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Lya

„Danke, dass ich mich hierher zurückziehen durfte."

„Ach schon gut." Thalia winkte mit einer ihrer Hände ab. „Ich weiß, wie das ist. Vor so vielen Personen möchte ich auch nicht stillen."

Ich saß noch nicht einmal richtig am Tisch, als Ria sich dazu entschied, nun doch Hunger zu bekommen und Thalia mich ins obere Stockwerk brachte. Im Kinderzimmer ihres jüngsten Kindes durfte ich fernab von den anderen in Ruhe stillen. Danach lag Ria gemeinsam mit Matt in dessen Bettchen und während er großes Interesse an dem Mobile hatte, schlief sie bereits wieder. Matt war beinahe ein Jahr alt, und wenn ich ihn beobachtete, freute ich mich schon darauf, wenn Ria in dieses Alter käme und ebenfalls damit begann, bewusst ihre Umgebung wahrzunehmen.

Meine Gastgeberinnen hatte sich vorhin noch einmal kurz verabschiedet, um für uns etwas Tee und Kuchen nach oben zu holen. Dabei ließ sie die Zimmertür etwas geöffnet und nachdem sie verschwunden war, kam eine der Katzen in das Zimmer. Es war das größere Tier, welches mich keines Blickes würdigte und es sich auf einer Spielzeugkiste gemütlich machte. Ein wirklich schönes Tier, doch ich war eher der Hundetyp. Für eine Katze wären wir Menschen eh nie etwas anderes als Personal.

Also verbrachten Thalia und ich die nächste halbe Stunde für uns. Sie gab mir einige Ratschläge, was ich für Ria noch unbedingt brauchte und auf was ich getrost verzichten konnte. Sie hatte bereits einiges mehr an Erfahrung, immerhin hatte sie mir zwei Kinder voraus und ich nahm ihre Ratschläge dankbar an. Wir wurden erst unterbrochen, als es leise klopfte.

Vorsichtig wurde die Tür zum Kinderzimmer geöffnet und Hailey steckte ihren Kopf vorsichtig durch den Türspalt. „Ich hoffe, ich störe euch nicht", flüsterte sie. „Aber Ivy scheint ebenfalls Hunger zu haben."

„Du störst nicht. Komm rein." Thalia stand bei mir bei den Babys und Hailey setzte sich mit Ivy in ihren Armen in den gemütlichen Sessel, in welchem ich bis vor wenigen Minuten ebenfalls noch gesessen hatte. „Jetzt, wo wir hier oben sind, holen die Männer vermutlich das Bier raus und erzählen sich Geschichten aus der "guten alten Zeit"."

Kurz war es still, doch dann begannen wir alle zu lachen.

Hailey legte sich ein Tuch über die Schulter und legte Ivy an. Dann zog sie das Tuch über deren Kopf und schirmte sie so etwas ab. „Eigentlich halten Zoey und die Zwillinge sie ganz schön auf Trab. Wusstest du, dass Tate euch später in ein Heim für Omas und Opas stecken will, um mit Zoey hier zu wohnen?"

„Ja, sowas hat er bereits ein paar Mal erzählt", meinte Thalia und setzte sich auf die breite Fensterbank, welche mit Kissen und Stofftieren dekoriert war. „Aber Maddie will nie von ihrem Daddy weg, also darf Tate hier später nicht mehr wohnen. Unglaublich, was manchmal in ihnen vorgeht."

„Zoey war damals so enttäuscht davon, dass Ivy ein Mädchen wurde, dass wir sie umtauschen sollten."

Ich wandte mich dem Bett und den darin liegenden Babys ab und setzte mich neben Thalia. „Ich bin ehrlich gesagt schon darauf gespannt, was Ria später mal für Sätze fallen lässt."

„Oh, manchmal ist es wirklich grenzwertig. Gerade wenn sie plötzlich die Aufmerksamkeit ihrer Eltern mit einem weiteren Kind teilen müssen. Wie war es denn bei dir?", fragte Hailey und sah mich an.

Irgendwann musste ich ja dieses Gespräch mit ihr führen. Immerhin war sie der Grund für unseren Besuch. „Es gab eine Zeit, da war ich alles für meinen Vater. Dann wurde meine Schwester geboren und mein Leben änderte sich komplett." Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde, in der ich Hailey und Thalia von meiner Kindheit und allem was dazugehörte, erzählte. Meine Erzählung endete damit, dass ich ihnen offenbarte, dass ich einen Vaterschaftstest einklagen wollte. „Also werde ich dir wohl nicht sonderlich bei deinem Vorhaben helfen können", beendete ich meine Ausführung.

„Ich hatte auch nie vor, dich darum zu bitten, deinem Vater ins Gewissen zu reden. Im Grunde will ich nur wissen, wie er tickt. Worauf man achten muss, wenn man sich mit ihm anlegt und, ehrlich gesagt, war das alles die Idee meines Anwalts", meinte Hailey, während Thalia nur stille Zuhörerin war. „Vielleicht weißt du ja auch etwas über die Abläufe innerhalb des Unternehmens."

„Im Grunde ist mein Vater ein sehr einfacher Mensch. Mein Grandpa hat damals die Firma aufgebaut. Es war eine kleine Schneiderei und nach den Erzählungen meiner Großeltern waren sie sehr zufrieden damit. Dad hat es geliebt, gemeinsam mit Grandpa, Herrenanzüge zu entwerfen und diese als Einzelstücke zu verkaufen. Erst als er meine Mutter kennenlernte, begann er damit, die Firma weiter auszubauen und aus ihr das zu machen, was sie heute ist. Im Grunde denke ich jedoch, dass es nicht das ist, was er will. Es wurde einfach immer mehr und mehr."

„Wie ist deine Mutter?", fragte Thalia. „Arbeitet sie ebenfalls im Unternehmen?"

Ich blies die Backen auf und atmete geräuschvoll aus. „Unser Verhältnis war immer etwas unterkühlt. Sie liebt den Luxus, den er ihr ermöglicht hat, aber macht nicht wirklich einen Finger krumm. Er holt das Geld rein und sie gibt es gerne aus. Seit einigen Jahren arbeitet Lindsay ebenfalls dort, aber ich weiß nicht, was sie für eine Aufgabe hat. Studiert hat sie jedenfalls nicht. Vielleicht ist sie auch nur da, damit es in der Familie bleibt. Offiziell zähle ich ja nicht einmal dazu und irgendwer muss es einmal weiter führen."

„Sie würden sich vermutlich hervorragend mit Aidens Mutter verstehen." Der abfällige Ton in Haileys Stimme war nicht zu überhören, und als sie meinen fragenden Blick bemerkte, erzählte sie mir, dass ihre Schwiegermutter die nächsten Jahre in einer Gefängniszelle verbringen würde. Im Gegensatz zu mir hatte Hailey wirklich die Hölle erlebt.

„Mehr kann ich dir nicht sagen, denn ich weiß einfach nichts über die Firma oder darüber, was in ihr vorgeht." Ich entschuldigte mich, denn ich wollte Hailey wirklich helfen.

„Du musst dich nicht entschuldigen." Scheinbar völlig entspannt sah Hailey mich an. „Denn ich bin mir nun sicher, dass du wirklich nichts weißt. Nicht einmal darüber, inwieweit du mit in dieser Firma steckst."

„Was meinst du?", fragte ich irritiert. „Ich habe nichts damit zu tun."

„Da muss ich dich eines Besseren belehren. Mein Anwalt war sehr genau bei seinen Recherchen und scheinbar gehören dir zehn Prozent der Firma."

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