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Wie gebannt starrte ich auf Emilys Lippen und hoffte so sehr, sie hatte gute Nachrichten für mich.

„Ich habe mir schon gedacht, dass er dir gut gefällt. Das war nicht zu übersehen."

Sie kicherte und spannte mich durch eine kurze Sprechpause weiter massiv auf die Folter.

Ich biss mir auf die Unterlippe und konnte die Anspannung in meinem Innersten kaum ertragen.

„Definitiv hast DU IHM aber auch gefallen.
Er hat es nur auf eine ganz andere Weise gezeigt als du. Keine Ahnung wie ich das beschreiben soll.
Es war, als wäre irgendwie ... eine elektrische Spannung oder so etwas in der Art zwischen euch.
Ihr hattet sofort eine Connection ohne euch zu kennen. Das war Wahnsinn!
Und glaub mir, in meinen 5 Jahren als Barkeeperin habe ich schon so einige Anbandelungsversuche verfolgt.
Ich hätte dich heute eh noch auf ihn angesprochen -
war nämlich echt neugierig...
Leider muss ich dich jetzt enttäuschen und dir sagen, dass ich dir nicht weiterhelfen kann.
Obwohl mir sein Gesicht irgendwie doch bekannt vorkam, kann ich dir nicht sagen wie er heißt.
Ich habe ihn auch noch die zuvor im Club gesehen.
Auch an eine Begleitung von ihm könnte ich mich nicht erinnern.
Es tut mir wahnsinnig leid."

Ihre Worte trafen mich wie ein Messerstich ins Herz und ich spürte unmittelbar darauf, wie meine Kehle begann, sich zuzuschnüren.

Ich konnte jetzt nicht vor Emily anfangen zu heulen, obwohl mir danach zu Mute war.

Ich blickte ein paar Sekunden lang stumm zu Boden, atmete tief aus und versuchte mich zu sammeln.

Niedergeschlagen nickte ich.

Dass ich mir die intensive Spannung zwischen dem Unbekannten und mir ja scheinbar nicht eingebildet hatte, verschlimmerte die Situation für mich nur noch.
Er war offensichtlich doch ehrlich an mir interessiert und mit meinem plötzlichen Verschwinden hatte ich ihm wahrscheinlich signalisiert, ich wäre desinteressiert und deshalb aus der Situation geflüchtet.

Oh Gott! Wie dumm bin ich nur gewesen? Ich war kurz vorm Durchdrehen! Ich hatte es echt vermasselt!

Aber ich musste mir dennoch eingestehen, dass ich mir bei dem Versuch, den Unbekannten zu finden, wieder ein Fünkchen Selbstbewusstsein zurück erkämpft hatte, obwohl es mir sehr peinlich war, Emily in die Sache einzuweihen.

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Drei Tage voller schlechter Laune und Selbstgeißelung später saß Lou bereits am Küchentisch und wartete gierig darauf, die von mir gekochten Nudeln mit Käse-Sahnesoße zu verschlingen, während ich eigentlich mal wieder keinen Appetit hatte.

„Ich muss dir übrigens noch was erzählen", gab sie schmatzend von sich.

„Am Samstag treffe ich mich mit Dan - du weißt schon, der aus dem Club."

Ein winziges, aber dennoch ehrlich gemeintes Lächeln huschte mir über die Lippen.

„Ich habe in den letzten Tagen viel mit ihm geschrieben und finde ihn echt nett und wir haben ähnliche Interessen. Außerdem hat er einen totaaaaal süßen Hund, den ich einfach unbedingt mal streicheln muss." Sie grinste heftig.

Soso, den Hund will sie streicheln... Schon klar!

Trotz meiner eigenen Situation, die mich immer noch sehr belastete, freute ich mich, dass Lou und Dan sich scheinbar mochten. Nach der Pleite mit Nachhilfelehrer Tim vor einigen Jahren hatte Lou es verdient, einen neuen guten Kerl kennen zu lernen.

„Das klingt wirklich super Süße! Ich hoffe echt ihr habt viel Spaß bei eurem Date. Was wollt ihr denn machen?", fragte ich neugierig.

„Zu erst einen Spaziergang an der Themse entlang", setzte sie an „dann eine Fahrt mit dem London Eye und zum Abschluss will Dan mich noch in sein Lieblingsrestaurant entführen."

„Wow, nicht schlecht! Ich hoffe er vermasselt es nicht und weiß zu schätzen, welche Granate er da ausführt", fügte ich grinsend hinzu.
Nach fünf Tagen endlich mal wieder scherzen zu können fühlte sich gut an.

Lou lachte laut.

„Kannst du mir mal ein paar Fotos von ihm zeigen?" fragte ich.
„Ich habe ihn ja nur maximal ... 3 Sekunden aus der Nähe gesehen und kann mich gar nicht mehr so genau an ihn erinnern."

„Aber klaro!"

Lou holte ihr Handy raus, öffnete Instagram und ließ mich durch Dan's Profil scrollen.
Er wirkte sehr nett und die Fotos mit seinem Hund darauf waren wirklich zuckersüß.
Meine beste Freundin hatte echt Glück!

Als ich mir das letzte Bild seines Profils anschaute, traute ich meinen Augen nicht!

Schlagartig wurde mir der Atem geraubt und ich fühlte mich, als wäre ich vom Blitz getroffen worden.
Mein Herz begann augenblicklich wie wild zu rasen und ich war unfähig in irgendeiner Art und Weise zu reagieren.
Mit aufgerissenen Augen saß ich am Küchentisch und starrte regungslos auf das Foto.

Meiner besten Freundin entging meine plötzliche Starre natürlich nicht.

„Maddie ... Was ist los mit dir? Hast du einen Geist gesehen? Du bist kreidebleich. Musst du ... dich übergeben?"

Nach einigen weiteren Sekunden war ich endlich in der Lage den tranceartigen Zustand abzuschütteln.

„Lou! Das ist er!
Also ... ER, der Unbekannte aus dem Club, den ich habe stehen lassen. Der, an den ich seitdem pausenlos denken muss.
Er ist hier auf diesem Foto ... neben Dan und legt einen Arm um ihn!
Das Bild wurde zwar vor fast drei Jahren gepostet, aber ich habe ihn sofort erkannt. Er ist es, ich bin mir zu hundert Prozent sicher Lou."

Nach meinem für uns beide unvorhergesehenen Wortschwall starrte mich meine Mitbewohnerin einige Sekunden lang mit großen Augen und offenem Mund an, bevor sie sich fangen konnte.

„Zeig her", schrie sie fast.
„Das kann ich gar nicht glauben. Vielleicht sind die beiden befreundet und waren an dem Abend zusammen im Club!"

Ja! Na klar, so musste es gewesen sein!

Mein Herz raste unaufhörlich weiter als ich darüber nachdachte.

Lou riss mir ihr Handy aus der Hand und begutachtete das Bild selbst.

Wieder etwas beruhigter sagte sie:
„Du hast recht Maddielein! Er sieht wirklich gut aus.
Tolle grüne Augen hat er.
Aber... irgendetwas ist komisch an ihm."

Sie begann die Stirn zu runzeln und das Bild mit zwei Fingern zu vergrößern.

„Mir kommt sein Gesicht so bekannt vor. Unglaublich! Ich kann mir das gar nicht erklären. Ich kenne in London ja bisher niemanden."

„Hmmmm", brummte ich.
„Das hat Emily am Montag auch gesagt."

Wir starrten uns an.

Wie konnte das sein?

„Vielleicht hat Dan sein Profil ja auf dem Bild verlinkt", meinte Lou und klickte es an.

Ich nickte hoffnungsvoll.

„Volltreffer!", hauchte sie.

Als Lou daraufhin das Profi angeklickt hatte,
stockte uns beiden der Atem.

Das konnte nicht sein - unmöglich!

****

Kapitel 6 ist fertig.

Ihr dürft jetzt fleißig anfangen zu raten, warum Lou und Maddie wohl so geschockt reagieren, als sie sich das Profil des Unbekannten ansehen.

Wer oder was kommt da wohl zum Vorschein?

Ich bin gespannt auf eure Vermutungen.

Xoxo -F. ☺️

LondonboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt