Lya
Es war beinahe wie ein Déjà-vu. Wir saßen seit ungefähr einer Stunde im Wohnzimmer meiner Grandma und niemand sprach ein Wort.
Mein Vater starrte dunkel vor sich hin und vermied jeglichen Blickkontakt mit mir. Er und Grandma führten eine hitzige Diskussion, bevor sie sich dazu entschloss, ihn einfach stehenzulassen und in ihre Küche zu gehen, um zu kochen. Wir sollten den Rest unter uns klären und sie versprach, sich nicht einzumischen.
Ich traute mich nicht, ein Gespräch zu beginnen und entschied einfach zu warten, bis er irgendwann das Wort ergriff. Ich kannte ihn lang genug, um zu wissen, dass er nicht ewig schweigen würde.
Blake schien die Situation entspannter hinzunehmen und blätterte weiter in Fotoalben, von denen Grandma eine Menge besaß.
„Was genau ist Ihre Funktion hier?", richtete Dad seine Worte an Blake. Scheinbar hatte er sich dazu entschieden, zumindest mit ihm ein Gespräch zu führen.
Blake schlug das Album auf seinen Schoß zu und sah zu seinem Gesprächspartner auf. „Ich vertrete Ihre Mutter in Rechtsangelegenheiten."
„Sind Sie hinter ihrem Geld her?"
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Eine solche Frage aus seinem Mund.
„Ich bin daran interessiert, Ihr Vermögen zu schützen. Hailey Garver strebt einen Rechtsstreit mit Ihnen an und sollte dieser zugunsten von Miss Garver ausgehen, wäre Ihre Mutter diejenige, deren Vermögen sich regelrecht verpuffen würde." Blake war durch und durch in seinem Element. Er wirkte wie ausgewechselt und nichts erinnerte daran, dass er sonst ein sehr rücksichtsvoller Mann war.
Dad lehnte sich in den Sessel zurück und schlug seine Beine übereinander. „Also arbeiten Sie im Grunde für die Garver. Wie viel Geld wurde Ihnen geboten? Ich verdoppel es. Sie erinnern sich vielleicht noch daran, dass ich Ihre Dienste bereits angefragt habe."
Blake schüttelte seinen Kopf. „Ich arbeite nicht für Miss Garver, sondern nur für Ihre Mutter. Somit habe ich in gewisser Weise Ihr Angebot doch angenommen."
„Versuchen Sie mich nicht für dumm zu verkaufen!" Aufgebracht erhob Dad sich aus dem Sessel. „Sie führen irgendwas im Schilde und ich werde herausfinden was." Er wandte seinen Blick von Blake ab und sah mich an. „Vermutlich steckst du mit ihm unter einer Decke."
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen, denn die Zweideutigkeit seiner Worte hatte er wohl kaum beabsichtigt. Auch, wenn er damit recht hatte. „Ich bin wegen etwas ganz anderem hier", sprach ich und meine Stimme war erstaunlich klar und wirkte gefestigt. Das war gut, denn ich wollte nicht wie das kleine, verschüchterte Mädchen wirken, zu welchem er und meine Mutter mich erzogen hatten.
„Willst du Geld?" Abfällig sah er auf mich herab.
Ich wollte ihm auf Augenhöhe begegnen, somit stand ich nun ebenfalls auf. „Schon, aber nicht auf die Art, die du vielleicht von mir erwartest." Auf dem Tisch vor mir lagen die Schreiben, welche Blake aufgesetzt hatte. „Ich möchte das Earl mir den Zugang meiner Konten nicht länger verwehrt. Das Geld, welches sich darauf befindet, gehört mir."
„Sollte nachgewiesen werden, dass sich ein Teil ihr Vermögenswerte nicht mehr auf den Konten befindet, werden wir von rechtlichen Schritten Gebrauch machen", klärte Blake meinen Vater auf, während ich diesem das erste Schreiben überreichte. „Das können Sie ihrem Schwiegersohn auch so mitteilen."
„Warum sollte ich das tun?"
„Weil wir davon absehen, Earl Davis wegen vorsätzlichen Ehebruch vor Gericht zu bringen. Stellen Sie sich nur den Medienrummel vor, wenn herauskommen sollte, dass er sich mit der Schwester seiner Frau verlobt. Welche mehrere Monate obdachlos war, während er ihr den Zugriff auf ihr Geld verwehrt hat."
Als Blake meine Obdachlosigkeit erwähnte, sah Dad mit weit aufgerissenen Augen zu mir. Kurz wirkte es, als wollte er etwas sagen, doch schnell hatte seine harte Miene wieder die Oberhand gewonnen. Widerwillig nahm er mir die Papiere ab. „Sonst noch etwas?"
„Sie sollten sich setzen", forderte Blake ihn auf. „Wir sind noch nicht fertig."
Während er sich setzte, griff ich nach der nächsten rechtlichen Aufforderung. Diese bedeutete mir bei Weitem mehr als der Zugang zu meinem Geld. Bevor ich es jedoch überreichen konnte, hörte ich Ria, welche erwacht war. Ich sah zu Blake, der sich erhob, um zu ihr zu gehen.
Rias weinen, lenkte mich ab und es war nicht leicht, es zu ignorieren. Ich hatte das starke Bedürfnis, zu ihr zu gehen, doch es war wichtig, dass ich mich zusammenriss. Mir sollte endlich die Gerechtigkeit zuteilwerden, welche ich verdiente.
„Ich möchte einen Vaterschaftstest."
Belustigt schnaufte Dad auf. „Also ist es wahr. Du hast ein Kind. Willst du, dass dieses Kind Earl genauso auf der Tasche liegt wie du mir?"
Seine Worte trafen mich, aber ich durfte nicht nachgeben und Schwäche zeigen. „Es ist nicht Earl, von dem ich einen Test verlange." Vorsichtig händigte ich ihm das Blatt aus. „Du bist es, von dem ich einen Vaterschaftstest fordere."
„Das ist ein Scherz. Deine Mutter hat doch bereits zugegeben, dass du aus einer Affäre entstanden bist."
Ich hob meine Hand und unterbrach ihn. „Wenn ich es damals richtig verstanden habe, hat sie lediglich zugegeben, dass eine ihrer Töchter aus einer Affäre stammt, aber nie explizit erwähnt, welche es ist."
Er lachte kurz sarkastisch auf. „Du willst deine arme Schwester da wirklich mit hineinziehen?"
„Ach bitte. Nun tu nicht so, als ob sie es gewesen ist, die jahrelang auf alles verzichten musste." Wann Grandma den Raum betrat, wusste ich nicht, doch sie hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Ich nahm also an, dass sie uns zumindest einige Zeit lang belauscht hatte. „Bleibst du zum Essen?", fragte sie Dad und ignorierte unser vorangegangenes Gespräch.
„Nein. Ich werde mich bald auf den Rückweg machen. Ein anderes Mal gerne."
Es war verblüffend, wie gewisse Dinge in unserer Familie einfach verschwiegen oder ignoriert wurden. Auch wenn Grandma ihm eine ordentliche Ansage gemacht hatte, hieß es nicht, dass sie nicht mehr als Familie zusammen essen konnten. Es war schon immer so, dass geschäftliches und privates streng getrennt wurde.
„Ich glaube, sie wollte einfach nicht mehr alleine sein." Blake kam mit Ria auf den Arm ins Wohnzimmer und legte sie vorsichtig auf das Sofa. Um sie herum drapierte er Kissen, damit sie nicht herunterfallen konnte. „Ich helfe dir dabei den Tisch zu decken." Er ließ uns zurück und lief hinter Grandma in die Küche.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es ihr gut ging, sah ich so unauffällig wie möglich zu Dad, der sie aber zu ignorieren schien. „Du kannst den Arzt frei wählen. Ich möchte nicht, dass du denkst, ich würde an das Ergebnis in irgendeiner Weise beeinflussen."
Er nickte und sah auf die Schreiben, welche er in seinen Händen hielt. „Wenn du darauf bestehst."
„Bevor du gehst, kannst du noch kurz hier bei ihr bleiben? Ich geh schnell auf die Toilette."
„Bin ich etwa ihr Babysitter?", erboste er sich, doch ich war bereits auf dem Weg zum Badezimmer.
Vielleicht verbrachte ich absichtlich etwas mehr Zeit als benötigt im Badezimmer. Er würde ihr schon nichts antun. Im schlimmsten Fall würde er sie einfach weiter ignorieren. So leise wie möglich näherte ich mich dem Wohnzimmer, während ich das geschäftige Treiben aus der Küche hörte.
Durch die Spiegelung des Fernsehers konnte ich einen guten Blick auf die beiden erhaschen und was ich dort sah, überraschte mich wirklich. Dad stand über sie gebeugt und Ria nuckelte an seinem Zeigefinger. Sie tat es öfters, doch bisher hat sie es nie bei ihr fremden Personen getan.
„Sie heißt Victoria."
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Unbreakable
RomanceSolange sie denken kann, bevorzugt Lyas Familie ihre kleine Schwester. Scheinbar auch ihr eigener Ehemann. Earl will sich von Lya scheiden lassen, um ihre jüngere Schwester heiraten zu können und niemand in der Familie scheint ein Problem damit zu h...