen verrieten bereits, dass das Blau in ihnen nicht von Dauer war. Ganz am Rand konnte man eine leichte Braunfärbung erkennen und ich dankte allen möglichen Göttern dafür, dass sie scheinbar ein Abbild ihrer Mutter werden würde. Nicht, dass ich sie weniger vergöttern würde, wenn sie wie ihr nichtsnutziger Vater aussehen würde, aber es beruhigte mich. Denn sie war perfekt. Genau so wie Lya es war.

Wir konnten uns noch nicht wieder unterhalten. Es war einfach zu hektisch. Jenny und Mark, meine Eltern, die Ärzte, welche ständig irgendwelche Untersuchungen machten. Wir kamen einfach nicht dazu, zu reden. Auch wenn Bambi mir zugesichert hatte, dass sie und Ria zu mir gehörten, wollte ich es nicht so stehen lassen. Wir sollten noch einmal über alles sprechen, auch über Earl und den Rest ihrer Familie.

Ein glucksendes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken und ein Blick in das kleine Bett verriet mir, dass Ria nicht mehr schlief.

„Wer ist denn da wach?" Ich erhob mich aus dem Sessel und nahm die Kleine vorsichtig in meine Arme. „Es ist mitten in der Nacht. Du solltest schlafen."

„Ich glaube, es ist ihr egal, wie spät es ist", sprach eine flüsternde Stimme und scheinbar waren nun beide Frauen wach. „Es wird wohl noch eine sehr lange Zeit dauern, bis sie ein Zeitgefühl entwickelt, wie wir es haben." Lya setzte sich auf und hielt mir ihre Hände entgegen. „Gib sie her. Vielleicht hat sie Hunger."

Vorsichtig legte ich Ria in die Arme ihrer Mutter, welche sofort ein Strahlen im Gesicht hatte, während Ria erneut zu glucksen begann. Um nicht auf Lyas Brüste zu starren, welche sie ohne jegliches Schamgefühl freilegte um Ria anzulegen, wandte ich mich ab und suchte nach dem Klemmbrett, welches die Ärztin hier gelassen hatte.

„Das muss noch ausgefüllt werden, damit die Geburtsurkunde ausgestellt werden kann." Ich setzte mich zurück in den Sessel, auf dem ich die letzten Stunden verbracht hatte und sah mir angestrengt die Liste an. Nicht, dass ich nicht verstand,was darauf stand, aber die Versuchung, zu Lya zu sehen, war zu groß.

„Machst du das?", fragte Lya. Kurz sah ich auf und fing ihren Blick auf, welcher auf mir lag.

Ich nickte und nannte dann den ersten Punkt, welcher einfach zu beantworten war. „Name des Kindes." Noch während ich diesen Punkt laut vorlas, schrieb ich Victoria in die dazugehörige Spalte. „Hat sie einen zweiten Vornamen?"

„Wenn du damit die Blake-Diskussion wieder aufleben lassen möchtest, dann kannst du es vergessen", lachte mein Gegenüber. „Sie hat nur einen Namen."

„Wenn du meinst." Ich sah auf den nächsten Punkt. „Familienname", murmelte ich und wollte gerade schreiben, als ich unterbrochen wurde.

„Nein!"

Ich hielt mit dem Stift inne. „Nein?" Nun musste ich von meinem Papier aufsehen. Fragend blickte ich in Lyas wunderschönes Gesicht. „Was meinst du mit Nein?"

Sie sah an sich herunter zu Ria und strich mit ihrer freien Hand vorsichtig über ihr Haar. „Er wollte nichts mit ihr zu tun haben und daran wird sich nichts geändert haben. Immerhin gibt er groß seine Verlobung bekannt. Als hätte er vergessen, dass er noch immer verheiratet ist. Sie soll nicht seinen Namen tragen."

Das konnte ich verstehen. Aber ihren Geburtsnamen würde sie mit Sicherheit auch nicht auf der Geburtsurkunde haben wollen. Ich schrieb einfach weiter, füllte die letzten freien Zeilen aus und stand danach auf, damit sie ihre Unterschrift unter das Dokument setzen konnte. „Du hast deine Meinung nicht geändert, oder?", fragte ich und setzte mich neben sie auf das Bett.

„Auch wenn ich Schmerzen hatte, die du dir nicht einmal vorstellen kannst und diese vermutlich mein Urteilsvermögen beeinträchtigt haben, bleibe ich bei meinem Versprechen." Sie lehnte sich leicht an mich. „Wir gehören zu dir. Du bist das Beste, was uns passieren konnte. Ich bin jeden Tag dankbar, dass du mich beinahe umgerannt hast und solange du nicht wieder einen Rückzieher machst, bleiben wir an deiner Seite."

Ich legte meinen Arm um Lya und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihr einen Kuss dieser Art gab, doch dieses Mal war es anders. Es war eine andere Art der Verbundenheit, welche wir nun miteinander teilten. „Ich hoffe, du bist mit diesem Kompromiss einverstanden. Du musst nur noch unterschreiben." Ich zeigte ihr die Liste und hoffte, dass Lya mir nicht den Kopf abreißen würde.

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