Blake
Der gestrige Abend verlief sehr fröhlich. Während Ria mehr als fünf Stunden am Stück schlief, erzählten sich Dad und Elena gegenseitig die peinlichsten Geschichten, welche sie über Lya und mich ausplaudern konnten. Selbst Mister Shutter, der bereits seit Jahrzehnten mit Dad befreundet war, konnte einige "Glanzstücke" aus meiner Jugend beisteuern.
Der heutige Tag begann dafür schon ganz anders. Während Lya gestern Abend vor Peinlichkeit am liebsten im Boden versunken wäre, war es nun die Aufregung, welche sie scheinbar in ein nervliches Wrack verwandelt hatte. Sie sprach beinahe den gesamten Morgen kein einziges Wort und auch das Frühstück ließ sie unberührt.
Nun saßen wir in der Kanzlei, in welcher Victors Anwalt sein Büro hatte und sahen in die Gesichter der Leute, die ich selbstverständlich genauso verabscheute wie Lya es tat. Es würde noch einige Minuten dauern, bis das Ergebnis des Vaterschaftstests offiziell bekannt gegeben würde und somit verbrachte ich meine Zeit damit, mir die Leute anzusehen, die sich Familie schimpften.
Zum einen wäre dort ihre Mutter, die äußerlich rein gar nichts mit Lya gemeinsam hatte. Diese Frau sprach bisher kein einziges Wort, doch für ihr Talent, düster in unsere Richtung zu starren, würde sie eindeutig den ersten Preis gewinnen.
Lindsay tat nichts anderes, als sich die gesamte Zeit an Earl zu schmiegen. Ich war versucht, ihr zu sagen, dass wir es verstanden hatten. Aber ich musste Lya bereits vor der Ankunft versprechen, nichts zu sagen.
Jedes Mal, wenn ich in das selbstgefällige Gesicht von Earl sah, wollte ich ihm am liebsten eine reinhauen. Was für ein selbstgefälliges Arschloch er doch war. Doch auch ihm würde sein Lachen noch vergehen.
Einzig Victor schien die ganze Situation zumindest etwas unangenehm zu sein. Er spielte die ganze Zeit an seinen Fingern und vermied den Blickkontakt zu sämtlichen Anwesenden. „Wo ist die Kleine?", durchbrach er irgendwann die Stille und schielte unauffällig von seinen Händen zu Lya.
„Bei Grandma." Lya räusperte sich und rutsche etwas auf ihrem Stuhl nach oben. „Es gibt etwas, das ich dir sagen muss."
„Wenn du Geld für dein Balg willst, kannst du es ganz schnell vergessen. Ich erkenne es nicht an", mischte Earl sich ein. „Wenn du es nicht ernähren kannst, gib es zur Adoption frei, aber zieh deiner Grandma nicht das Geld aus der Tasche."
Das fing ja gut an. Ich zog eine Augenbraue nach oben und ballte meine Hände zu Fäusten. Niemand hatte das Recht, so über Ria zu sprechen.
Doch zu meiner Überraschung war es Victor, der der Erste war, welcher Earl auf seinen Platz verwies. „Du hast hier nichts zu melden. Also sei still", machte er ihm lautstark klar und sofort war es Lindsay, welche ihm mit einem traurigen "Daddy" scheinbar zu beruhigen versuchte.
„Ich wollte doch nur meinen Standpunkt zu dem Kind klarmachen", rechtfertigte der Schmierlappen sich.
Victor atmete tief ein und aus. „Das hast du ja dann getan. Ich würde mir also gerne anhören, was Lya mir zu sagen hat."
„Das hat dich doch sonst die Jahre nicht interessiert." Nun war es Lyas Mutter, welche sich in das Gespräch einbrachte.
„Könnt ihr nicht einmal die Klappe halten?", beinahe schrie er. Earl öffnete den Mund, denn scheinbar wollte er noch etwas sagen, doch Victor drohte ihm damit, dass seine Leiche irgendwo in der mexikanischen Wüste verscharrt werden würde, sollte er es noch einmal wagen, unaufgefordert seinen Mund zu öffnen.
Ja, scheinbar waren es nicht nur Lya und Elena, welche aufbrausendes Temperament besaßen.
Nach seiner Ansage, welche Earl eindeutig auf seinen Platz verwiesen hatte, wandte er sich wieder Lya zu. „Sag, was du zu sagen hast."
Ihre Hand suchte meine unter dem Tisch und ich gab ihr den halt, welche sie nun suchte. „Ich weiß, dass mir zehn Prozent von Torres gehören und ich will diese Anteile nicht. Ebenso bin ich mir ziemlich sicher, dass du", ihr Blick wanderte zu Earl, „mich nicht aus Liebe geheiratet hast. Deswegen biete ich dir einen Deal an."
„Also hat sie dir alles gesagt", schlussfolgerte Victor.
„Wie sieht dieser Deal aus?", mischte sich Lindsay ein. Scheinbar witterte sie das große Geld.
„Ich möchte die Scheidung. Aber im Gegensatz verzichtest du auf jegliche Rechte an meiner Tochter."
Earl und Lindsay trugen nun ein riesiges Grinsen im Gesicht. „Das ist mir nur recht. Ich habe keinerlei Ambitionen, was das Kind angeht. Im Gegenzug fordere ich aber deine Anteile."
Was für ein Idiot.
„Es sind nicht die Anteile, welche ich dir biete. Dafür aber Geld, das ich aus dem Verkauf dieser erhalten würde." Lyas Gesicht verzog keine Miene. Sie trug ein Pokerface und sie pokerte ziemlich hoch. Lya schob ein Schriftstück zu ihm herüber und ich wusste, dass es sich dabei um die Scheidungsunterlagen handelte, welche Mister Shutter für sie ausgearbeitete hatte. „Das ist mein Angebot und du musst nur noch unterschreiben. Danach verbindet uns nichts mehr."
Victor schwieg und schien sich nicht in die Verhandlung der beiden einmischen zu wollen. Das war gut, denn er wäre der Einzige, der unseren Plan zu diesem Zeitpunkt noch hätte durchkreuzen können.
Earl zog das Schreiben an sich und sein Gesicht hatte sich zu einem eher gruseligen Grinsen verzogen. „Wenn wir gewusst hätten, dass es so einfach wäre, an dein Geld zu kommen, hätte ich dich schon viel früher auf die Straße geworfen." Er unterschrieb im selben Atemzug die Papiere und warf sie beinahe zu Lya zurück.
Sein letzter Satz hatte nicht nur meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auch Victor schien überrascht. „Wir?", fragte er mit dunkler Stimme.
Earl, welcher zurückgelehnt im Stuhl ruhte, nickte nur. „Lindsay und ich kennen uns schon seit Jahren und haben gemeinsam diesen Plan geschmiedet. Wir wollten einfach nicht, dass jemand Außenstehendes sich in unsere Firma einmischt."
„Unsere Firma?" Ich wusste nicht, dass es möglich war, aber Victors Stimme war noch eine Spur dunkler und angsteinflößender.
„Daddy", sprach Lindsay. „Du kannst doch nicht ernsthaft wollen, dass dieser Bastard etwas zu melden hat. Wir dachten dabei nur an dich."
„Ihr habt wohl eher an euch selber gedacht." Lya hielt lächelnd das Schriftstück in ihren Händen, bevor sie es an mich weiter reichte und ich es in meine Aktentasche verstaute. „Aber gut, nun, da wir nichts mehr miteinander zu tun haben, kann ich dir das Geld geben, welches dir zusteht. Ich muss euch aber sagen, dass mir nicht zehn Prozent gehören, denn Grandma hat mir auch ihre Anteile überschrieben und somit sprechen wir über neunzig Prozent."
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Unbreakable
RomanceSolange sie denken kann, bevorzugt Lyas Familie ihre kleine Schwester. Scheinbar auch ihr eigener Ehemann. Earl will sich von Lya scheiden lassen, um ihre jüngere Schwester heiraten zu können und niemand in der Familie scheint ein Problem damit zu h...