38 - Beim Frauenarzt

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„Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?", fragt mich Chris, als ich aus seinem Wagen steigen will.

Das hohe Krankenhausgebäude, auf dessen Parkplatz wir stehen, erhebt sich vor uns. Der Himmel ist grau. Die letzten sonnigen Sommertage neigen sich dem Ende zu. Es ist dennoch schwül und richtig heiss. Ich lehne mich über die Mittelkonsole seines Wagens, damit ich in seine schönen braunen Augen blicken kann.

„Ja, ich bin mir sicher. Keine Sorge. Ich war in meinem Leben bereits tausend Mal beim Frauenarzt. Ganz alleine. Ich werde hier schon wieder lebendig rauskommen. Ist ja nur die Jahreskontrolle."

„Ich hoffe, die können dir helfen." Er seufzt und verstärkt seinen Griff um das Lenkrad. Sein ernster Blick gemischt mit der gefurchten Stirn entlocken mir ein sanftes Schmunzeln.

„Werden die bestimmt."

Seit zwei Wochen schlafen Chris und ich nun schon regelmässig miteinander. Wir sind schlimmer als die Rammler auf einem Kanninchenhof. Ich habe das Gefühl, dadurch in meiner Sportlichkeitsskala auf die höchste Stufe gestiegen zu sein, denn so viel Bettsport in so wenig Zeit habe ich wirklich noch nie getrieben. Selbst nicht mit meinem ersten Freund.

Chris und ich können einfach nicht genug voneinander kriegen. Meist beginnen unsere gemeinsamen Tage unschuldig und harmlos, verwandeln sich dann aber irgendwann ins Gegenteil. Wir sind wie zwei Koks-Süchtige, denen man den guten Stoff unter die Nase gerieben hat und die sich in einen Rauschzustand begeben haben, aus dem sie nicht mehr rauskommen wollen. Ich bin auf einem rosa Dauer-High.

Der Sex mit ihm befördert mich in andere Dimensionen, welche von der Wissenschaft noch nicht entdeckt wurden. Ich müsste meine übersinnlichen Erfahrungen mit ihm wirklich mal dokumentieren. Vielleicht wird es mir die Menschheit irgendwann danken.

Seit drei Tagen habe ich allerdings Schmerzen. So stark, dass ich bei unserem letzten Mal laut aufgeschrien habe, weil ein heisser Stich durch meinen Unterleib gejagt ist. Ein Schmerz, den ich so noch nie gespürt habe. Chris hatte den Schock seines Lebens und hat mich seither nicht mehr angerührt.

Glücklicherweise konnte ich recht schnell einen Termin mit dem Frauenarzt vereinbaren. Die Jahreskontrolle war sowieso hinfällig und so empfand ich das gleich als gute Gelegenheit, meine Intimzone einer Generalüberholung zu unterziehen – wo sie doch wieder so regelmässig gebraucht wird.

„Ich mache nur den Service, damit mein kleines Kätzchen wieder einwandfrei schnurrt", scherze ich, aber Chris bleibt ernst.

„Das ist nicht lustig, Emma. Was, wenn du dich ernsthaft verletzt hast?"

Er starrt auf die triste Betonmauer vor uns. Ihm ist es offensichtlich überhaupt nicht recht, dass ich beim Frauenarzt antanzen muss.

„Mein Gott, Chris. Sieh mich an. Ich liege nicht im Sterben. Was auch immer weh getan hat, tut jetzt nicht mehr weh", lüge ich.

Er muss ja nicht wissen, dass ich seither einen immensen Druck in meinem Unterleib verspüre. Männern kann man diese Art von Schmerzen sowieso nicht verständlich erklären. Und sowieso: Auf die Zähne beissen kann ich, wenn es um diese Art der Qualen geht. So wie jede Frau wahrscheinlich.

Ich öffne die Autotür.

„Ich bin mir sicher, dass da unten alles noch ganz ist. Was dir viel eher Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache, dass mein Gynäkologe ein Mann ist und ich vor ihm gleich die Beine breit machen werde."

Mit diesen Worten steige ich aus dem Wagen und knalle die Tür zu. Chris' entsetzten Gesichtsausdruck brennt sich in mein Gedächtnis. Ich muss kichern. Breit grinsend winke ich ihm zum Abschied zu.

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