„Rate mal, wer sich dazu entschieden hat, eine Hausratsversicherung bei uns abzuschliessen?", fragt mich Patrick breit grinsend.
Ich blicke von meinen Unterlagen auf.
„Keine Ahnung, aber du wirst es mir eh gleich sagen", antworte ich.
„Der Von Siebenthal!"
Patrick strahlt vor Freude, sodass ich davon fast einen Sonnenbrand bekommen könnte. Ich stehe auf und blinzle ihn ungläubig an. Die Offerten, die ich soeben sichten wollte, schiebe ich zur Seite.
„Ist nicht wahr?", stosse ich aus.
Maximilian Justus von Siebenthal ist ein unverschämt wohlhabender Kunde, dem ich vor einer Woche eine Versicherung offeriert habe. Beim Kundenbesuch in seiner Villa wurden wir von zwei Bediensteten flankiert und in ein pompöses Wohnzimmer geleitet, wo man uns schliesslich Champagner einschenkte. Maximilian von Siebenthal ist ein reicher Schweizer, wie es im Buche steht. Ein alleinstehender, halb gutaussehender Geschäftsmann und Graf einer längst verblassten Adelslinie.
Ein Traum vieler Goldgräberinnen.
Mich stimmte sein riesiges Haus, das ohne Menschen viel zu enorm und ausgestorben wirkte, eher traurig. Nichtsdestotrotz habe ich bei dem Termin einmal mehr so richtig Gas gegeben und alle Register gezogen, um ihn von unseren Leistungen zu überzeugen.
„Doch! Der hat dir aus der Hand gefressen. Er hat alles genau so abgeschlossen, wie du es ihm vorgeschlagen hast! Inklusive Kunstsammlung!", sagt Patrick, wirft mir den unterschriebenen Versicherungsvertrag vor die Nase und lässt sich auf seinen Stuhl nieder.
Ich blicke noch immer überrascht auf die Papiere. Tatsächlich. Die elegante, geschwungene Unterschrift des Adligen ziert den Vertrag, den ich ihm unterbreitet hatte.
„Ein Wunder, dass der nicht gleich mit einem Wachssiegel unterschrieben hat", scherze ich und befördere die Police auf meinen Papierhaufen.
Der Stapel meiner abgeschlossenen Verträge wird immer grösser, was bedeutet, dass mein Ziel bald zum Greifen nahe ist. Nicht mehr lange und ich kann mich wieder vom Vertrieb verabschieden.
Gerade als ich meinen Taschenrechner hervorholen möchte, um auszurechnen, wie hoch der restliche Betrag ist, den ich noch einbringen muss, werden wir von Julia Gerbers neuer Assistentin unterbrochen.
Ein schüchternes, blondes Mädchen mit sanften Locken steht vor uns. Sie sieht aus wie ein kleiner Engel und ich meine mich daran zu erinnern, dass ihr Name Gabriela war. Oder war es Helena?
„Entschuldigung. Frau Schmidt?", sagt sie mit glockenheller Stimme.
„Hm, ja?" Ich lege den Kopf schief.
Die Assistentin wirkt unglaublich schüchtern. Kaum zu glauben, dass diese Seraphin den personifizierten Teufel bei der Arbeit unterstützen soll.
„Frau Gerber möchte Sie sprechen. Jetzt sofort."
Patrick und ich tauschen überraschte Blicke aus. Ich liege mit meinem Verkaufsziel gut in der Zeit. Julia hat keinen Grund, mich noch mehr unter Druck zu setzen. Dementsprechend ist es mir schleierhaft, was sie von mir wollen könnte.
„Warum denn?", frage ich, denn so schnell lasse ich mich nicht auf diese Aufforderung ein. Die liebe Assistentin soll sich bitteschön erklären.
„Sie meinte, es sei eine private Angelegenheit. Es klang wirklich sehr dringlich", antwortet mir Gabriela-Helena.
Ich stutze. Eine private Angelegenheit? Vielleicht sollte ich das hier ernster nehmen, als zuerst angenommen. Ich räuspere mich und verlagere das Gewicht von einem Fuss auf den anderen.
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Herzbruchversicherung
ChickLitAls Emma eines Tages in der Schleuse ihres Arbeitgebers stecken bleibt und beinahe schon ein Testament ihrer Freundin per WhatsApp schreibt, lernt sie den reifen Feuerwehrmann Chris kennen, der sie aus der Situation rettet. Tage später, nachdem Emma...