26 - Teig kneten

3.3K 280 697
                                    

Wir sitzen schon seit einer Weile gesellig am Esstisch und reden. Da Teo so eine Labertasche ist, plaudert er die meiste Zeit. Wir hören ihm gespannt dabei zu, wie er die unglaublich komische Szene schildert, als er kürzlich von einem Chihuahua durch den Park gejagt wurde. Noch nie habe ich so viel gelacht wie an diesem Esstisch. Immer wieder wirft der Dominikaner mit Witzen um sich, dass ich mich fast kugeln muss. Meine Wangen schmerzen und ich bin mir sicher, dass ich morgen um ein paar Falten reicher sein werde.

Auch Chris und Maria geht es so. Die Stimmung ist locker und ungezwungen. Dieses Gefühl ist mir fremd, unter Freunden solche Gespräch zu führen und ein Gläschen zu trinken, doch ich geniesse es in vollen Zügen. Bei Chris und seinen Freunden fühle ich mich richtig wohl.

Der Prosecco steigt mir allmählich zu Kopf. Alkohol auf leerem Magen gemischt mit Zucker und Sprudel ist keine so gute Idee. Nicht, wenn man kaum Zeit für sein Mittagessen hatte, so wie ich. Jetzt habe ich mächtig Hunger und wenn wir noch lange tatenlos dasitzen, wird mein Magen einmal mehr das Balzgebrüll eines männlichen Walrosses demonstrieren.

Chris und Teo befinden sich gerade in einer hitzigen Diskussion darüber, wer von ihnen in der Jugend der grössere Herzensbrecher gewesen war. Während Teo vehement behauptet, er hätte keiner Menschenseele irgendwas gebrochen, zählt ihm Chris alle Mädchennamen auf, deren Herzlein er zerstampft haben soll. Mindestens fünf sind es anscheinend. Diese Zahl wird von Teo allerdings angezweifelt.

Sie debattieren lautstark und fuchteln mit den Händen. Irgendwann wechseln sie ins Spanisch und werfen sich wie die Salven zweier Maschinengewehre im Automatikmodus Vokabeln an die Köpfe.

„Habt ihr euch eigentlich in Venezuela kennengelernt?", frage ich Maria, die schweigend dem Disput der beiden Herren folgt.

Sie lächelt mich an.

Si, in Caracas, meine Stadt", antwortet sie mir.

„Und wie genau–?", will ich fragen, da fällt mir Teo ins Wort. Er muss mit einem Ohr mitgehört haben, während er Chris mit einem Schwall rollender R's überfahren hat. Dass er gleichzeitig zuhören und sprechen kann, wundert mich. Aber ich vermute, dass es eine seiner Barkeeper-Spezialfähigkeiten ist.

„Ich war auf meiner Weltreise. Backpacking durch Südamerika. Da mache ich für einen Monat Halt in Venezuela und lerne die Liebe meines Lebens kennen! In einem kleinen, unscheinbaren Kaffeehäuschen. Sie war die wunderschöne Frau, die mich bedient hat! Mit ihrem Lächeln und süssem Arsch hat sie sofort mein Herz erobert", sagt Teo und hält sich beide Hände ans Herz, um seine Liebe gestikular zu unterstreichen.

„Oh wow, du warst auf Weltreise!", stelle ich beeindruckt fest.

„Das war seine zweite – muss man hinzufügen", mischt sich Chris nun ein, da die Diskussion über gebrochene Mädchenherzen so abrupt beendet wurde. „Seine Erste war durch Nordamerika – mit mir – als wir fünfundzwanzig Jahre alt waren."

Chris und Teo grinsen beide ob der Erinnerung ihres Abenteuers. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die beiden in Amerika alles angestellt haben.

„Oha", sage ich. Amerika ist auch einer der vielen Reiseträume meinerseits.

„Warst du schon mal in Amerika?", fragt mich Chris gleich weiter.

Er blickt mich von der Seite an und ich erkenne die Neugierde in seinen Augen, mehr über mich erfahren zu wollen. Allerdings wende ich den Blick ab. Ich drehe das Glas zwischen meinen Fingern und starre auf die kleinen Bläschen, die sich bilden und nach oben flüchten.

„Nein. Ich war noch nie so richtig im Urlaub. Also im Ausland. Nur einmal in Österreich", murmle ich.

Teo knallt beide Hände auf die Tischfläche, was Maria neben ihn aufzucken lässt.

HerzbruchversicherungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt