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Lya

„Vielen Dank, dass Sie es so schnell einrichten konnten. Mir ist bewusst, dass ich Sie alle damit etwas unter Druck gesetzt habe."

„Es ist alles in Ordnung." Mister Anderson, der Anwalt von Hailey und Aiden, war bei Weitem nicht so, wie ich mir einen Mann vorgestellt hatte, der seit Jahren ein Millionenunternehmen vertrat. „Die Überprüfung der Unterlagen nahm nicht allzu viel Zeit in Anspruch. Es war eher der Aufsichtsrat, dem meine Mandantin alles mehrmals erklären musste."

„Es tut mir leid, wenn ich Hailey Umstände bereitet habe."

Mister Anderson lachte nur und schüttelte seinen Kopf. „Machen Sie sich um meine Mandantin keine Sorge. Sie weiß sich durchzusetzen. Zur Not droht sie damit, den kompletten Aufsichtsrat auszutauschen. Eine Eigenschaft, über welche schon ihr Vater verfügte."

„Sieh es dir gut an, Junge", meldete sich Grandma zu Wort. „Lya ist nicht die einzige Frau, welche einschüchternd wirken kann."

„Ich weiß sie zu händeln", gab Blake ruhig von sich. Dabei sah er über die Unterlagen, um diese auf eventuelle Fehler oder Abweichungen zu überprüfen.

Da er seit unserem letzten Aufenthalt in Dover als offizieller Rechtsvertreter meiner Grandma fungierte, war es nicht ungewöhnlich, dass er bei der Vertragsunterzeichnung anwesend war. So kam es dazu, dass im Esszimmer meiner Grandma drei Anwälte saßen, während Derek und Emma mit Ria die Nachbarschaft erkundeten.

Mein Anwalt, Mister Shutter, hatte die Unterlagen bereits geprüft und abgenickt, bevor Blake sie sich noch einmal ansah. Mister Anderson musste uns für verrückt halten.

„Ich soll Ihnen übrigens Grüße ausrichten. Mister und Misses Garver hatten eigentlich vor, ebenfalls anwesend zu sein, doch ihre jüngste Tochter ist etwas krank. Doch Sie sind herrlich dazu eingeladen, ein Wochenende in Calabasas mit ihnen zu verbringen."

„Wenn Ria krank wäre, würde ich auch nicht reisen", gab ich zur Antwort. „Ich bin froh, dass die Kolik bereits etwas abklingt. Wenn sie etwas älter ist, würde ich gerne auf das Angebot zurückkommen."

Mister Anderson nickte und versprach, meine Antwort weiterzuleiten. Kurz darauf reichte Blake die Unterlagen an mich weiter. „Es ist alles wie besprochen. Hailey hat bereits unterzeichnet und somit fehlt nur noch deine Unterschrift."

Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so schwerfallen könnte. Sobald meine Unterschrift neben der von Hailey stehen würde, gab es kein Zurück mehr. Die Anteile würden an sie gehen und ich hätte nichts mehr mit Torrez zu tun. Nichts würde mich an meine Eltern, Lindsay oder Earl binden, welcher mit Sicherheit riesige Augen bekommt, wenn er die Summe seiner Abfindung sieht.

Während meine Gedanken kreisten, kam mir mein Vater in den Sinn. Den Anblick, als er über Ria gebeugt stand und sie wie selbstverständlich machen ließ, was sie wollte, würde ich nie vergessen.

„Ich höre deine Gedanken bis hier", sprach Grandma. „Dein Vater hat bis zum Ende seines Lebens mehr als genug Geld und irgendwo tief in seinem Inneren wird er unsere Entscheidung irgendwann nachvollziehen können. Also unterschreibe nun oder hole dir Tipps, wie man einen Aufsichtsrat händelt. Mister Andersons Mandantin könnte dir dabei sehr behilflich sein."

Ich nahm einen tiefen Atemzug und griff ich nach dem bereitgelegten Kugelschreiber. Es waren eine Menge Unterschriften nötig. Beinahe auf jeder Seite stand juristisches Kauderwelsch. Vom konkreten Vertragsgegenstand, Kaufpreis, Zeitpunkt des Verkaufs und Übergangs, Rechtsverhältnisse, Arbeitsverhältnisse, Haftung, Gewährleistungen. Irgendwann ließ ich das Lesen bleiben und setzte neben jedem gekennzeichneten Bereich meine Unterschrift.

Ein Gefühl der Befreiung kam in mir auf, als ich den Kugelschreiber endlich zur Seite legen konnte. Es war geschafft. Blake lehnte sich leicht zu mir und flüsterte in mein Ohr, dass ich öfters auf diese Art lächeln sollte.

Grandma und ich verließen kurz darauf den Raum, während die drei Anwälte die nächste Stunde damit beschäftigt waren, alles zu beglaubigen, damit der Verkauf auch wirklich offiziell war und uns niemand mehr in die Quere kommen konnte.

„Wann sind die anderen mit meiner bezaubernden Urenkelin zurück?"

Wir genossen den Rest des sonnigen Tages und saßen gemeinsam, in Decken gewickelt, auf der Terrasse, welche zur Straße gewandt war.

„Sie werden sicher bald zurück sein." Ich nahm einen großzügigen Schluck von meinem Tee.

„Die zwei sind wirklich sehr vernarrt in Ria. Aber wen wundert es? Sie scheint selbst deinen Vater verzaubert zu haben. Nicht umsonst gibt er ihr so viel Geld."

Überrascht sah ich sie an. „Woher weißt du das?" Ich hatte es Grandma noch gar nicht erzählt, dass es einen Treuhandfond für Ria gab.

„Zwei Tage nachdem ihr weg wart, kam Victor noch einmal her. Zuerst wusste ich nicht, was er wollte, doch dann erzählte er mir, dass er für Ria etwas Geld zur Seite gelegt hat. Auf meine Frage, warum er das getan hat, bekam ich aber keine klare Antwort von ihm."

Wir schwiegen noch einige Zeit und jede von uns ging ihren eigenen Gedanken nach. „Ich bin aufgeregt", durchbrach ich als Erste die Stille, welche sich zwischen uns gelegt hatte.

„Das brauchst du nicht." Grandma legte ihre Hand auf meine und drückte sanft zu.

„Aber sie werden alle da sein."

„Und du wirst ihnen allen in den Arsch treten." Wie immer, nahm sie kein Blatt vor den Mund. „Und auch wenn du Bedenken wegen Victor hast: Tief in dir weißt du, dass er es verdient hat. Vielleicht versteht er ja, was er falsch gemacht hat, sobald er schwarz auf weiß hat, dass du seine Tochter bist."

„Du findest immer die richtigen Worte", lobte ich sie.

Mit einem ihrer Zeigefinger zeigte sie nach oben. „Wenn dort oben der richtige das sagen hat, dann werde ich endlich den geldgeilen Drachen los, den dein Vater damals abgeschleppt hat."

Vor Entsetzen blieb mir der Mund offen stehen. „Grandma!"

„Was denn? Sie tat von Anfang an nichts anderes, als das Geld unserer Familie mit vollen Händen aus dem Fenster zu werfen und das kleine Monster macht auch nichts anderes."

„Das kleine Monster?"

„Deine Schwester", sprach sie trocken. „Sie ist durch und durch wie ihre Mutter und der kleine Schoßhund, den sie stets dabei hat, will auch nichts anderes als Geld. Earl wird dich nur geheiratet haben, um an deine Anteile zu kommen."

„Welche nun offiziell nicht mehr Lya gehören." Blake unterbrach uns und kam, gefolgt von Mister Anderson und Mister Shutter, auf die Terrasse.

„Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen." Mister Anderson reichte mir seine Hand.

„Gleichfalls. Vielen Dank, dass Sie hergekommen sind." Ich erhob mich und verabschiedete mich von ihm, denn er flog noch heute zurück. Dann wandte ich mich Mister Shutter zu. „Ich nehme an, dass Sie noch zum Essen bleiben."

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