„Hier zeigen wir Ihnen, wie man Gemüse schneidet", erklärt mir die Männerstimme aus dem Video. „Wir werden Karotten verwenden, um Ihnen die sieben wichtigsten Techniken zu zeigen."
Ich stehe mit dem Schäler in der rechten Hand und einer Karotte in der linken an meinem Esstisch und starre auf die Bilder im YouTube-Video. Das Tutorial muss ich auf halbe Geschwindigkeit reduzieren, damit ich den Anweisungen überhaupt folgen kann.
„Von Scheiben und Stäbchen bis hin zu Würfeln."
Die Kamera im Video fliegt über die bereits geschnittenen Karotten und ich muss leer schlucken. Gemüse schneiden ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber ich habe beschlossen, für morgen Abend mindestens ein wenig zu üben. Ich kann mir die Blamage vor Chris ja wirklich nicht leisten. Auch wenn ich selbst nicht viel vom Kochen halte, ist es mir irgendwie peinlich, dass ich es nicht kann.
Er hatte den Anschein gemacht, als beherrsche er dieses Handwerk ziemlich gut. Damit ich mindestens ein bisschen mithalten kann, bin ich heute nach der Arbeit gleich wieder in den Migl gerannt und habe mir Gemüse gekauft. Übung macht schliesslich den Meister. Den grimmigen Blick der Fleischdame, die mich gesehen und offenbar wiedererkannt hatte, habe ich dabei sehr gekonnt ignoriert. Ich war dieses Mal ja nicht fürs Fleisch da, sondern fürs Gemüse.
Heute war Patrick nicht im Büro, weil er seinen Chef auf einen externen Anlass hat begleiten müssen. Ich war froh drum, denn so musste ich ihm nicht ständig aus dem Weg gehen.
Ich atme entschlossen aus und horche den Anweisungen aus dem Video.
„Als erstes schälen wir die Karotte mit einem Schäler", instruiert mich der Herr. „Das machen wir mit durchgehenden Strichen von der Oberseite bis zur Spitze, damit sie eine hübsche, gleichmässige Form erhält."
Ich ahme die Bewegungen nach. Immer wieder huschen meine Augen zwischen meinen Fingern und dem Video hin und her. Das ist mir irgendwie zu hektisch. Bei mir lässt sich die Karotte nicht so geschmeidig schälen, wie bei dem Typen im Video und ich stöhne nach kurzer Zeit schon frustriert auf.
Da das Video natürlich selbst in Zeitlupe für mich viel zu schnell läuft, haue ich auf die Pausentaste und schäle die sieben Möhren, die ich gekauft habe. Als ich fertig bin, betrachte ich mein Werk. Meine Karotten sehen übel zugerichtet aus.
Ich seufze und starte das Video wieder.
„Dann nehmen wir ein sehr scharfes Kochmesser und beginnen mit der ersten Technik."
Uh, jetzt wird's lebensgefährlich für mich. Ich werfe den Schäler laut scheppernd in die Spüle und greife zum Messer. Dann ahme ich auch das mit allergrösster Vorsicht nach, was mir der geschickte Mann aus dem Video zu zeigen versucht.
Ich scheitere kläglich. Die Ringe, die es geben soll, sind alle unterschiedlich dick und gleichen eher ein paar Rhomboiden als schönen Rondellen.
„Verdammte Kacke!", fluche ich und werfe das Messer von mir.
Eigentlich wollte ich es auf die Tischplatte werfen, aber da meine Wurfkünste auch zu wünschen übrig lassen, trifft der Messergriff die Kante, sodass es nicht elegant auf dem Tisch landet, sondern mir mit spitzer Klinge zuerst auf den Fuss fällt.
Der markerschütternde Schrei, der mir aus dem Hals entkommt, hallt durch meine Wohnung. Ein lautes Poltern aus Toms Zimmer lässt mich vermuten, dass er meinen Todesschrei gehört haben muss. Seine Tür wird aufgerissen und er stürzt heraus.
„Emma! Was ist passiert?", ruft er, als er in die Küche rennt.
Ich hüpfe auf einem Bein auf und ab und halte mir die Hände auf die Wunde. Es blutet. Ich habe ein Blutbad angerichtet.
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Herzbruchversicherung
ChickLitAls Emma eines Tages in der Schleuse ihres Arbeitgebers stecken bleibt und beinahe schon ein Testament ihrer Freundin per WhatsApp schreibt, lernt sie den reifen Feuerwehrmann Chris kennen, der sie aus der Situation rettet. Tage später, nachdem Emma...