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Lya

Kaum hatte ich die neunzig Prozent erwähnt, brach ein Tumult los. Earl und Lindsay fielen sich lachend in die Arme und wähnten sich scheinbar am Ziel ihrer Träume. Wenn die beiden nur wüssten, was auf sie zukam.

Auch meine Mutter ließ es sich nicht nehmen, sich mit den beiden zu freuen. Nur mein Vater schien diese Information regungslos hinzunehmen. Ich hatte ihm mit einem Satz die Firma genommen, welche er sich über so viele Jahre aufgebaut hatte, und in diesem Moment spürte ich es. Dieses kleine bisschen Mitleid, welches sich wieder für ihn bemerkbar machte.

Während die anderen sich und ihren vermeintlichen Erfolg noch feierten, saßen wir uns weiter gegenüber und sahen uns an.

„Das war ein wirklich guter Schachzug von dir", lobte er mich und trug ein leichtes Lächeln.

Warum lächelte er? Ich ging davon aus, dass er ausflippen würde, Dinge durch die Gegend flogen oder er mir Vorwürfe machte. Doch er schien den Jubel der anderen auszublenden und lächelte.

„Ich wusste nicht, dass er und Lindsay diesen Plan hatten."

Ich nickte ihm zu, denn tief in meinem Inneren glaubte ich seine Aussage. „Meinst du, sie wusste es?", fragte ich und schielte zu meiner Mutter rüber.

Er nickte. „Das würde zu ihr passen."

Earl rief immer wieder, dass er reich wäre und Lindsay schien sich ebenfalls auszumalen, was sie mit so viel Geld anstellen würde. Ich wartete einfach, bis sich die drei wieder beruhigt hatten, um dann zu meinem letzten Schlag auszuholen.

Mittlerweile hatten sich die beiden Anwälte eingefunden und nahmen am Kopfende des Konferenztisches platz. Sie sahen zwar mit einer gewissen Skepsis zu dem Schauspiel, welches sich vor ihren Augen abspielte, schwiegen jedoch.

Es dauerte noch einige Momente, bis sich alles beruhigt hatte und jeder wieder auf seinem Platz saß. Doch sobald sein Hintern das Polster des Stuhls berührte, fiel Earl wieder ein, was er wollte.

„Gib mir mein Geld!", forderte er und erneut musste ich lächeln.

„Niemals hat sie so viel Geld, um dich auszahlen zu können. Sie sollte uns ihre Anteile geben." Natürlich musste sich nun meine Mutter einmischen. „Dann bleibt es in dir Familie und wir sind dich endlich los."

„Sie sollten zuerst das Ergebnis des Vaterschaftstests abwarten." Blake diskutierte die nächste Minute mit meiner Mutter und lieferte sich einen regelrechten Schlagabtausch mit ihr. Aus den beiden würden wohl keine Freunde mehr werden.

„Jetzt mach schon. Dann können wir endlich von hier verschwinden", forderte Earl.

Mein Vater sah erneut zu Earl herüber. „Hatte ich dir nicht erklärt, was mit dir passiert, wenn du noch einmal unaufgefordert sprichst?"

Das überhebliche Grinsen wich aus Earls Gesicht und er sah verlegen auf seinen Schoß. Aber nun war es meine Mutter, welche unruhig auf ihrem Stuhl rutschte. Konnte es wirklich sein, dass sie uns alle über all die Jahre belogen hatte?

„Bevor wir weiter darüber sprechen, was mit den Anteilen oder dem Geld passiert, möchte ich das Ergebnis erfahren", sprach ich und sah erneut zu den beiden Anwälten, während meine Hand wieder halt bei Blake suchte.

Der Anwalt meines Vaters räusperte und erhob sich von seinem Stuhl. „Dann verlese ich nun das Ergebnis. Mister Shutter beglaubigt, dass der Umschlag ungeöffnet und nicht beschädigt ist."

Mein Anwalt nickte und sah dabei zu, wie der Umschlag geöffnet wurde und ein Stück Papier zum Vorschein kam.

„Getestet wurden Victor Torres als möglicher Vater und Lya Davis als mögliche Tochter. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 Prozent stimmt das Erbgut überein und somit gilt die Vaterschaft als praktisch erwiesen."

Ich schloss meine Augen und lehnte meinen Kopf an Blakes Schulter, welcher seine Arme um mich legte. „Wir haben es geschafft", flüsterte er in mein Ohr.

Mit einem Nicken bestätigte ich seine Aussage und sah dann zu meinem Vater, welcher nun wirklich mein Vater war. Er hatte die Augen geschlossen und eine Faust an seinen Mund geführt.

„Was soll das heißen?", durchbrach Lindsay irgendwann die Stille. „Ich dachte, dass Lya der Bastard ist."

Meine Mutter sprach kein Wort und traute sich auch nicht, zu meinem Vater oder zu mir zu sehen.

„Du hast es all die Jahre gewusst, oder?" Dad forderte nun eine Antwort auf die Frage, welche mich selbst am meisten quälte. Wusste sie es tatsächlich in all den Jahren?

„Sie war noch ein Baby und ich wollte sie doch nur beschützen!", rief sie.

„Du hast zugelassen, dass ich meine eigene Tochter verstoße!", donnerte er. „Du hast wissentlich unsere Familie zerstört, weil du deine Beine nicht zusammenhalten konntest!"

„Daddy!", versuchte Lindsay ihn zu beruhigen, doch er wich ihrer Berührung aus.

„Ich will dich und dein Gesicht nie wieder sehen. Sieh zu, dass du mein Haus verlässt und nimm Lindsay und diesen Abschaum gleich mit. Denke an unseren Ehevertrag, denn du wirst keinen Cent von mir bekommen."

Mutter schien den Verstand verloren zu haben und lachte hysterisch. „Was willst du? Lindsay ist meine Tochter und Earl, ihr Verlobter. Lya hat ihm das Geld der Anteile zugesprochen. Wir haben also mehr als genug Geld und sind auf dich nicht mehr angewiesen. Deine Firma wird uns gehören und du kannst nur dabei zusehen."

„Da muss ich dich leider unterbrechen", schaltete ich mich ein. „Denn meine neunzig Prozent habe ich bereits verkauft."

Entsetzt sah sie zu mir. „An wen? Wer hat diese Menge an Geld, dass er dir die Anteile abkaufen könnte?"

„Hailey Garver von SummerStyles ist nun neue Hauptaktionärin. Diese Lösung sagte ihr mehr zu, als Torres vor Gericht zu zerren", flötete ich fröhlich und sah dann zu meinem Anwalt. „Würden Sie den Herrschaften bitte den Scheck überreichen?"

Mister Shutter nickte und förderte den verlangten Scheck zum Vorschein. „Meine Mandantin ist so großzügig und überlässt Ihnen die gesamte Summe des Verkaufs." Daraufhin schob er das kleine Stück Papier über den Tisch und es wurde ihm von Lindsay regelrecht unter den Händen weggerissen.

„Soll das ein Witz sein?", fauchte sie.

Mit einem breiten Grinsen schüttelte ich meinen Kopf. „Ganz und gar nicht. Ich hatte noch nie viel Geld, also warum sollte ich daran etwas ändern?"

Meine Mutter nahm ihr den Scheck ab und bekam große Augen, als sie die Summe sah. „Du hast deine Anteile für zehn Dollar verkauft?"

„Du musst mir Unterhalt zahlen!", versuchte nun Earl seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

„Sie hätten die Vereinbarung besser lesen sollen. Sie verzichten auf alles, solange Sie das Geld aus dem Verkauf bekommen", erklärte Blake und konnte sich das Lachen nur schwer verkneifen.

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