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„Deine Wohnung ist ja wirklich noch schöner als auf den unendlich vielen Fotos, die du mir geschickt hast Maddie", schwärmte Lou als wir mein kleines Appartement betraten, nachdem wir unsere Schuhe abgestreift hatten.

Und ja, es stimmte. Ich hatte mir viel Mühe beim Einrichten gegeben, um mich in der fremden, weit entfernten Hauptstadt, in der ich völlig allein war, schnellstmöglich heimisch zu fühlen.

„Danke Süße! Es freut mich, dass es dir so gefällt. Jetzt ist das hier ja auch dein Zuhause."

Wir grinsten uns an und Lou warf mir ein Luftküsschen zu.

Nach einer kleinen Erkundungstour durch alle weiteren Raume, zeigte ich meiner besten Freundin ihr zukünftiges Zimmer, das ich vor Lou's Einzug für Gäste nutzen wollte. Außer meiner Eltern, die ein einziges Mal zu Besuch hier waren, hatte es allerdings noch niemand sonst zu Übernachtungszwecken nutzen müssen.

Aufgrund meiner zurückhaltenden Art fand ich es schon immer schwer, Bekanntschaften oder gar Freundschaften zu schließen. Leute kennen zu lernen bedurfte größter Überwindung für mich.
Zumal ich selbstständig arbeitete, konnte ich mich nichteinmal Kollegen anschließen, die hier sonst für gewöhnlich nach getaner Arbeit den Abend im Pub ausklingen ließen.
Und von Nachbarn hatte ich verständlicher Weise die Nase voll.

Eine verzwickte Situation für jemanden wie mich.

Umso mehr freute ich mich über die zurückgewonnene, tägliche Anwesenheit meiner Lou, die ich heiß und innig liebe. Wie die Schwester, die ich nie hatte.
Ok, zwischen uns hatte es noch nie wirklich Streit gegeben, das ist mit einer biologischen Schwester sicher anders.
Totsicher, wenn ich an das Verhältnis meiner Mutter und meiner Tante dachte, die sich regelmäßig und ganz ungeniert auch vor Fremden angifteten, wenn sie gezwungenermaßen Zeit miteinander verbringen mussten.

Damit sich Lou in Ruhe einrichten konnte, nutzte ich die Zeit für mich und flitze durch den heftig prasselnden londoner Regen zu meinem nahegelegenen Atelier.

Dauerregen im Juni, nicht gerade das, was man sich unter Sommer vorstellt.

Die vielen Regenschirme mit den dazugehörigen Personen darunter, die mir auf dem Weg begegneten, hatten oft gar keinen Platz auf den ständig überfüllten Bürgersteigen der Innenstadt.
Ich fragte mich pausenlos wann mir wohl das erste Auge durch einen Regenschirm ausgestochen werden würde, während ich mich durch die Menschenmassen drängte.

In meinem Atelier war es ruhig und angenehm warm.
Hier fühlte ich mich immer absolut entspannt, gelassen und völlig losgelöst von der Hektik des londoner Alltags - fast wie in einer riesigen schillernden Seifenblase.
Hier konnte ich tun und lassen was ich wollte und sein wie ich bin. Hier störte sich niemand an meiner Verschlossenheit. Im Gegenteil: die positive Atmosphäre hier brachte mich bei meiner Arbeit zu Höchstleistungen und ließ mich fokussiert und effizient arbeiten.

Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich dadurch das Gefühl wirklich erfolgreich mit etwas zu sein - zumindest geschäftliche Dinge betreffend.

Nachdem ich etwas Papierkram erledigen konnte und der Zettelstapel, der leider schon eine unschöne Größe angenommen hatte, somit etwas flacher erschien, atmete ich erleichtert aus und sah mit verkniffenen Augen zur Uhr.
Ich war schon zwei einhalb Stunden hier und mein Magen begann so laut zu knurren, dass ich zum Handy griff und Lou vorschlug, sie an ihrem ersten Abend zu meinem Lieblingsitaliener einzuladen.

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„Unfassbar gute Pasta Maddie. Ich bezweifele jetzt schon, dass ich in dieser Stadt jemals irgendwo anders essen werde, nachdem ich hier einen derartigen Geschmacksorgasmus hatte!"

Nach einem kurzen Schockmoment lächelte ich sie gequält an und hoffte, dass ich die Einzige war, die das in diesem Restaurant gehört hatte und ließ meinen Blick schlagartig durch den Raum wandern.

Doch Lou legte gleich nach und gönnte meinem bereits peinlich berührten Innersten keine Ruhe.

„Puh, jetzt muss ich direkt schon den Knopf meiner Jeans aufmachen, so voll bin ich", fügte sie grinsend hinzu.

Nervös und mit erröteten Wangen lachte ich wieder verkniffen und lehnte mich vor um Lou's Aktion mit meinem Körper für die anderen Gäste unsichtbar zu machen.

Wie konnte jemand nur so locker und offen sein?
Ich bewunderte das.

Wie so oft wünschte ich mir, ich könnte meine zahlreichen Gedanken über Meinungen Anderer abschalten. Zumal ich ja gar nicht mit absoluter Sicherheit sagen konnten, wie diese ausfielen.

Ich ärgerte mich deshalb oft über mich selbst.

Nach weiteren detektivartigen Blicken meinerseits konnte ich mir in dieser Situation allerdings recht sicher sein, dass keiner etwas mitbekommen hatte. Die Musik war laut und niemand schien zu unserem Tisch zu starren.
Das verlangsamte meinen erhöhten Puls zum Glück schnell wieder.

Lou grinste schelmisch, denn sie kannte mich nur zu gut.

„Vorausgesetzt die lassen mich hier wieder rein, nach meiner „super peinlichen" Nummer gerade," neckte sie mich nun etwas leiser.

„Hoffen wir's", scherzte ich nun etwas entspannter und forderte Lou auf, mit mir anzustoßen.

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In den nächsten Tagen zeigte ich meiner besten Freundin das Atelier, führte sie an ihre Aufgaben dort heran, und präsentierte ihr meine Lieblingsplätze und alle Sehenswürdigkeiten in ihrer neuen Heimat London.

Sie schien es hier genauso zu lieben wie ich.

Die Anonymität hier machte mich glücklich.
In den Menschenmassen und der Hektik, die die Londoner selten nach rechts und links schauen ließ, ging ich völlig unter und kaum jemand schien mich zu bemerken. Mein Innerstes beruhigte das sehr, doch für meine persönliche Weiterentwicklung war es Gift.

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- Drei Wochen später -

„Soooo Maddie meine kleine Zuckermaus, ich bin jetzt drei Wochen hier und denke, es ist langsam an der Zeit, dass wir das heute Abend mal gebührend feiern sollten...
Wir haben in den letzten Tagen seeeeehr vorbildlich - ja lass mich sagen: fast streberhaft - gearbeitet und heute ist Friyaaaay!", flötete sie mir in überlautem Singsang entgegen, als ich die Wohnung mit ein paar Einkäufen betrat.

Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen.
Sie ist so anders als ich. Ich denke, gerade das ist der Grund, warum wir so gut miteinander auskommen. Wir ergänzen uns einfach. Was die eine zu viel hat, hat die andere zu wenig und anders herum.

Ja, sie hatte recht. Wir haben uns einen lustigen Abend à la „Friyaaaaaay", wie sie meinte, heute wirklich verdient.
Und jap, ich hatte sogar etwas Lust darauf.

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Hier kommt Kapitel 2 meine Lieben.

Habt ihr eure Eindrücke von Maddie oder Lou geändert oder hat sich eure Vorahnung bestätigt?

Was meint ihr, wie wird der Partyabend verlaufen? Was wird passieren?

Fühlt euch gedrückt. - F. ☺️

LondonboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt