13 - Die Einladung

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Chris lacht. Laut und ausgelassen und ich kann nicht anders, als mitzumachen. Wir stehen noch immer vor der Fleisch- und Fischtheke und lachen uns gerade zusammen schlapp. Seine braunen Augen glänzen glücklich, als er sich von seinem süssen Lachanfall erholt.

Ich gebe die leere Austernschale der schönen Verkäuferin zurück. Innerlich feiere ich meinen kleinen Triumph über die Schönheit. Ha! Das hat sie mit ihrem perfekten Gesicht halt nicht geschafft.

Wir entfernen uns von der Fleischtheke, um den ungeduldigen Kunden hinter uns endlich die Möglichkeit zu geben, ihre Bestellungen aufzugeben. Gemeinsam schlendern wir durch den Laden und reden weiter.

„Wie lange hat man dich eigentlich im Krankenhaus unter Beobachtung gestellt?", fragt er und ich juble innerlich, dass er das Gespräch mit mir tatsächlich fortführen will.

Das kleine Blutwurst-Austern-Duell von vorhin hat mir doch sehr viel Spass gemacht. Es wäre schade, wenn unser Gespräch gleich enden würde. Chris scheint es nicht abzuschrecken, dass ich mich vor versammelter Kundschaft total blamiert habe.

„Warum? Denkst du, die haben meinen Dachschaden vielleicht übersehen?", gebe ich zurück und er schmunzelt schon wieder. Aber dann gebe ich ihm die Antwort auf seine Frage. „Ich wurde während 24 Stunden beobachtet."

Wir gehen an den Tiefkühlschränken vorbei, deren kühle Luft an meine Haut dringt und mir eine Gänsehaut entlocken. Mit meinen Handflächen reibe ich mir die Arme, damit das nicht passieren kann.

„Ahja. Das Übliche. Die wollen sichergehen, dass du keine langfristigen Lungenschäden davongezogen hast. Und merkst du jetzt noch was davon? Von dem Rauch?"

Ich schüttle den Kopf.

„Ausser einem kratzigen Hals, habe ich keine Nachwehen. Wenn ich huste, klinge ich zwar wie mein Opa, aber sonst ist alles wieder beim Alten."

Er nickt. Sein Lächeln verschwindet während er mich sorgenvoll anblickt. Seine Stirn ist leicht gekräuselt.

„Wegen dieser Kunststoff- und Glasfassade am Gebäude musst du eine Menge hochgiftiger Gase eingeatmet haben. Es grenzt an ein Wunder, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist", sagt er.

Ich grinse bloss als Antwort. Warum müssen das alle auch immer so tragisch sehen? Ich bin quicklebendig und es geht mir gut. Nichts passiert, das Leben geht weiter.

„Ich habe es dir zu verdanken, dass nichts geschehen ist", bringe ich hervor.

Wir bleiben vor den Weinregalen stehen. Die entstaubten Flaschen leuchten im Licht des Ladens und die Farbe der Weissweine schimmert elegant, als wäre es flüssiges Gold, was man hier kaufen kann.

„Mir musst du nicht danken. Meine Jungs haben die Scheiben aufgebrochen ...", meint Chris und greift zu einem Sauvignon Blanc. Er studiert das Etikett und dreht die Flasche in seinen Händen, um sie genauer unter die Lupe zu nehmen.

„... während du nur mit mir geschwafelt hast", beende ich seinen Satz und fahre mit den Fingerspitzen über die Flaschen im Regal. „Du hast mich bei Laune gehalten. Wenn ich verreckt wäre, dann wäre ich immerhin glücklich gestorben!"

Er legt seinen Kopf schief und mustert mich, ehe er die Flasche zurück ins Regal stellt.

„Ich habe bloss meinen Job gemacht."

„Trotzdem. Danke", insistiere ich und blicke ihm dabei tief in die Augen. Ich will, dass er meine Dankbarkeit wirklich fühlt. Damit er weiss, wie froh ich bin, dass er derjenige war, der mit mir in der Räucherkammer gesprochen hatte. Mit dieser unendlich erotischen Stimme.

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