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Lya

Als ich meinen Namen hörte wusste ich, dass es sich tatsächlich um Blake handelte oder wie Parker es ausgedrückte: der Fremde mit einem Blumenstrauß.

Auf ihn war ich nicht vorbereitet und dementsprechend brauchte ich länger im Badezimmer. Ich war eitel und wollte nicht, dass er mich in meinem Messylook sah. Schnell versuchte ich mich zumindest etwas herzurichten. Doch als er nach mir rief, meinen richtigen Namen und nicht Bambi, musste ich zu ihm und Parker gehen. Vielleicht war dem Kleinen ja etwas passiert.

Ich riss die Badezimmertür regelrecht auf und sah die beiden auf dem Sofa sitzen. „Was ist passiert?"

Blake sah mit großen Augen von Parker zu mir, während dieser weiterhin Blake ansah. Sprachlos hatte ich den erwachsenen Mann noch nicht erlebt.

„Na sag jetzt. Hat Lya das Baby verschluckt?"

Oh nein! Nicht das schon wieder! Ich ging auf Parker zu und setzte mich neben ihm. Jenny ging dieser Frage, welche er bereits auf den Spielplatz gestellt hatte ebenfalls gekonnt aus dem Weg.

„Nein. Ich habe das Baby nicht verschluckt", erklärte ich ruhig, doch er schien sich damit nicht zufriedenzugeben.

„Aber wie kommt das Baby in deinen Bauch? Hat Blake es durch deinen Bauchnabel gesteckt?" Parker ließ nicht locker und Blake lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Rücklehne des Sofas.

Ohne eine Antwort würde er nicht aufhören, zu fragen. „Das Baby ist in meinem Bauch entstanden und wächst dort so lange, bis es geboren wird."

„Also hat dein Bauch das Baby gemacht?"

Ich nickte ihm zu. „Genau."

„Kann ich auch ein Baby bekommen? Oder Blake?"

„Nein, Blake und du können kein Baby im Bauch haben, da nur Frauen Babys wachsen lassen können."

Parker sah mir noch kurz in die Augen. „Okay." Er zuckte mit seinen Schultern und beschäftigte sich danach weiter mit dem Spielzeug auf meinem Tisch.

„So einfach funktioniert es?" Blake flüsterte und sah mich an.

Ich war selbst darüber überrascht, dass Parker sich mit dieser Erklärung zufriedengab und nicht weiter nachfragte. „Sei froh", antwortete ich ihm. „Ich hätte nicht weiter gewusst."

„Wenn du denkst, dass ich mit ihm über dieses Thema gesprochen hätte, dann irrst du dich, Bambi." Blake stand auf und signalisierte mir, dass ich ebenfalls aufstehen sollte. Er wartete, bis ich stand und ging in meine Küche, in welche ich ihm folgte. „Ich habe dir Blumen mitgebracht."

Ich nahm den Strauß, welchen er mir entgegenhielt und befreite die Blumen vorsichtig aus dem Papier, in dem sie eingewickelt waren. Die farbenfrohen Tulpen zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht. „Danke", flüsterte ich. „Ich weiß aber nicht, ob ich eine Vase besitze." Ich suchte in meinen wenigen Schränken nach einer Vase, jedoch fand ich keine. „Ein Messbecher wird wohl reichen", lachte ich und befüllte diesen mit Wasser, bevor ich die Tulpen hineinstellte. „Womit habe ich dieses Geschenk denn verdient?"

Blake lachte und es klang anders als sonst. Er wirkte beinahe unsicher. „Vielleicht als Wiedergutmachung dafür, dass ich mich die letzten Wochen eher sporadisch bei dir gemeldet habe."

Ich traute mich nicht, Blake in die Augen zu sehen, denn ich wusste, womit er beschäftigt war. Er hatte einige seiner Fälle abgeschlossen und wollte sich dann um "meinen Vater" kümmern. Es war ein seltsames Gefühl, als hätte ich ein schlechtes Gewissen. Dazu kam jedoch die Neugier. „Hast du etwas herausgefunden?", fragte ich vorsichtig und sah weiterhin auf die Tulpen als wären sie das Interessanteste in der Küche.

„Es ist nicht einfach. Am liebsten würde ich mit deiner Großmutter sprechen und ich möchte, dass du dabei bist."

Damit hatte ich nicht gerechnet und ich hob meinen Blick. „Das kann ich nicht!"

Blake kam langsam auf mich zu. „Vertrau mir. Es wäre das Beste, wenn wir gemeinsam mit ihr reden. Dein Vater hat nicht nur dich getäuscht, er versucht es auch bei ihr."

„Bitte. Ich will das nicht. Es sind noch knapp elf Wochen bis zur Geburt und ich will diesen Stress nicht."

„Deine Großmutter stresst dich?" Er klang überrascht.

„Nein. Sie stresst mich nicht. Ich stresse mich! Bitte Blake. Lass mich die letzten Wochen der Schwangerschaft genießen." Ob Fussel derselben Ansicht war, wusste ich nicht. Entweder sie trat mich als Zeichen der Zustimmung oder aus Protest. Ich wusste es nicht und im Grunde wollte ich es nicht wissen. Es war nichts anderes als Angst, welche mich daran hinderte, mich nicht sofort in den Zug zu setzen und zu Grandma zu fahren. Wie ich reagieren würde, wenn meine Eltern oder Lindsay ebenfalls bei ihr wären, wollte ich nicht herausfinden. Also schob ich meine Schwangerschaft als Entschuldigung vor.

„Er ist auch schon ganz schön groß geworden", lachte er und zeigte auf meinen Bauch. „Macht Terrorkrümmel dir Probleme?"

Nun war ich diejenige, die lachte. „Nie. Sie ist perfekt."

„Mit Sicherheit", bestätigte Blake meine Aussage und ging einen weiteren Schritt auf mich zu. Er legte eine seiner Hände auf meinen Bauch und, als würde Fussel es spüren, trat sie leicht dagegen. Blake beugte sich leicht zu meinem Bauch. „Ich freue mich schon darauf, dich zu sehen, aber bleib noch etwas da drin. Versprichst du mir das?" Erneut trat sie gegen die Stelle, an der seine Hand lag. „Und ich verspreche dir, dass deine Mommy dir einen vernünftigen Namen gibt."

Mittlerweile wusste Blake, dass ich nicht vorhatte, meine Tochter nach ihm zu benennen. Doch von meiner Idee, sie Victoria zu nennen, wusste er noch nichts. Ich selbst haderte mit dem Namen. Man könnte annehmen, dass es eine Hommage an meinen Vater wäre und das war das Letzte, was ich wollte. Aber das Bild von Ria hatte sich in meinen Kopf gebrannt. Immer wieder sah ich das kleine Mädchen vor meinem geistigen Auge.

„Wo bist du mit deinen Gedanken?" Während ich mal wieder in einem Tagtraum war, hatte Blake sich aufgerichtet und stand nun nah vor mir, sodass ich zu ihm aufsehen musste.

„Woanders", gestand ich flüsternd.

Die Hand, welche er bis eben auf meinen Bauch hatte, legte er an mein Gesicht und streichelte mit seinem Daumen sanft über meine Wange. „Langweile ich dich?"

Ich konnte nur den Kopf schütteln. Ich traute mich nicht, zu sprechen. Zu groß war die Angst, dass er sich wieder von mir entfernen würde. Dabei genoss ich es, ihm so nahe zu sein.

„Ich würde dich gerne küssen", flüsterte Blake und fuhr mit seinem Daumen leicht über meine Lippen, welche ich bereitwillig etwas öffnete.

„Dann tue es." Nichts wünschte ich mir mehr, als seine Lippen auf meinen.

In dem Moment, in dem ich dachte, dass er mich endlich küssen würde, legte er seine Stirn an meine. „Es tut mir leid, Bambi. Ich kann nicht."

Es fühlte sich an, als hätte er mich geschlagen. Mein Herz schmerzte beinahe mehr als damals, als Earl und meine Familie mich verstoßen hatten. „Du solltest gehen", brachte ich hervor und trat einen Schritt zurück. Ich sah ihm ein letztes Mal in die Augen und ging dann zurück zu Parker ins Wohnzimmer, wo er noch immer mit seinem Spielzeug beschäftigt war und scheinbar nicht mitbekommen hatte, was in der Küche vorgefallen war.

UnbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt