44 - Unter Platanen

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Nervös zupfe ich am Saum meines pastellfarbenen Kleides.

Die Laternen baumeln von den Ästen und werfen ein dunkelgelbes, schwaches Licht auf die Seeterrasse des Restaurants Zum goldenen Elefanten. Die Esstische stehen unter alten Platanen und reichen bis zum Ufer des Zürcher Sees. Es ist ein milder Abend, nur ein kleines Lüftchen zieht um die Stühle.

Ich atme tief ein und bahne mir sodann meinen Weg über die kiesige Terrasse. Das Restaurant ist heute Abend gut besucht. Der Kellner – ein thailändischer junger Mann mit einem zauberhaften Lächeln – geht hinter mir und deutet mit der Hand an den reservierten Tisch, der dem Seeufer am nächsten ist.

Zu meiner eigenen Überraschung sitzt Patrick bereits dort und als er mich erblickt, erhebt er sich vom Stuhl.

Eigentlich bin ich zu früh da und hatte gehofft, ein paar Minuten für mich alleine zu sein, aber offensichtlich hatte Patrick dieselbe Idee. Wir konnten wohl beide kaum erwarten, auf dieses Date zu gehen? Ich, um es hinter mich zu bringen, und Patrick, weil er schon seit Ewigkeiten auf diesen Abend gewartet hat.

„Emma, du siehst wundervoll aus!", begrüsst mich mein Partner und schenkt mir die obligatorischen drei Begrüssungsküsschen auf die Wangen.

„Du ebenso", lautet mein etwas steifes Kompliment als Reaktion auf seinen eleganten Anzug, den er trägt. Ein marineblaues Ding, aber diesmal ohne Krawatte zum Glück.

Er zieht meinen Stuhl nach hinten, damit ich mich setzen kann. Danach läuft er auf seine Seite des Tisches zurück und lässt sich nieder. Dabei zupft er an den Manschettenknöpfen seines weissen Hemdes.

Er ist nervös, merke ich.

„Bist du schon lange hier?", frage ich, um die Stimmung zu lockern, denn ich will nicht, dass Patrick sich aufführt, als sei das hier ein ernsthaftes Date und die Chance, mit mir ins Bett zu steigen, bestünde für ihn tatsächlich.

So ist das nämlich nicht, aber der Kerl macht sich wahrscheinlich immer noch Hoffnungen.

„Nein, gerade erst gekommen. Ich habe aber schon Champagner für uns bestellt!", erwidert er breit grinsend.

„Ich wollte eigentlich nichts trinken."

Das sollte ich zumindest nicht. Nicht, wenn ich mit Patrick unterwegs bin. Ich weiss ja, wie glimpflich die Situation letztes Mal ausging, als ich mir sein Feuerwasser den Schlund heruntergekippt habe.

„Oh." Mein Kollege streicht sich verlegen durch die Haare. Normalerweise fragt man ja seine Verabredung, was sie trinken möchte. Nicht aber dieser Kerl, wie es scheint.

„Ihr Dom Perignon", flötet der thailändische Kellner und serviert uns die zwei feingliedrigen Champagnergläser auf einem Silbertablett. So lautlos, wie der sich angeschlichen hat, verschwindet er auch wieder und lässt uns alleine.

Die edle Flasche mitten auf dem Tisch weist eine doch beachtliche Grösse auf. Das wird heute wohl nichts mit "nix trinken".

„Du musstest tatsächlich den teuersten Fusel bestellen? Willst du angeben, oder was ist hier los?", zicke ich Patrick an, denn ein Blick auf die Speisekarte verrät, dass er die kostbarste und grösste Champagnerflasche bestellt hat.

Dabei sind wir doch nur zu zweit und das hier ist ein gewöhnliches Date.

„Nein, aber deine Glanzleistung hat nun mal etwas Besonderes verdient. Und da es dir die letzten Tage so schlecht ging, dachte ich mir, ich gönne dir ein richtig teures Essen, um deine Laune zu heben."

Patrick grinst noch immer, während er das sagt. Der Typ weiss echt nicht, dass Angeben bei vielen Frauen eher Übelkeit als Bewunderung hervorruft. Wenigstens ist das bei mir der Fall. Geld und Diamanten ziehen mich nicht an, im Gegenteil, sie schrecken mich ab.

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