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Lya

Mein Herzschlag schien sich gar nicht mehr zu beruhigen. Es war einfach stressig und ich war es selbst, die sich in diese Situation brachte.

Damit, dass das Ergebnis so schnell vorliegen würde, hatte ich nicht gerechnet. Als ich vor einer Woche den Abstrich für die Speichelprobe machte, ging ich davon aus, dass ich noch mehr Zeit hätte. Dementsprechend warf es mich ziemlich aus dem Konzept, als mein Anwalt mich anrief und meinte, dass wir einen Termin finden sollten, da das Ergebnis bereits vorlag.

Weder ich noch mein Vater kannten das Ergebnis. Es würde erst bei dem offiziellen Termin, bei welchem unsere Anwälte ebenfalls anwesend wären, verkündet werden.

Da es unser Plan war, alles schnell zu erledigen, tat Blake seit gestern gefühlt nichts anderes mehr, als mit Michael Anderson, dem Anwalt von Hailey zu telefonieren. Der Vertrag musste unterschrieben sein, bevor ich auf meine Familie in Dover traf. Wir gingen fest davon aus, dass alle von ihnen anwesend sein würden und ich Earl die Scheidungsunterlagen, welche ich ihm am liebsten in sein Gesicht feuern wollte, überreichen konnte.

Es war mir nicht möglich, Ria bei Emma und Derek zu lassen. Ich vertraute den beiden, aber ich konnte mich nicht für mehrere Tage von meiner Tochter trennen. Sie aber zu sämtlichen Terminen mitzunehmen kam ebenfalls nicht infrage. Also würden die beiden uns begleiten und auf Ria aufpassen.

„Du hast alle Taschen nun mehrere Male kontrolliert. Wir haben alles, was wir brauchen", versuchte Blake mich zu beruhigen.

Ich packte die Taschen, in welchen sich unsere Reiseutensilien befanden, bereits zum vierten Mal aus, nur um nach einer Kontrolle alles wieder einzupacken.

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Was, wenn ich etwas vergesse?"

Ich sah von dem Chaos, welches ich auf unserem Bett veranstaltet hatte, auf und traf Blakes Blick, welcher scheinbar amüsiert eben jenes Chaos besah. Warum konnte ich nicht genauso ruhig bleiben wie er? Oder zumindest einen kleinen Teil seiner Ruhe besitzen?

Mein Herz machte einen Aussetzer, als er am Fußende des Bettes nach der Decke griff und diese samt allem, was auf ihr verteilt lag, herunterzog und diese achtlos auf dem Boden liegen ließ.

„Was machst du da?" Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. Doch mich überkam das Gefühl, alles schnell aufzuheben und in den Taschen zu verstauen. Was, wenn etwas unter das Bett rollte und ich es vergaß? Gleichzeitig schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass wir im Haus ein neues Bett brauchten. Eines, welches unten geschlossen war.

„Komm her!", forderte Blake mich auf, während er sich auf das Bett legte.

„Aber wir..."

„Wir legen uns jetzt aufs Bett", unterbrach er mich und breitete seine Arme auf. Eine weitere, wenn auch stumme Aufforderung, mich zu ihm zu legen.

Ich hab mich geschlagen und legte mich zu ihm. Kaum, dass sich seine Arme um mich legten und ich Blakes unverwechselbaren Geruch einatmet, durchströmte mich zum ersten Mal seit Tagen das Gefühl vollkommener Ruhe.

Er war mein Anker und mein Rückzugsort. Blake war einfach alles für mich und gab mir Wärme, Geborgenheit und Liebe. Jeden Tag zauberte er mir ein Lächeln ins Gesicht. Wenn ich an die Zeit denke, die Jahre, welche ich ohne ihn verbracht hatte, kam mir mein bisheriges Leben absolut sinnlos vor. Natürlich gab es in und aus meiner Vergangenheit auch gute Dinge wie meine Großeltern oder Ria, aber erst mit ihm wurde es perfekt.

„Danke, dass du immer für mich da bist und an meiner Seite stehst." Ich schmiegte mich näher an ihn und lauschte seinem Herzschlag. „Du bist alles, was ich brauche."

„Ich liebe dich", flüsterte er, während seine Hände meinen Rücken auf und ab wanderten. „Dich und Ria." Es war kurz still zwischen uns, bis Blake leise weitersprach. „Wenn man mir vor einem Jahr erzählt hätte, dass ich innerhalb eines Jahres Haus, Frau und Kind hätte, hätte ich denjenigen wahrscheinlich für verrückt erklärt. Aber nun weiß ich, dass ich ohne euch nicht mehr leben könnte. Ich bin einfach nur dankbar dafür, dass ich damals quasi in dich hinein gelaufen bin. Auch wenn du mir mit einem Messer gedroht hast."

„Du hättest ein Verrückter sein können."

„Verrückt nach dir", lachte er. „Deine Augen haben mich vom ersten Moment an gefesselt. Du hast so verletzt gewirkt, doch zeitgleich war da dieses Feuer."

„Welches Feuer?"

„Kannst du dich an unsere Diskussion letzte Woche erinnern, in der es um Türstopper ging? Simple Türstopper und du hast diese Dinger mit einer Vehemenz verteidigt, als ob es um dein Leben ging. Ein falsches Wort von mir und du hättest mir eines dieser Dinger vermutlich an den Kopf geworfen. Diese Art von Feuer meine ich. Es steckt eine Kämpferin in dir."

Mein Griff um ihn verfestigte sich. „War ich sehr unerträglich?" Es war mir unangenehm daran erinnert zu werden. Ich musste mich schrecklich verhalten haben, aber manchmal ging mein Temperament mit mir durch.

Jahrelang hatte ich es unterdrückt. Meine Wut und den Schmerz einfach heruntergeschluckt, bis ich selber daran glaubte, keine eigene Stimme mehr zu besitzen. Ständig waren es andere, die über mich und mein Leben bestimmten. Meine Eltern, allen voran meine Mutter, die mich spüren ließen, dass ich unerwünscht war. Lindsay, die aus ihrer Verachtung mir gegenüber nie ein Geheimnis gemacht hatte. Earl, der es mit absoluter Sicherheit nie ernst mit mir meinte und mich am liebsten eingesperrt hätte, denn ich war nicht vorzeigbar genug und hätte seinem Ansehen geschadet.

„Ich weiß damit umzugehen und um ehrlich zu sein, genieße ich es auch ein wenig", gab Blake zu. „Mit dir wird es eben nicht langweilig und jeden Tag erlebe ich etwas Neues. Ich bin gespannt, ob Ria ebenfalls ein solches Temperament besitzt. Deine Großmutter hat es jedenfalls. Also scheint es in der Familie zu liegen."

„Danke."

Blake schob mich etwas von sich und sah mir in die Augen. „Wofür bedankst du dich?"

„Dafür, dass du ein Vater für Ria bist. Du bist nicht jemand, der sich nur um sie kümmert, weil sie nun mal da ist. Du bist ein Vater. Ihr Vater und das durch und durch."

Blake gab mir einen schnellen Kuss, bevor er mich wieder fest in seine Arme schloss. „Ich verspreche dir, dass ich niemals einen Unterschied machen werde. Wenn du noch mehr Kinder möchtest, dann machen wir welche. Aber Ria ist und wird immer meine Tochter bleiben."

UnbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt