29 - Candlelight Dinner mit Hindernissen

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Das Feuer im Kamin knistert leise. Ich sitze auf der Couch in Chris' Wohnzimmer und lasse mir den Rotwein auf der Zunge zergehen, versuche die Aromen zu schmecken, von denen er behauptet, sie würden hier drin stecken. Der Mann steht in der Küche, so wie er es mir am Telefon versprochen hat, und schnippelt Gemüse.

„Und?", fragt er.

„Ich schmecke da nur Wein", komme ich zum Schluss, selbst nachdem ich die rote Flüssigkeit ein bisschen schmatze. „Rotwein", präzisiere ich mein Geschmackserlebnis, was Chris auflachen lässt.

„Ich bringe dir nachher gleich einen anderen Blauburgunder, dann wirst du den Unterschied besser herausschmecken können. Die Geschmacksknopsen deiner Zunge sind einfach nicht sensibel genug. Die wurden wahrscheinlich von deinem Koffeinkonsum taub gesoffen."

„Darfst dich gerne bei meinem Arbeitskollegen – oder noch besser – bei meiner Chefin beklagen. Die stressen mich alle. Ich trinke nur so viel Kaffee, weil ich bei den Aufgaben immer einen Puls von 180 haben muss, sonst ist das körperlich nicht machbar."

„Das Verkaufen?", hakt er nach.

Ich schüttle den Kopf.

„Nein, ich meinte den Dienst am Telefon. Meinen Traumjob. Das weisst du doch." Der Sarkasmus trieft aus meinen Worten und lässt Chris in seiner Arbeit innehalten.

„Emma", sagt er und seine Stimme klingt irgendwie ernst, sodass ich den Kopf drehe, um ihn anzuschauen.

„Ja?"

„Wenn dir dein Job so sehr an die Substanz geht, dann solltest du ihn an den Nagel hängen."

Der Ausdruck in seinem Gesicht passt zum seriösen Tonfall seiner Worte. Wie oft habe ich das schon gehört. Zwar nicht von Chris, aber von meiner Mutter und von Jonas. Wenn es doch nur so einfach wäre!

„Wenn ich die finanzielle Stabilität hätte, wäre das meine erste und letzte Amtshandlung im Büro, ich schwöre es dir. Aber es geht nicht. Ich stehe auf unsicheren Beinen. Meine Zukunft ist pechschwarz."

Mit Schwung leere ich das edle Villeroy & Boch Weinglas und stelle es auf den Couchtisch. Chris kommt von der Küche zu mir und schenkt mir automatisch nach. Der Kerl will mich wohl abfüllen. Er steht vor mir, die Flasche in der einen Hand und die andere in die Hüfte gestemmt. Sein Kopf ist leicht nach vorne geneigt, sodass ihm einige dunkle Strähnen ins Gesicht hängen.

„Erstens ist deine Zukunft nicht pechschwarz", sagt er und mir entgeht dabei nicht, wie einer seiner Mundwinkel in die Höhe zuckt. Da gibt es eine Randbemerkung, die er hinzufügen wollen würde, aber er beherrscht sich und bleibt beim Thema. „Und zweitens ist dein Argument ungültig."

Ich greife zum Glas, welches Chris mir gefüllt hat und gönne mir noch einen Schluck von dem leckeren Blauburgunder. So allmählich merke ich, wie sich der beerige Geschmack in meinem Gaumen verbreitet. Das soll Kirsche sein anscheinend.

„Ich soll alles hinschmeissen und auf der Strasse leben?"

Er wedelt mit der Flasche vor meinem Gesicht herum, während er sein Argument weiter auslegt.

„Würdest du ja nicht. Die Arbeitslosenversicherung sorgt dafür, dass du nicht auf der Gosse landest."

Den lauten Seufzer, der mir entkommt, kann ich bei dem Schlagwort nicht unterdrücken. Es gehört nicht unbedingt zu meinen Lebenszielen, jemals vom Staat abhängig zu sein. Ich liege niemandem gerne auf der Tasche. Dafür habe ich doch nicht studiert.

Chris spürt meine Verstimmung und stellt die Weinflasche auf dem Couchtisch ab.

„Zudem", fährt er fort und blickt mich dabei eindringlich an, „würde ich das gar nicht erst so weit kommen lassen."

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