43 - Lorbeeren

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„Fühlst du dich wieder besser?", fragt mich Patrick, als ich mich auf meinen Arbeitsplatz niederlasse.

Meine Augenringe müssen ihm direkt in die Fresse gesprungen sein. Man sieht mir meine Misere definitiv an. Da hat auch Violas Schminkkunst nicht mehr geholfen, die mir auf dem Gang noch Make-up auf die Wangen pudern wollte. Ich habe mich selbst aufgegeben. Sowas lässt sich nicht verbergen.

„Nein", murre ich und klappe meinen Bildschirm auf.

Eine neue Arbeitswoche steht an, in welcher ich tunlichst überspielen muss, wie schlecht es mir wirklich geht.

„Du, hör mal ..." Er räuspert sich. „Viola hat mir erzählt, was passiert ist."

„Verräterin", knurre ich in mich hinein.

Privatsphäre ist für diese Barbie manchmal echt ein Fremdwort. Mir wäre es am liebsten, wenn niemand von meinem kaputten Liebesleben erfahren würde. Ganz besonders Patrick nicht. Aber Viola musste natürlich plappern.

„Zu ihrer Verteidigung – ich habe sie genötigt, mir mehr Informationen zu geben. Kannst also auf mich sauer sein und nicht auf sie."

„Hmpf."

Mehr als das kriege ich gerade nicht hin, denn mir ist nicht nach reden. Patrick fährt jedoch von meiner Laune völlig unbeeindruckt fort:

„Was ich dir aber sagen wollte: Dieser Typ ist ein Arschloch. Wie hiess er nochmal? Christopher? Christian?"

„Bitte, Patri–", möchte ich ihn stoppen, aber mein Kollege labert einfach weiter.

„Ich sage dir jetzt nicht, dass ich's dir ja eigentlich schon von Anfang an gesagt habe ... aber eins ist klar: Dieser Kerl ist der grösste Idiot auf Erden! So eine Frau wie du, Emma, die wirft man nicht einfach weg. Ich hätte sowas nie mit dir getan. Er wird das bitter bereuen."

„Ähm", versuche ich zu antworten, aber ich fühle mich überrumpelt.

Patricks Worte sind lieb und ich spüre, dass er aufrichtig mit mir ist. Er meint es so und ich merke in dem Moment, dass es genau das ist, was ich hören muss. Es tut meinem lädierten Selbstbewusstsein gut.

Langsam streiche ich mir eine Strähne hinters Ohr, schaffe es aber nicht, hochzublicken. Zu sehr muss ich gegen meine innere Trauer ankämpfen.

Ich höre, wie sich Patrick auf seinem Stuhl bewegt.

„Was aber viel wichtiger ist gerade ...", meint er dann, als hätte er gespürt, dass es besser wäre, wenn er das Thema wechselt. Das Mitleid in seiner Stimme verfliegt und weicht einer vielversprechenden Positivität.

„Ich habe eine gute Nachricht für dich", verkündet er.

Ich blicke erstaunt hoch und begegne seinen grünen Augen, die mich so freundlich mustern. Ein leichtes Schmunzeln kräuselt seine Lippen und einmal mehr stelle ich fest, dass Patrick echt attraktiv ist. Jetzt, wo ich es aus meiner verzauberten Liebeswolke geschafft habe, sehe ich die Welt wieder klarer. Mein Arbeitskollege ist tatsächlich ein gutaussehender, junger Mann.

„Eine gute Nachricht?", frage ich, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendwelche tolle Neuigkeiten auf mich warten könnten. Mein Leben ist ein reiner Scherbenhaufen.

Patricks Grinsen wird breiter. Siegessicher.

„Eine sehr gute sogar! Du hast dein Verkaufsziel letzte Woche erreicht."

Ich blinzle verwirrt und lege den Kopf schief. Das ist schlicht unmöglich.

„Wie denn?", bringe ich hervor. „Ich war doch krank. Letztes Mal, als ich nachgeschaut habe, fehlten mir noch mindestens 4'000 Franken."

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