48 - Ausnüchterung

3.5K 262 889
                                    

Eigentlich habe ich mir meinen Abgang von Chris cool vorgestellt. Ehren- und würdevoll zugleich. In meinem Kopf sah meine dramatische Pirouette und das arrogante Zurückwerfen meiner Haare richtig bad girl-mässig aus.

Was ich in meinem betrunkenen Zustand natürlich nicht einberechnet habe, ist die Instabilität meiner hochhackigen Schuhe. Da ich recht energisch mit den Fersen voran von dannen marschiere, gibt der linke Absatz meiner Pumps beim dritten Schritt nach und knickt um.

Begleitet von einem brechenden Geräusch meines Schuhes sacke ich mit dem Fuss ein. Mein Knöchel gibt dem Boden einen kurzen Kuss, ehe mein ganzer Körper folgt und ich mit ausgestreckten Armen der Länge nach auf den Gehsteig knalle – eine nicht ganz so elegant ausgeführte Schwalbe sondergleichen, würde man mir jetzt im Fussball unterstellen.

Ich fluche laut, als ich einen seitlichen Bauchklatscher auf den Asphalt mache. Dank des Tequilas spüre ich zum Glück nicht so viel. Der betäubt wirklich alle meine Sinne.

So gut es in dem engen Röhrenrock geht, rapple ich mich wieder auf. Ich torkle leicht vor und zurück. Ein Blick zu meinem Fuss genügt – der Schuh ist dahin, der Absatz gebrochen.

„Autsch!", murmle ich und reibe mir die Hüfte, die nach meinem Knöchel als erstes den Beton berührt hat.

Bevor ich den Kopf drehen kann, um zu sehen, ob Chris meinen peinlichen Sturz bezeugen konnte, spüre ich schon, wie sich seine Arme um meinen Körper schlingen und ich plötzlich den Boden unter meinen Füssen verliere. 

„Hey, was soll das?", kreische ich entsetzt, als ich realisiere, dass mich Chris aufgehoben hat.

Mein Kopf prallt an seine Schulter und ich muss mir deswegen die Schläfe massieren. Was muss der auch so grob sein!

„Betrunken bist du sturer als ein verdammter Esel!", mault er und trägt mich in die entgegengesetzte Richtung, in die ich eigentlich gehen wollte.

Weg vom King's.

Das merke ich nach ein paar Sekunden und so beginne ich wilder in seinen Armen zu zappeln. Der hat mich gefälligst runterzulassen! Ich bin doch kein Reissack.

„Lass mich los!", rufe ich.

„Nein, sonst tust du dir nur noch mehr weh. In diesem Zustand gehörst du in eine Kissenburg gestopft", grummelt er und läuft auf seinen Wagen zu.

Ich erkenne den schwarzen Mazda und versuche, mich vehementer zu wehren. Der wird doch jetzt nicht ...?

„Lass mich runter! SOFORT!", herrsche ich ihn an.

Chris starrt geradeaus und läuft zielstrebig zu seinem Auto.

„Nein", sagt er bloss.

Mit einer Hand öffnet er die Beifahrertür. Das hier ist eine Entführung! Chris will mich einfach mitnehmen. Das geht nicht, warnt mich mein Unterbewusstsein.

Ich plumpse auf den Beifahrersitz, als er mich in sein Auto wirft. Den kaputten Schuh schmeisst er mir vor die Füsse.

„Was erlaubst du dir eig–?", maule ich, aber da knallt er mir schon die Tür vor der Nase zu.

Gerade, als ich den Türgriff berühren will, um mich aus seinem Auto zu retten, höre ich, wie er die Zentralverriegelung betätigt. Fassungslos starre ich ihn durch die Windschutzscheibe an. Er hat auf den Knopf an seinem Autoschlüssel gedrückt und mich hier eingesperrt!

„DAS IST FREIHEITSBERAUBUNG!", brülle ich so laut, damit er es selbst durch die Karosserie seines Wagens hört.

Chris zuckt ab meinem Gejaule nur mit den Schultern, öffnet dann die Fahrertür und startet den Wagen. Das Auto setzt sich in Bewegung, ohne dass ich irgendwas dagegen unternehmen kann.

HerzbruchversicherungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt