12 - Blutwurst vs. Austern

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Mein Herz macht eine Freudenpirouette und ich muss mir eine Hand an die Brust legen, um das Flattern unter Kontrolle zu bekommen. Erst jetzt, wo ich so neben ihm stehe, erkenne ich, wie gross er eigentlich ist. Er überragt mich mindestens um zwei Köpfe. Ich habe eine Schwäche für grosse Männer!

Ich mustere ihn unauffällig von der Seite. Heute trägt er keine Uniform.

An seine muskulösen Beine schmiegt sich eine Ripped-Jeans. Dazu trägt er weisse Sneakers und ein graues Shirt, an welchem er die langen Ärmel an den Ellbogen zurückgekrempelt hat. Seine dunkelbraunen Haare liegen in einem klassischen Short Cut. Dabei hängen ihm ein paar Strähnen in die Stirn. Den Dreitagebart von letzter Woche hat er dieses Mal ordentlich rasiert. So sieht er etwas jünger aus, aber nicht so bubenhaft, wie andere Männer ohne Bart. Die Gesichtszüge sind noch immer scharfkantig.

Bei seinem Anblick seufze ich etwas verträumt in mich hinein. Was ist nur an Chris dran, dass mich seine pure Anwesenheit so aus der Fassung bringt?

Er hält sein Telefon in der Hand und stiert konzentriert darauf, sodass er nichts von meinem Starren mitbekommt.

Ich presse meine Lippen zusammen und überlege mir, ob ich ihn ansprechen soll. Aber da schleichen sich auch schon die altbekannten Selbstzweifel an. Soll ich überhaupt etwas sagen, oder soll ich ihn lieber in Ruhe lassen? Will der überhaupt angesprochen werden? Soll ich in anstubsen? Der ist eh schon vergeben und wird mich zum Teufel jagen. Was, wenn er schwul ist? Meine Gedanken schwirren unkontrolliert durch meinen Schädel.

Während die Verkäuferin im Lager nach meinen Würsten sucht, wird Chris von einer freundlichen und zu meinem Ärger recht attraktiven jungen Dame bedient. Fischverkäuferinnen waren mir noch nie sympathisch und jetzt schon gar nicht mehr! Meine Hände klammern sich fester um das eiserne Gitter des Einkaufswagens.

„Lassen Sie los!", motzt dessen Besitzerin neben mir und reisst mich aus meinen Gedanken.

„Oh, äh ... Sorry", stottere ich und ziehe meine Hand an meinen Körper.

Die Fleischverkäuferin kommt endlich aus dem Kühllager zurück und hält eine vereiste Tüte in ihren Händen.

„Sie haben Glück!", meint sie. „Die hier habe ich ganz hinten gefunden."

Sie streckt mir die Tüte hin, damit ich meine Nase reinstecken und mir ein Bild von den Blutwürsten darin machen kann. Ich rümpfe die Nase, denn mir gefällt nicht, was ich hier sehe. Die Fleischdame will mich wohl veräppeln. Sie zeigt mir zwei sehr traurige Exemplare, die mehr Ähnlichkeit mit einem vertrockneten Haufen Kot aufweisen, als mit etwas Essbarem.

„Diese sind mir aber zu dünn", meckere ich. „Ich mag meine Würste dick, saftig und mit der richtigen Krümmung!"

Am Blick der Verkäuferin erkenne ich, dass ich ihr mit meinem Kommentar den Tag vermiest habe. Ihr Gesicht läuft rot an und sie fängt an zu dampfen.

„Das sind die einzigen zwei Blutwürste in diesem Laden", sagt die Dame und ich bin schwer beeindruckt, wie sie sich noch zusammenreissen kann, wo sie doch aussieht, als wolle sie mir an die Gurgel gehen.

„Die sind mir aber nicht gut genug!", protestiere ich furchtlos. Die wird mir schon nichts anhaben können. Ich bin schliesslich die Kundin.

Ihre Wangen sind nun tiefrot angelaufen und ich will mich schon ducken, denn gleich schleudert es mir ihre Gedärme um die Ohren. Die muss bald explodieren. Sie holt tief Luft.

„Das ist mir WURSCHT! Dann gehen Sie doch in den nächsten Laden und fragen Sie dort!", kreischt sie mich an.

Da hat jemand aber einen wirklich schlechten Tag erwischt. Jetzt haben wir wahrscheinlich die Aufmerksamkeit des ganzen Ladens auf uns gezogen. Das lasse ich aber nicht auf mir ruhen. Die Dame will streiten? Das kann sie von mir haben.

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