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3 Wochen später
Lya

Seit drei Wochen hatte ich Blake nicht mehr gesehen und ich vermisste ihn. Nach meiner Beichte, dass Victor Torrez mein Vater war, hat er mir ein Versprechen abgenommen. Seitdem war er wie vom Erdboden verschluckt. Wir schrieben uns zwar einige Male, aber sonst war es ruhig.

„Also nur damit ich es verstanden habe: deine Familie ist steinreich und du bist obdachlos?" Jenny saß neben mir auf einer Bank und trank aus einem Thermobecher ihren Kaffee. „Parker, lass das liegen!" Sie hatte immer einen Blick auf ihren Sohn, der auf dem Spielplatz regelrecht aufdrehte.

„Eigentlich will ich diese Leute nicht als meine Familie bezeichnen", gab ich zu, „aber die kann man sich nicht aussuchen."

„War es denn so schlimm?"

„Nein, nicht immer", begann ich meine Erzählung, während ich ebenfalls Parker im Blick hatte. „Ich war eigentlich die Prinzessin und mein Vater hat mir jeden Wunsch erfüllt. Das Verhältnis zu meiner Mutter war schon immer etwas distanziert, aber als kleines Kind ist es mir nie so richtig bewusst gewesen. Als ich fünf Jahre alt war, wurde Lindsay geboren und ich war eine stolze, große Schwester, doch sie hatte eine Anämie."

„Die litt an Blutarmut?" Jenny und ich sahen uns nicht an, aber vielleicht machte es mir genau das so einfach, mit ihr über meine Situation zu sprechen.

„Zunächst wollten die Ärzte warten. In vielen Fällen tritt wohl eine Art von spontaner Heilung ein. Doch meine Eltern drängten auf eine Therapie und eine Bluttransfusion, die Lindsays Zustand verbessern sollte. Wer wäre dafür besser geeignet, als die eigene Schwester. Bei einer Voruntersuchung kam dann heraus, dass ich nicht dieselbe Blutgruppe hatte."

„Aber das kann doch vorkommen. Also, dass Geschwister nicht dieselbe Blutgruppe haben", warf Jenny ein.

„Meine Blutgruppe stimmt mit niemandem in meiner Familie überein. Meine Eltern haben beide die Blutgruppe B. Meine Blutgruppe ist jedoch 0. Mein Vater schrie meine Mutter an und sie gab dann zu, dass sie eine Affäre hatte. Danach hat mein Vater mich nie wieder angesehen. Lindsay ist damit aufgewachsen, dass ich der Fußabtreter unserer Eltern war und hat es quasi übernommen."

„Du wurdest für etwas bestraft , auf das du keinen Einfluss hattest. Was sind das nur für Menschen?" Jenny war sichtlich aufgebracht. „Ich versteh das nicht. Warum bleiben deine Eltern denn verheiratet?"

Ich zuckte mit meinen Schultern. „Vermutlich wegen des Geldes, aber ich hatte ja noch meine Großeltern. Sie gaben mir Liebe und Zuwendung. Ich war gerne bei ihnen, denn so konnte ich meinen Eltern und Lindsay entkommen. Kurz nachdem mein Grandpa gestorben war, traf ich Earl und ich habe mich sofort in ihn verliebt. Rückblickend war es mehr als dumm von mir."

Jenny lächelte mich an. „Du hast dich einfach nach jemanden gesehnt, der dich liebt. Wir alle machen mal solche Fehler."

„Aber wie konnte ich nur so verblendet sein? Ich habe meinen Job aufgegeben und gab ihm die Vollmacht über meine Konten. Selbst mein Handy lief auf seinem Namen. Ich war absolut abhängig von ihm."

„Wann ist dein Großvater gestorben?"

Ich atmete tief durch. „Vor etwas mehr als zwei Jahren. Mir ging es wirklich schlecht und plötzlich war Earl da. Anfangs dachte ich, dass eine Beziehung so laufen müsste. Wir haben sehr schnell geheiratet und ich bin zu ihm gezogen. Dann wurde ich schwanger und den Rest kennst du ja."

Jenny nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee. „Was für ein Arschloch", brummte sie. „Aber ich glaube daran, dass wir alle unseren Seelenverwandten finden werden. Also lass den Kopf nicht hängen. Er ist irgendwo da draußen."

Ihre Worte berührten mich sehr. Sie hatte ihren Mann bei einem Verkehrsunfall verloren und trotzdem blickte sie zuversichtlich in die Zukunft. „Denkst du, dass man mehr als einen Seelenverwandten haben kann?"

„Natürlich." Ihre Antwort kam ohne jegliches Zögern und mir kam der Gedanke, dass sie mir etwas verheimlichte.

„Willst du mir was sagen?" Während unseren Ausflügen zu Spielplätzen, war mir bereits aufgefallen, dass Parker öfters einen Onkel erwähnte.

Jenny hatte einen verträumten Blick und ein großes Lächeln im Gesicht. „Sein Name ist Mark. Wir treffen uns seit einigen Wochen. Er hat seine Frau an Krebs verloren und zieht seine Tochter alleine groß. Parker und sie verstehen sich großartig."

„Ich freu mich für dich." Wir umarmten uns und lächelten beide. „Wie habt ihr euch kennengelernt?"

„Er ist Kinderarzt. Genauer gesagt Parkers Arzt. Irgendwann hat er mich gefragt, ob wir mit den Kindern auf den Spielplatz möchten und seitdem sehen wir uns auch außerhalb seiner Praxis. Ich habe mir anfangs gar nichts dabei gedacht." Sie hielt sich vor Scham die Hände vors Gesicht.

„Manchmal dauert es eben etwas, bis man sowas bemerkt."

Bevor sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkte, sah noch einmal kurz zu Parker, der auf dem Klettergerüst tobte. „So wie bei dir und Blake?"

„Was?" Selbst ich konnte heraushören, dass meine Stimme vier Stufen höher war und vermutlich sprach mein Gesicht bände.

„Ich bin nicht blind. Seitdem du im Zentrum lebst ist er ziemlich oft dort und im Gegensatz zu den anderen weiß ich, dass er nicht schwul ist. Mark kennt ihn über gemeinsame Freunde."

„Er ist nicht schwul?" Mein Kopf musste aussehen wie eine Tomate. Er hatte mich in Unterwäsche gesehen und in der Nacht meiner Panikattacke, hatten wir gemeinsam in einem Bett geschlafen. Ich trug in dieser Nacht keine Hose und er hielt mich in seinen Armen. „Oh nein! Das ist nicht gut!"

„Ach komm schon. Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass er am anderen Ufer fischt." Jenny schien ihren Spaß an der Situation zu haben, während ich im Boden versinken wollte. „Ich bin der Meinung, dass ihr ein großartiges Paar abgeben würdet."

„Du vergisst anscheinend meine Schwangerschaft und meine Tochter ist nicht seine", äußerte ich meine Bedenken.

„Mommy, ich hab Durst." Parker kam zu uns gelaufen und Jenny reichte ihm eine Flasche mit Fruchtsaft, aus welcher er gierig trank.

„Langsam. Nicht dass du dich verschluckst", lachte ich.

Parker, der noch immer trank, nickte mit seinem Kopf. Als er fertig war, gab er die Flasche an Jenny zurück und blieb vor uns stehen. Dabei fiel mir auf, dass er verstohlen auf meinen Bauch sah.

„Möchtest du meinen Bauch mal anfassen?", bot ich ihm an und Parker schien von meinem Vorschlag begeistert zu sein. Ich öffnete meine Jacke und vorsichtig kam er mit seinen Händen näher. „Warte, sie tritt gerade." Mit meinen Fingern zeigte ich auf die Stelle und beinahe ehrfürchtig legte er seine kleinen Hände auf die Stelle.

„Wow! Braucht das Baby mehr Platz?" Parker sah mit einem großen Lächeln auf seine Hände.

„Wahrscheinlich", antwortete ich ihm. „Mein Bauch wird aber noch größer."

Kurz schien Parker über etwas nachzudenken, dann nahm er seine Hände wieder weg. „Lya, wie ist das Baby in deinen Bauch gekommen?"

UnbreakableWo Geschichten leben. Entdecke jetzt