Dieses Gefühl in meinem Magen will nicht abflachen. Seit Freitag kribbelt es, als wären da Ameisen eingezogen und hielten gerade eine Goaparty. Der Abend mit Chris war unbeschreiblich und ich komme aus meiner Schwärmerei nicht heraus. Ich muss unbedingt Viola davon erzählen, dass ich getanzt habe. Getanzt! Ich. Emma, welche über die Beweglichkeit eines Nussknackers verfügt.
Am Abend habe ich Chris noch geschrieben, nämlich als ich für den Heimweg in den Bus gestiegen bin. Seither herrscht leider Funkstille zwischen uns. Es ist nicht so, als ob es nichts mehr zu besprechen gäbe, aber ich habe mich schlicht und einfach noch nicht getraut, ihm von mir aus zu schreiben.
Man will ja nicht zu aufdringlich wirken und den potenziellen Mann seiner Träume gleich mit seiner Anhänglichkeit verscheuchen. Allerdings mache ich mir jetzt Sorgen, denn es ist mittlerweile Dienstagmorgen und ich habe seit Freitagabend kein Lebenszeichen von Chris erhalten.
Ist das vielleicht irgendsoein Machtspielchen, das man austrägt? Wer es länger aushält, dem anderen nicht zu schreiben, ohne dabei vor Ungeduld fast zu explodieren? Wenn ich ehrlich bin, hasse ich solche Spielereien. Ich schreibe, wenn ich Lust habe zu schreiben. Aber bei Chris wiederum will ich nichts falsch machen.
Dieser Kerl hat es mir wirklich angetan. Ich erkenne mich nicht wieder. Normalerweise lasse ich mein Leben nicht von der Liebe leiten, aber im Moment hat sie die Regierung über mein Gehirn übernommen. Ich kann nicht anders, als jede Millisekunde meiner Existenz über ihn nachzudenken.
Der scharfe Klingelton meines Bürotelefons lässt mich zusammenfahren. Ich habe vor lauter Liebesrausch vergessen, dass ich bei der Arbeit bin und eigentlich performen müsste.
„Willst du den Anruf nicht entgegennehmen?", fragt mich Patrick, als er sich zu mir an den Tisch gesellt.
Während ich auf meiner rosaroten Wolke schwebte, hat Patrick einmal mehr das Protokoll für eine Vertriebssitzung schreiben müssen. Ich weiss, dass er diese Art von Arbeit hasst, selbst wenn das zu seiner Rolle als Assistent dazugehört.
Seit wir auf unseren Deal eingeschlagen haben, hat sich die Stimmung zwischen uns relativ entspannt. Ich schaffe es, ihn und seine Nähe zu tolerieren, denn ich weiss, dass er mir helfen wird. Das alleine erlaubt es mir, seine Präsenz auszuhalten. Patrick ist ein Gewinnertyp und unser Deal ist eine Herausforderung für ihn, die er für den Preis, den ich ihm geboten habe, gerne angenommen hat. Er wird erst dann für seinen Dienst bezahlt, wenn ich offiziell mein Ziel von 30'000 Franken erreicht habe. Davor kann er nur von dem Date mit mir träumen. Allerdings merke ich, wie sehr ihn das anspornt. Er wirkt hoch motiviert und schiebt mir ständig heisse Leads zu, die ich abtelefonieren und abschliessen soll.
„Doch, doch", murmle ich und nehme den Hörer in die Hand. „Emma Schmidt, Vertrieb–", will ich sagen, werde allerdings von Viola unterbrochen.
„Emma, komm hoch!", ruft sie ins Telefon. Ihre Stimme klingt alarmierend ernst.
„Äh."
„Komm hoch!", wiederholt sie den zischenden Befehl.
Ich kann gar nicht fragen, was denn der Grund für ihre Aufregung ist, denn schon höre ich das Tuten, welches mir signalisiert, dass sie bereits wieder aufgelegt hat.
„Was ist denn?", fragt mich Patrick neugierig.
Ich blinzle entgeistert und lege den Hörer wieder hin.
„Viola. Irgendwas ist los. Sie will, dass ich kurz in den vierzehnten Stock komme."
Patrick zuckt mit den Schultern. Ihn scheint das nicht zu beunruhigen. Ist aber auch verständlich, denn er hat den Tonfall von Viola nicht gehört. Sie klang besorgt.
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Herzbruchversicherung
ChickLitAls Emma eines Tages in der Schleuse ihres Arbeitgebers stecken bleibt und beinahe schon ein Testament ihrer Freundin per WhatsApp schreibt, lernt sie den reifen Feuerwehrmann Chris kennen, der sie aus der Situation rettet. Tage später, nachdem Emma...