Geburtstage sind ätzend.
Als Kind freut man sich noch jedes Jahr, wenn es wieder soweit ist. Man wird von den Eltern mit Geschenken überhäuft, schmeisst eine Kinder-Geburtstagsparty mit viel Zucker und Luftballons und steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es wird gesungen, man darf die Kerzen ausblasen und jeder beglückwünscht einen, ein weiteres Jahr im Leben geschafft zu haben.
Sobald man erwachsen wird, ist das vorbei. Die Geschenke nehmen sowohl in Qualität als auch in Quantität ab, die Sänger singen schiefer, die Sirupgläser werden durch Alkohol ersetzt und es kommen immer weniger Menschen auf die Party. Am Ende bleibt einem nur noch die Familie. Leider verfüge ich selbst über das nicht mehr. Meine Familie ist schon seit langem zerbrochen, und so feiere ich meinen heutigen Geburtstag – wie fast jedes Jahr seit ich zwanzig bin – alleine mit mir selbst in meiner Wohnung.
Den Tag habe ich mir extra freigenommen, denn niemals würde ich an meinem eigenen Geburtstag arbeiten wollen. Das ist eine Regel, die ich, seit ich arbeite, immer durchgezogen habe. An meinem Geburtstag geht es nur um mich, da kann mir die ganze Welt gestohlen bleiben.
Patrick war so gnädig und hat es mir erlaubt, den Tag freizunehmen, denn ich habe gestern noch drei weitere Versicherungen verkauft, nachdem mir die Hexe Gerber mächtig Feuer unterm Arsch gemacht hat. Aber heute soll mein Ruhetag sein und es können mich alle mal kreuzweise.
Auch Chris, denn dieser Pfosten hat sich seit unserem Date im King's nicht mehr bei mir gemeldet. Ich habe zu grosse Angst, ihm eine WhatsApp-Nachricht zu hinterlassen, denn ich fürchte mich vor der Abfuhr. Lieber verstecke ich mich davor und bleibe im Ungewissen.
Ich liege in meiner Badewanne und höre Jack Johnson. Mein Gesicht und meine Haare habe ich seit langem wieder einmal in einer Maske eingelegt. Self Care ist nun mal wichtig.
Während ich den sanften Tönen von Jacks Gitarre horche, schweifen die Gedanken immer wieder zu meinem Feuerwehrmann. Selbst wenn ich aktiv versuche, nicht an ihn zu denken – ihn gar proaktiv zu hassen versuche – es klappt einfach nicht. Er sitzt wie ein Ohrwurm in meinem Kopf und will nicht mehr da raus.
Warum hat der sich noch immer nicht gemeldet? Woran könnte es liegen? Sowohl der gemeinsame Kochkurs als auch die Tanzeinlage im King's waren doch unvergessliche Momente, die wir miteinander verbracht haben. Oder irre ich mich vielleicht? Hat es ihm nicht so gefallen, wie mir? War ich zu peinlich?
Der Gedankensturm treibt mich in den Wahnsinn.
Seufzend entsperre ich mein Telefon, das ich auf den Rand meiner Badewanne gelegt habe und tippe ziellos darauf herum, öffne Apps, nur um sie dann sogleich wieder zu schliessen und dann wieder zu öffnen. Diese Warterei ist echt zermürbend. Ich verstehe nicht, wie mich Chris einfach so hängen lassen kann!
Normalerweise kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen und bei Chris hatte das einfach gestimmt. Er scheint ein richtig guter Kerl zu sein und ausserdem ist er so unglaublich attraktiv. Vielleicht muss ich mich einfach mit dem Gedanken abfinden, dass er ausserhalb meiner Liga ist.
Apathisch starre ich auf den Bildschirm meines Handys. Ich öffne den letzten Chat, den ich mit Chris hatte, welcher vom Abend unseres Dates im King's stammt. Sicherheitshalber fliege ich über die letzten Zeilen, die wir ausgetauscht haben, im verzweifelten Versuch einen Grund für sein Schweigen zu finden. Möglicherweise habe ich was Komisches geantwortet? Habe ich ihm ein Taschenfoto geschickt, das ihn abgeschreckt hat? Ein Doppelkinn-Selfie?
Meine Augen fliegen über unseren Chat, der auf den Freitag, 27.08.2021 um 23:27 Uhr datiert ist:
Hey Chris
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Herzbruchversicherung
ChickLitAls Emma eines Tages in der Schleuse ihres Arbeitgebers stecken bleibt und beinahe schon ein Testament ihrer Freundin per WhatsApp schreibt, lernt sie den reifen Feuerwehrmann Chris kennen, der sie aus der Situation rettet. Tage später, nachdem Emma...